Erst Zopf dann Kopf. Merlin T. Salzburg

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Erst Zopf dann Kopf - Merlin T. Salzburg


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auf sie zu, der sich durch die Menge drängte.

      »Ich habe gerade die Flughafenpolizei gerufen«, sagte der Mann. »Ich bin ein Arbeitskollege von Roland. Lars Petersen. Wir sind gemeinsam zurückgeflogen.«

      Elise schüttelte ihm schlaff die Hand.

      Tivaro musterte ihn kurz. »Haben sie den Überfall mitbekommen?«, wollte er gleich wissen.

      »Ja habe ich. Ich stand direkt neben deinem Vater und bin geflüchtet, als diese Männer kamen.« Besorgt blickte er auf seinen Kollegen. »Ich glaube, Roaland muss ins Krankenhaus.«

      Elise schluchzte. »Roland, du blutest ja so!«, rief sie ängstlich. Roland brummte etwas und blickte sie mit verdrehten Augen an. »Mir ist so schlecht«, stammelte er leise. Dann sackte er zusammen und kippte zur Seite.

      Es dauerte nur zwei Minuten, die ihnen aber wie zwei gefühlte Ewigkeiten vorkamen, bis sich endlich ein Rettungsteam am Tatort einfand. Ein Arzt ließ Roland sofort zum Abtransport fertig machen.

      »Wir bringen ihren Mann in die Uni-Klinik nach Frankfurt.«, erklärte er. Elise nahm es wortlos zur Kenntnis.

      »Ich bleibe natürlich hier, wenn ich als Zeuge gebraucht werde«, meinte Lars zu Elise. »Ich werde eine Zeitlang in der Gegend hier bleiben und habe ein Hotelzimmer in Bad Homburg gemietet. Hier ist meine Visitenkarte. Sie können mich jederzeit über Handy erreichen.«

      »Was haben diese Kerle bloß von meinem Mann gewollt? Warum ausgerechnet Roland?« Elise fuhr sich verzweifelt durch die Haare.

      Mehrere Uniformierte der Flughafenpolizei waren jetzt aufgetaucht. Über Sprechfunk hielten sie Kontakt zu ihren Kollegen und sicherten den Tatort mit Absperrband. In einer Blutlache lag der ungeöffnete Metallkoffer.

       Abgehoben

      An diesem frühen Nachmittag herrschte die denkbar trübste Geburtstagsstimmung, die man sich im Hause der Kirchners nur vorstellen kann. Solange Rolands Lage noch ungeklärt war, sollte die Geburtstagsfeier erst einmal verschoben werden. Elise hatte Sabrinas Freundinnen bereits auf das kommende Wochenende vertröstet. Nur Tivaro, Elise und Sabrina saßen stumm um den gedeckten Tisch herum. Es gab zwar Sabrinas Lieblingstorte und sogar Chips und Schokokekse. Aber heute schmeckte einfach alles fad. Es wurde kaum gesprochen, und Sabrina sah aus wie drei Tage Regenwetter. Sie war auch verärgert, dass ihre Lieblingsfreundin Saskia heute nicht kommen durfte, doch ihre Mutter hatte sich durchgesetzt.

      »Warum ausgerechnet Roland?«, entfuhr es Elise nach einer Weile.

      »Solche Überfälle passieren eben«, meinte Tivaro. »So etwas gibt es jeden Tag. Dad war eben diesmal ganz zufällig das Opfer.«

      »Wie redest du denn von deinem Vater? Ein zufälliges Opfer! Als wäre alles ganz normal! Mein Gott, wenn sie ihn operieren müssen.«

      So ganz zufällig erschien Tivaro der Überfall auf seinen Vater allerdings tatsächlich nicht. Dazu waren die Männer in ihrer auffälligen Kluft zu zielstrebig auf ihn zugegangen. Ja, warum ausgerechnet sein Vater? Aber Tivaro äußerte seinen Zweifel nicht. »Wenn man einem den Schädel öffnet, hat man im ganzen Gehirn keine Schmerzen. Man bekommt seine Operation voll bewusst mit«, sagte er stattdessen.

      »Ich muss gleich kotzen«, jammerte Sabrina.

      »Ich wollte doch nur trösten«, wehrte sich Tivaro.

      »Hast Du gar kein Herz? Wie kann man nur so kalt und gefühllos sein, Tivaro?«, entrüstete sich auch Elise.

      Tivaro fühlte sich weit davon entfernt, herzlos zu sein. Denn dass sein Vater heute vielleicht schwer verletzt worden war, hatte ihn doch sehr mitgenommen. »Mom, das ist eben männlich. Als Chef einer Detektiv-Gang muss man nun mal knallhart sein, wenn man es mit solchen Kerlen aufnehmen will. Da muss man den Tatsachen klar ins Auge sehen.«

      »Was soll das heißen: Eure Gang will es mit solchen Kerlen aufnehmen? Seid Ihr denn alle verrückt geworden? Ich will nicht auch noch meinen Sohn verlieren!« Elise war den Tränen nahe.

      »Können wir jetzt vielleicht von etwas anderem reden?«, schlug Tivaro vor. Auf einem weiteren Tisch im Wohnzimmer waren Geburtstagsgeschenke aufgebaut. »Willst du nicht langsam mal auspacken?«

      Aber Sabrina schüttelte den Kopf: »Erst mal wird noch etwas gespielt.«

      »Gespielt?«, wiederholte Tivaro und verzog spöttisch seinen Mundwinkel. »Ich habe jetzt echt keine Lust auf Topf-Schlagen oder so.« Eigentlich wollte er so schnell wie möglich in sein Zimmer hinauf und die Jungen von der Gang anrufen. Er hatte auf dem Heimweg nur seinem besten Freund Otto eine kurze SMS über den Überfall geschickt.

      Sie spielten schließlich schon eine ganze Weile Halma und Kniffel, als es gegen fünf an der Tür klingelte und das Spiel endlich mal stoppte.

      Sabrina öffnete. Es war Otto. »Hallo Otto!«, begrüßte sie ihn freudig mit einem Küsschen links und rechts. »Kommst du zu meinem Geburtstag?«

      »Oh, alles Gute natürlich!«, sagte Otto verlegen. »Aber eigentlich wollte ich zu Tivaro.«

      Tivaro und Elise standen nun auch an der Tür. »Cool, das du gekommen bist«, sagte Tivaro. »Kannst gleich mit rauf kommen. Dann können wir alles besprechen.«

      »Wir haben auch noch Torte da.«, bot Elise an und sagte zu Sabrina gewandt: »Wenn Otto sich schon selbst einlädt, dann kannst du meinetwegen auch Saskia anrufen und fragen, ob sie auch kommen möchte.«

      »Ach nö! Ich will lieber nur mit euch spielen«, entgegnete Sabrina und sah Otto verstohlen von der Seite an.

      »Otto kommt mit in mein Zimmer«, beharrte Tivaro.

      »Jetzt gibt es erst einmal Kaffee und Kuchen, und dann sehen wir weiter«, entschied Elise und führte Otto ins Wohnzimmer.

      »Ich weiß schon, was du gerne mit Otto spielen würdest«, flüsterte Tivaro leise zu seiner Schwester, die sofort sichtbar errötete. »Wer hat denn schon mit elf einen Freund?«

      »Ich bin zwölf!«, schrie Sabrina ihm ins Gesicht. »Und überhaupt bin ich auch in eurer Bande. Das steht nämlich in Ottos Protokoll, dass ich Mitglied bin.«

      »Ja, auf’m Papier!«, entgegnete Tivaro gedehnt. »Aber du bist kein Vollmitglied. Und wir sind auch keine Bande, sondern eine Gang.«

      »Gang wie Gangster. Ihr seid also Gangster, super Detektiv-Gangster!« Sabrina lachte gekünstelt.

      »Das verstehst du nicht. Eine Gang ist einfach cool, und o-vier ist eine Gang, weil bei uns eben was geht.«

      »Hört auf zu streiten und kommt wieder an den Tisch!«, kam es aus dem Wohnzimmer.

      »Keine Lust«, rief Tivaro zurück. Er ließ seine Schwester in der Diele stehen, lief die Treppe hinauf und schlug seine Zimmertür mit einem lauten Knall hinter sich zu.

      Erst einmal machte er es sich in seinem Sessel bequem. Neben ihm auf der Ablage lag die Fernbedienung. Tivaro schaltete den Fernseher ein und zappte sich von einer Kochsendung zur anderen. Heute kam natürlich wie immer überall Mist, und die guten Sportkanäle liefen nur im Wohnzimmer.

      Mit Otto war in der letzten Zeit überhaupt nichts richtig anzufangen. Seit er mit seiner Schwester Sabrina zusammen war, verhielt sich Otto manchmal einfach wie der letzte Volldepp. Richtig peinlich fand er das. So was wie Liebe würde ihm natürlich nie passieren. Mit albernen Mädels hatte er absolut nichts am Hut. Tivaro kümmerte sich lieber um die wichtigen Dinge. Und die heutigen Ereignisse am Frankfurter Flughafen waren natürlich wichtig. Das war das doch eindeutig ein neuer Fall für o-vier. Schließlich lag sein Vater jetzt im Krankenhaus, und die Schäger liefen noch immer frei herum. Nur Otto schien das wohl völlig kalt zu lassen. Tivaro ärgerte sich darüber, das sein Protokollführer und bester Freund gerade anscheinend nichts besseres zu tun hatte als mit Sabrinas Puppen zu spielen.

      Schließlich hielt es Tivaro nicht länger aus. Arbeit geht vor, dachte er. Er brannte darauf, endlich den anderen von dem Überfall erzählen.


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