Der Diwan. Mohammad Schemsed-Din Hafis Hafis
Читать онлайн книгу.moschusduftende Haar schöner Knaben aus Sina, und besonders aus der Stadt Thigil, die daher berühmt ist, verstanden. Kaaba, das hier mit Kleid übersetzt worden, ist ein persischer Kaftan, von vorne offen und unter dem linken Arme aufgebunden, oder vielmehr in dem Gürtel aufgeschlagen.
LXII.
Dir mein Herz zu eröffnen verlangt mich,
Und von deinem zu hören verlangt mich.
Zu verstecken das Mädchen der Liebe,
Nebenbuhlern und Neidern verlangt mich.
Eine heilige Nacht, wie die Nacht Kadr,1
Ganz mit dir zu verkosen, verlangt mich.
Wehe! ähnliche liebliche Perlen
In der Nacht zu durchbohren verlangt mich.2
Diesen Abend nur eile zu Hilfe,
Morgen wieder zu blühen verlangt mich.
Wie Hafis zum Verdrusse der Gegner,
Trunken Lieder zu singen, verlangt mich.
1Kadr, die heilige Nacht des Mondes Ramasan, in welcher das von Ewigkeit her geschriebene Wort Gottes, der Koran, vom Himmel zuerst zur Erde auf den Propheten niedersank.
2Im Persischen: solche zärtliche Klagen zu durchbohren, d.i. zärtliche Lieder zu dichten; die Verse sind Perlen, welche der Dichter durchbohrt, um sie an dem Faden des Gasels anzureihen. Dasselbe Bild brauchen persische Dichter auch vom höchsten Liebesgenusse; Verse und Mädchen sind Perlen, die gebohrt und gereiht werden zum Halsschmuck.
LXIII.
Morgenwind, o Hudhud! nach Saba will ich dich schicken;1
Siehe, woher und wohin wir dich schicken!
Schad’ ists, dass ein Vogel wie du in Wüsten des Grams lebt,
Lass dich ins Netz der Beständigkeit schicken.
Nichts ist nah und nichts ist ferne dem Pfade der Liebe,
Öffentlich will ich Wünsche dir schicken.
Morgens und abends werd’ ich Karawanen guter Gebete2
Kosend aus Osten und Westen dir schicken.
Du, so ferne dem Blick, und meinem Herzen so nahe,
Täglich will ich Gebete dir schicken.
Dass von dem Heere des Grams des Herzens Ruh’ nicht zerstört werd’,
Will ich die Seele als Herold dir schicken.
Dass von meiner Sehnsucht die Sänger Kunde dir geben,
Will ich die Lieder mit Tönen dir schicken.
Schenke, komm! es bracht’ ein heimlicher Bote dir Kunde
Duld’, ich will Arzneien dir schicken.
Unsre Gesellschaft, Hafis, ist mit deinem Lobe beschäftigt,
Pferd und Kleider will ich dir schicken.3
Schau in deinem Gesicht ein göttliches Wunder, ich werde
Einen Spiegel Gottes dir schicken.4
1Hudhud, der Wiedehopf, Salomons Briefträger an Balbis, die Königin von Saba. Hafis bedient sich statt desselben des Morgenwinds.
2Ich sende dir Karawanen guter Wünsche ist unter vielen andern eine der Wünschungsformeln, mit denen man freundschaftliche Schreiben beginnt.
3Pferd und Ehrenkleid, als die Insignien der Belehnung, oder auch bloß vorzügliche Ehrenzeichen, im ganzen Morgenland üblich.
4Unter dem Spiegel Gottes versteht der Dichter hier sein Herz. Ich will dir mein Herz schicken, damit du dich darin wie in einem Spiegel sehen könnest.
LXVII.
Immer bin ich betrunken
Vom Hauche deiner krausen Locken,
Immer bin ich verstöret
Vom Blicke deines Zauberauges.
Nach so vieler bestandner
Geduld, o Herr! kann ich nicht einstens
Auf der Brauen Altare
Verbrennen meines Auges Kerze!
Sorgsam halt’ ich in Ehren
Den schwarzen Apfel meines Auges,
Weil er gleichsam ein Abdruck
Vom schwarzen Mal ist, für die Seele.
Wenn du wünschest, auf einmal
Das ew’ge Leben uns zu zeigen,
O so sage dem Ostwind:
Dass er den Wangenschleier lüfte.
Wenn du wünschest, auf einmal
Die Welt entkörpert ganz zu schauen,
Lös’ die Locken, es hangen
An jedem Härchen tausend Seelen
Beide, ich und der Ostwind,
Sind ein Paar verwirrter Toren;
Ich vom Zauber des Auges,
Und er von dem Geruch des Haares.
Hoher Geist ward Hafisen!
Von dieser Welt, und von der andern
Springet nichts ihm ins Aug’ als
Der Staub der Schwelle deiner Türe.1
1Bewunderst du nicht Hafisens hohen und großmütigen Sinn, der sich von den Gütern dieser und jener Welt nichts als den Staub deiner Türschwelle verlangt?
LXIX.
Aller Ertrag der Werkstatt des Seins ist nichts.
Bringe mir Wein, die Güter der Welt sind nichts.
Seele wie Leib begehren Genuss und Lust,
Täten sie’s nicht, so wären sie beide nichts.
Glück ist nur das, was blutigen Schweiß nicht braucht,
Denn mit Bemüh’n sind himmlische Fluren nichts.
Forsche nicht nach dem Tuba des Schattens, halb
Schauest du recht, o Zeder! er sinkt ins Nichts.1
Wenn du verweilst fünf Tage, nur auf der Post,
Ruhe dich aus, denn dieser Termin ist nichts.
Schenke, ich harr’ am Rand des Verderbens, komm,2
Nütze die Zeit, von Lippen zum Mund ist nichts.
Denk nicht an Schimpf und sei wie die Rose froh,
Kräfte der Welt, sie gehen vorbei, sind nichts.
Klausner! o fürcht’ den heiligen Eifergeist,
Zwischen dem Weg der Schenk’ und der Zell’ ist nichts.
Dass ich verbrannt mit Klagen und Wehgeschrei,
Allen die Not bekenne, ist freilich nichts.
Löblichen Ruf zwar hat sich Hafis verdient,
Aber es nützet ihm bei Betrunk’nen nichts.
1Tuba, der Baum des Paradieses; wenn du, meine Zeder, mein Geliebter, demselben gerade ins Gesicht schauest, so versinket er aus Scham vor deinem Wuchse ins Nichts.
2So nahe, als es von den Lippen zum Munde ist,