Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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Ver­söh­nung mit dem Geg­ner an­kam.

      Zu die­sen be­denk­li­chen Nach­rich­ten aus Böh­men kam nun im No­vem­ber noch das Er­schei­nen des Ko­me­ten, um den Kai­ser zu ängs­ti­gen, der sich oh­ne­hin, seit ihm Khlesl so un­ver­hofft von der Sei­te ge­ris­sen war, trüb­se­li­gen Be­fürch­tun­gen hin­gab. Die Ärz­te ver­ord­ne­ten ihm, um sei­ne Le­bens­kraft an­zu­spor­nen, bald eine Luft­ver­än­de­rung, bald lie­ßen sie ihn pur­gie­ren, aber es blieb beim al­ten, nicht ein­mal das dün­ne Süpp­lein, das er durch ein Rohr ein­sog, schmeck­te ihm mehr. Zu­erst ver­schaff­te es ihm eine ge­wis­se Er­leich­te­rung, als im De­zem­ber die fett­lei­bi­ge Kai­se­rin plötz­lich starb; denn nun schi­en sich die Dro­hung des Ko­me­ten auf sie be­zo­gen zu ha­ben; aber an­de­rer­seits ver­miss­te er ihr freund­li­ches, un­ter­halt­li­ches We­sen und ver­ging vor Kum­mer und Lan­ger­wei­le in den Stun­den, wo er sonst mit ihr beim Brett­spiel ge­ses­sen hat­te. Auch ver­schwand der un­heil­vol­le pro­phe­ti­sche Fin­ger nicht vom Him­mel, son­dern wies un­ver­wandt auf ihn, das welt­li­che Haupt der Chris­ten­heit, als wel­cher mit­samt sei­nen ver­üb­ten Fre­veln vom Erd­bo­den hin­weg müs­se, viel­leicht durch eine Sünd­flut son­der­glei­chen weg­ge­schwemmt.

      Mans­feld lag, als Feld­herr der böh­mi­schen Stän­de, mit dem im Diens­te des Her­zogs von Sa­voy­en an­ge­wor­be­nen Hee­re vor der Stadt Pil­sen, die sich mit Be­ru­fung auf den Kai­ser ge­wei­gert hat­te, die Pra­ger Di­rek­to­ren an­zu­er­ken­nen.

      Der Ok­to­ber war licht, lau­ter und über­reich an Früch­ten, es fehl­te nicht an Nah­rung im La­ger. Ein Häuf­lein Sol­da­ten la­ger­te um die Ge­schüt­ze her­um, die sie zu be­die­nen hat­ten, und ver­spot­te­te, nach der Mau­er bli­ckend, den Feind, der nicht tref­fen kön­ne. Nur der Scharf­rich­ter, hieß es, ver­feh­le nie das Ziel, wes­halb man glaub­te, dass er im Be­sit­ze von Frei­ku­geln sei. Mit die­sem hat­te Mans­feld eine ver­häng­nis­vol­le Be­geg­nung ge­habt: da er sich näm­lich ein­mal der Mau­er all­zu sehr nä­her­te, ritt ein Leut­nant dicht an ihn her­an und bat ihn, sich zu­rück­zu­zie­hen, da­mit ihn nicht der Scharf­rich­ter, der auf der Wa­che sei, aufs Korn neh­me. Mans­feld, der un­gern vor ei­ner Ge­fahr zu­rück­wich, rief zür­nend nach der Mau­er hin­über: »Seid ihr ehr­li­che Bür­ger und Bau­ern, dass ihr an ei­nes Scharf­rich­ters Sei­te schie­ßen mögt?«, wor­auf au­gen­blick­lich eine Stim­me, näm­lich die des Scharf­rich­ters, zu­rück höhn­te: »Kämpft ihr doch gar un­ter ei­nem Ba­stard!« Über die­sen Vor­fall plau­der­ten die bei den Ge­schüt­zen, als ein jun­ger Mensch na­mens Bla­si­us aus Graz prahl­te, er fürch­te den Hen­ker nicht und wol­le sich kal­ten Bluts dicht an den Fes­tungs­gra­ben stel­len und der Be­sat­zung auf der Mau­er zu­trin­ken. Die Ka­me­ra­den schüt­tel­ten zwei­felnd den Kopf, an­de­re mein­ten, er sei viel­leicht fest oder tra­ge ir­gend­ein Amu­lett bei sich, das ihn schüt­ze. Er tra­ge al­ler­dings einen Ge­or­gen­ta­ler, sag­te Bla­si­us, aber er sei be­reit, den­sel­ben vor­her ab­zu­le­gen, wenn die Ka­me­ra­den nach glück­lich voll­brach­tem Wa­g­nis drei Ta­ler dar­auf­le­gen woll­ten. Nach­dem sie über die Wet­te ei­nig ge­wor­den wa­ren, er­griff er einen vol­len Krug, ging hur­ti­gen Schrit­tes bis zum Gra­ben und schwenk­te ihn ge­gen die Mau­er, wo­bei er her­aus­for­dern­de Wor­te rief. So­fort rühr­te es sich auf dem Wall, und ei­ni­ge Schüs­se fie­len, Bla­si­us je­doch dreh­te sich ge­schickt auf den Fer­sen um, bück­te sich, raff­te eine Ku­gel auf, warf sie in die Luft und ver­beug­te sich wie nach ei­nem ge­lun­ge­nen Kunst­stück ge­gen die Stadt; dann ging er wie­der dem La­ger zu, wo­bei er Be­dacht nahm, einen ge­mes­se­nen Schritt ein­zu­hal­ten. Der Zu­fall woll­te, dass Mans­feld da­zu­kam, als die Ka­me­ra­den den jun­gen Wa­ge­hals glück­wün­schend um­ring­ten; er lä­chel­te bei­fäl­lig und reich­te ihm ein paar Du­ka­ten, in­dem er hin­zu­füg­te, er habe ge­ra­de Geld aus Tu­rin er­hal­ten und sei nicht ge­wohnt, das schwe­re Me­tall lan­ge in der Ta­sche zu be­hal­ten.

      Bei den Ge­schüt­zen wur­de auf die­sen Glücks­fall hin ge­wür­felt und ge­zecht. Schon dreh­te sich die Am­pel der Ster­ne im Scho­ße der Nacht, als ein Zank un­ter den Spie­lern ent­stand, weil der Bla­si­us einen an­de­ren be­schul­dig­te, falsche Wür­fel un­ter­ge­mengt zu ha­ben. Die­ser ver­tei­dig­te sich durch die Ge­gen­be­schul­di­gung, Bla­si­us habe trotz des Ge­or­gen­ta­lers noch ir­gend­ei­nen Teu­fels­zau­ber bei sich ge­habt, und je­der von ih­nen hät­te auf die­se Wei­se den Mu­ti­gen spie­len und den Ge­winn da­von­tra­gen kön­nen. »Wenn ich einen Zau­ber hät­te«, rief Bla­si­us, »so brauch­tet ihr nicht nei­disch zu sein. Ihr könn­tet euch auch einen ver­schaf­fen, wenn ihr den Mut hät­tet.« Wie sie nun in ihn dran­gen, das Ge­heim­nis zu be­ken­nen, er sich wei­ger­te, sie ihn zwin­gen woll­ten, wur­de der Streit tol­ler, und die Rau­fen­den ka­men erst zur Be­sin­nung, als Bla­si­us er­sto­chen war.

      Ge­heul und Ge­schrei zog den Pro­fo­sen her­bei, der Mie­ne mach­te, Hand an die Schul­di­gen zu le­gen, aber ein­lenk­te, als ihm ein paar von Mans­felds Gold­stücken in die Hand ge­scho­ben wur­den. Er hat­te frü­her in ei­ner Tür­ken­schlacht ein Auge ver­lo­ren und pfleg­te über die lee­re Höh­le kreuz­wei­se zwei Strei­fen schwar­zer Sei­de zu kle­ben; aus dem üb­rig­ge­blie­be­nen Auge schoss er jetzt einen schnel­len Schlan­gen­blick auf den ärgs­ten Rau­fer, wie um ihm ein Merk­mal ein­zuät­zen, und be­schloss, ihn bei der nächs­ten Ge­le­gen­heit, die nicht aus­blei­ben wür­de, zu hän­gen. Ein gleich­falls her­bei­ge­hol­ter Pfar­rer bück­te sich über den ver­schei­den­den Bla­si­us und hör­te des­sen ge­flüs­ter­te Beich­te: es habe ihm kürz­lich eine Zi­geu­ne­rin ge­weis­sagt, er wer­de nicht vor dem Fein­de, son­dern bei ei­nem Zwist mit Freun­den fal­len, das habe ihn so kühn ge­macht; ver­bo­te­ne Küns­te habe er nicht ge­trie­ben, son­dern st­er­be als ein gu­ter Christ in Er­war­tung der himm­li­schen Se­lig­keit.

      Trotz mehr­mo­na­ti­ger Be­la­ge­rung war noch im­mer kei­ne Aus­sicht, Pil­sen zu neh­men. Die durch ihre Lage und vor­treff­li­che Be­fes­ti­gung oh­ne­hin für un­ein­nehm­bar gel­ten­de Stadt er­freu­te sich ei­nes tüch­ti­gen Kom­man­dan­ten, Fels von Dorn­heim, der ein gu­tes Ein­ver­ständ­nis zwi­schen Bür­ger­schaft und Be­sat­zung wahr­te, so­dass die Sol­da­ten sich ge­nü­gen­der Ver­pfle­gung er­freu­ten; das Be­la­ge­rungs­heer da­ge­gen be­gann all­mäh­lich Not zu lei­den und über Un­tä­tig­keit und aus­blei­ben­den Sold zu mur­ren. Die Di­rek­to­ren schick­ten noch im­mer kein Geld, son­dern er­mahn­ten Mans­feld von Zeit zu Zeit, sich ent­schei­den­der Ak­tio­nen, durch wel­che Pil­sen ei­ni­ger­ma­ßen in ex­tre­mis ver­setzt wür­de, zu ent­hal­ten, denn der Kai­ser möch­te eine ernst­li­che Ge­fähr­dung der ihm er­ge­be­nen Stadt als re­bel­lisch und un­re­spek­tier­lich emp­fin­den. Ein­mal er­hielt er so­gar Be­fehl, die Be­la­ge­rung auf­zu­he­ben, und zog wirk­lich ab, je­doch um zu­rück­zu­keh­ren, als bald her­nach ein Ge­gen­be­fehl ein­traf.

      Fels von Dorn­heim hat­te eine ein­zi­ge Toch­ter, die mit ei­nem Obers­ten ver­hei­ra­tet war und die er herz­lich lieb­te. Die­se kam ei­nes Ta­ges zu ihm und klag­te über ih­ren Mann, dass er sie, seit sie in Pil­sen wä­ren, ver­nach­läs­si­ge und übel be­hand­le, dass er ein Lie­bes­ver­hält­nis mit ei­ner von den Klos­ter­frau­en an­ge­knüpft habe, die vor den Mans­fel­di­schen in die Stadt ge­flüch­tet wä­ren und sich hier die Zeit mit welt­li­chen Hän­deln


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