Erst Zopf dann Kopf. Merlin T. Salzburg

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Erst Zopf dann Kopf - Merlin T. Salzburg


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Tivaro versuchte es mit Jojos Nummer, obwohl er wusste, dass der sein Handy für alles Mögliche, nur nicht zum Telefonieren benutzte. Jojo besaß zwar neuerdings ein iPhone, aber das diente ihm nur als Fernbedienung für seinen CD-Player.

      Zu seiner Überraschung war nur ein paar Sekunden später ein leises Knacken aus dem Handylautsprecher zu hören. »Hi, Tivaro«, meldete sich Jojo daraufhin am anderen Ende der Leitung. Seine Stimme war kaum zu hören, denn im Hintergrund hämmerten laute Techno-Beats.

      »Mach deine Mucke aus und hör zu. Es gibt Neuigkeiten«, begann Tivaro. »Wir treffen uns in einer halben Stunde im Hauptquartier.« Seine ganze Anspannung hatte sich mit einem Mal von ihm gelöst. »Otto ist auch hier, aber gerade noch mit meiner Sister beschäftigt, wenn du verstehst, was ich meine. Und bring unbedingt Nico mit! Ich kann ihn nicht erreichen.«

      »Was ist denn überhaupt los?«, wollte Jojo wissen.

      Doch Tivaro hatte bereits aufgelegt. Er verließ sein Zimmer wieder und lief schnell die Treppe hinunter. Im Wohnzimmer packte Sabrina noch Geschenke aus. »Oh wie cool ist das denn?«, quietschte sie vergnügt. »Das ganz neue FunnyFarm Game für meine PS.«

      Otto stand wie ein Honigkuchenpferd daneben und freute sich mit ihr. »Oh, sogar mit Ponyhof-Erweiterung«, sagte er und stopfte sich einen Brownie in den Mund.

      »Nur falls es dich interessiert. Wir haben gleich Lagebesprechung. Kommst du mit?«, fragte Tivaro.

      »Ach, fangt doch schon mal ohne mich an. Ich komme später vielleicht nach.«

      »Was?« Tivaro glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Mit einer derartigen Abfuhr hatte er jetzt nicht gerechnet. »Das nächste Mal kriegst du eine Abmahnung!«, schnaubte er nur und verließ wütend das Haus. Sabrina und Otto starrten ihm verdutzt nach.

      Was war Liebe doch für eine Zeitverschwendung!

      Mit dem Bike brauchte Tivaro nicht mal zehn Minuten bis zum Garten. Dass Otto einfach nicht mitkommen wollte, ließ sein Adrenalin ansteigen. Am Bügel bog er in einen schmalen Feldweg ein und raste dann in voller Fahrt bis zur U-Bahnbrücke herab, rauschte darunter hindurch und trat wieder in die Pedale, das es nur so staubte. Kurz danach hielt er vor einem großen Garten, der von dichten Koniferen umzäunt war. Er lehnte sein Trecking-Rad in den Zaun und schloss das Tor auf. Dann schob er sein Rad in den Garten und ließ die Eisengittertür hinter sich zufallen.

      Sobald man den Garten betrat, befand man sich fast wie in einer anderen Welt – ein idyllisches Stück Natur mit Gartenlaube und Grillplatz und einer ausreichend großen Wiese zum Fußballspielen. Ein alter Brunnen mit Wasserpumpe und ein kleiner Bretterverschlag zierten den Eingang. Die große Gartenhütte befand sich weiter hinten inmitten einer Gruppe schattiger Kiefern. Auch ein paar hohe Laubbäume gehörten zum Grundstück ganz am Ende des Gartens. Dort thronte das Hauptquartier von o-vier, ein mächtiges Baumhaus, das gut versteckt hoch oben zwischen den Ästen einer dicken Eiche und einer alten Erle verborgen lag.

      Hier im Hauptquartier hielten die Jungen von o-vier regelmäßig ihre Lagebesprechungen ab. Tivaro war der Chef, Otto der Schriftführer, Nico der Computer-Experte und Jojo war eigentlich für alles gut. Er war Halb-Chinese, und niemand wusste, ob er noch weiter wachsen würde. Er konnte zwar Karate, hatte aber Schiss vor Mücken.

      Im Hauptquartier wurden hauptsächlich Pläne geschmiedet und Fälle diskutiert. Wenn die Gang allerdings nach einem abgeschlossenen Fall richtig feiern wollte, dann war ihre erste Anlaufstelle die Pizzeria Da Angelo in Bonames, die ihrer Meinung nach die besten Pizzen und Pasta-Gerichte im Stadtteil servierte.

      Tivaro kletterte die Strickleiter hoch und stieg ins Hauptquartier. Seit der letzten Erweiterung hatten sie sogar Strom, und das Baumhaus hatte eine neue Etage erhalten. Nico hatte auch die Haustechnik noch einmal mächtig nachgerüstet. Neben Flutlichtlampen bestand er neuerdings auf versteckten Kameras hoch in den Bäumen des Gartens, über die man die Umgebung direkt über einen Laptop-Monitor im Baumhaus beobachten konnte. Sie hatten vor einigen Wochen nämlich zwei Bankräuber im Garten, und solchen Eindringlingen wollte Nico in Zukunft vorbeugen. Ihren Komfort konnte sich die Gang übrigens durchaus leisten: Immerhin erhielten die Detektive für die Aufklärung ihrer ersten beiden Fälle stattliche Belohnungen. Ja, Geldsorgen hatten die Jungen von o-vier wirklich nicht.

      Tivaro saß auf der Eckbank am Tisch und daddelte gedankenverloren an seinem Handy herum. Seit ihrem zweiten Fall waren Otto und Sabrina nun also ein Pärchen. Das konnte schon etwas nerven. Tivaro legte sein Smartphone wieder zur Seite.

      Gerade als er den Laptop mit dem Überwachungssystem startete, kamen vorm Garten zwei Fahrräder mit einem kaum zu überhörenden Bremsakt zum Stehen. Es waren Nico und Jojo. Die Jungen waren Nachbarn, und Jojo hatte Nico tatsächlich abgeholt. Sie schoben ihre Räder durch das Tor und stellten sie neben Tivaros Bike ab. Die Sonne brannte jetzt am frühen Abend immer noch ordentlich vom Himmel, und kaum ein Wölkchen war zu sehen. Ein heißer Wind blies durch die trockenen Felder, brachte aber keine Abkühlung.

      Jojo wischte sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn und rief in Richtung Baumhaus: »Hi, Tivaro, was geht?«

      Tivaro blickte aus einer versteckten Luke des Baumhauses und pfiff auf zwei Fingern in die Richtung seiner Freunde. Kurz darauf erklommen Jojo und Nico das Hauptquartier über die Strickleiter, setzten sich gleich zu Tivaro an den Tisch und begrüßten sich alle mit ihrem gewohnten Handschlag.

      »Gut, dass ihr da seid«, begann Tivaro. »Wir haben einen neuen Fall, Leute.«

      In kurzen Sätzen berichtete Tivaro von den Geschehnissen am Flughafen und fasste dann noch einmal zusammen: »Was wir bis jetzt haben oder besser gesagt nicht haben sind ein geklauter Rucksack und zwei Typen im Overall, die meinen Vater zusammengeschlagen haben. Und es gibt noch einen Zeugen, Lars Petersen, dessen Aufenthaltsort wir kennen.«

      »Den sollten wir uns vielleicht mal vorknöpfen«, schlug Jojo vor, »damit wir wissen, was er den Bullen gesagt hat.«

      »Klasse Idee!«, fand auch Tivaro. »Vielleicht fällt ihm auch noch mehr ein, irgendetwas, das uns weiterbringt. Lars Petersen ist übrigens im Steigenberger Hotel in Bad Homburg abgestiegen. Stand auf der Visitenkarte meiner Mum. Was meinst du Nico? «

      Nico hatte die ganze Zeit nur da gesessen und geschwiegen. Erst jetzt fiel Tivaro auf, das sein Gesicht irgendwie wie versteinert wirkte. Nico zog seine Augenbrauen hoch und sagte dann ernst: »Ich kann nicht mit zu diesem Lars Petersen.«

      »Wieso denn nicht?« fragte Tivaro.

      »Ihr habt ja gar keine Ahnung, was da heute wirklich abging.«

      Tivaro und Jojo waren sprachlos. »Was denn? Wo denn?«, stieß Jojo hervor.

      »Sorry, aber das kann ich euch jetzt echt nicht sagen. Nur soviel: Ich war heute auch am Flughafen. Ihr wisst doch, mein Praktikum.«

      Tivaro fiel es wieder ein. Nico machte gerade ein Ferienpraktikum bei der Frankfurter Polizei. Dort war sein Vater Kriminaloberkommissar beim Raubdezernat.

      »Stimmt ja, dein Praktikum. Aber was weißt du denn von dem Überfall?«, wollte Tivaro wissen.

      »Leute, ich sag’s euch, da ist eine megaheiße Sache am Laufen«, verkündete Nico geheimnisvoll. »Und ich bin noch bis Morgen am Flughafen eingesetzt. Danach kommt Wasserschutz, dann Autobahnpolizei, Grenzschutz, Demos. Fast jeden Tag ein neues Programm. Da erfährt man viel.«

      »Ja, was denn zum Beispiel? Wovon redest du überhaupt?« Tivaro wurde langsam ungeduldig.

      »Ich habe Informationen zu gewissen Vorgängen heute am Flughafen, über die ich nicht reden darf.« Nicos Stimme hatte eine Spur von Überheblichkeit.

      »Du besprichst also lieber alles mit der Polizei, und mit uns besprichst du plötzlich nichts?«, hakte Tivaro nach. »Du bist gerade mal zwei Tage im Bullenpraktikum. Mal nur so als Denkhilfe, Alter.«

      »Das wäre jedenfalls im Augenblick zu gefährlich. Vielleicht sag’ ich euch Morgen was.« Nico genoss es anscheinend, seine Macht über die Unwissenheit der anderen spielen zu lassen. »Glaubt mir, Leute.


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