Reisen unter Osmanen und Griechen. David Urquhart

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Reisen unter Osmanen und Griechen - David Urquhart


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hatten die Gewässer des Golfs nie einen fremden Kiel getragen, hatte sich in seiner ruhigen Flut kein anderes Wimpel gespiegelt als die blutrote Türkenflagge.

      Während der ersten sechs Jahre des Befreiungskrieges unterhielt die Überlegenheit der Griechen zur See die Verbindung zwischen dem griechischen Festland und der moreotischen Halbinsel. Während dieser langen Zeit blieb der Golf im Besitz der Türken. Dadurch wurden die Teile eines und desselben Landes, die gegenseitiger Unterstützung bedurften, von einander getrennt, und eine Folge davon war, dass der westliche Teil des griechischen Festlandes, wenn auch nicht völlig unterjocht, doch der Macht zu einem weiteren Widerstand beraubt wurde.

      Im Herbst 1827, als die letzten Sandkörner in Hellas’ Stundenglase dem Verrinnen nahe schienen, erfüllte die Nachricht vom Juli-Traktat9 alle mit frischen Hoffnungen und rief die Söhne Griechenlands zu erneuter Kraftanstrengung. Die Kunde verbreitete sich im Norden und erweckte Akarnanien aus seinem Todesschlaf; die Armatolis von Baltos und Xeromeros forderten die Rückkehr ihrer in Morea dienenden Brüder und riefen die Peloponnesier zum Beistand, um die Albanesen wieder zu verjagen und die frühere, notwendige Grenze des Markronoros10 wieder zu gewinnen.

      Doch der Versuch schien hoffnungslos. Alle Verbindungslinien mit dem griechischen Festland waren in Händen der Feinde. Albanesen hielten Markronoros und die Distrikte und Festungen in Akarnanien, Türken hatten Lepanto und die Schlösser am Golf besetzt, Ägypter hatten Patras inne und Türken beherrschten das Ionische Meer und Messolonghi11 war in ihrer Gewalt. Die Griechen waren in einiger Stärke in Argolis und im Osten des Peloponnes versammelt, aber, hätten auch die Türken sich ihnen nicht widersetzen können, sobald sie einmal im westlichen Griechenland angelangt wären, wie sollten sie dahin kommen? Hätten sie auch durch die Hochgebirge auf dem Festlande dringen können, so würden die Türken sie bei Rachova und bei Thermopylä festgehalten haben. Hätten sie versucht durch Morea zu gehen, so wären sie auf die Ägypter gestossen; die vereinigten muselmanischen Flotten, die an den Küsten bei Navarino, Patras und Messolonghi ankerten, machten der Idee eines Transportes zur See ein Ende, und zwischen den Hörnern dieses unauflöslichen Dilemmas flutete die Bucht von Lepanto im Besitz eines türkischen Geschwaders. Was nützte aber der Juli-Traktat, wenn nicht das Festland von Griechenland wieder erobert wurde?

      Aus den Dispositionen der beiden englischen Befehlshaber der griechischen Land- und Seemacht wurde bald klar, dass es auf ein Unternehmen abgesehen war, bei dem alle Hilfsmittel beider Truppenteile zusammenwirken sollten, und obgleich alle die dringende Notwendigkeit fühlten, das griechische Festland in Aufstand zu bringen, so fühlten sie doch auch nicht weniger empfindlich die Schwierigkeit oder gar die Unmöglichkeit, Truppen aus Argos nach Akarnanien zu schicken. Die griechische Flotte konnte wohl von einem Platz zum anderen kommen, aber weder dem Heer Zufuhr bringen, noch von demselben unterstützt werden. Dennoch war es klar, dass eine Landung im westlichen Griechenland beabsichtigt wurde.

      General Church12 hatte Korinth als Sammelplatz bezeichnet, aber diese unerklärbare Versammlung erregte wenig Hoffnung, und die Kapitäne der Palikaren bezeigten keinen großen Eifer, sich zur Fahne zu scharen. Die, welche dem General folgten, waren daran gewöhnt, das Recht freier Beratung und freien Willens unbeschränkt zu üben; sie hatten also kein Herz für eine Unternehmung, in der ihnen weder das eine, noch das andere frei stand, und fragten, ob der Oberbefehlshaber etwa beabsichtige, sie in Walnussschalen nach Akarnanien zu bringen. Endlich war indes eine beträchtliche Truppenmacht beisammen, die am 22. September 1827 auf dem großen Amphitheater zerstreut war, welches vom Gipfel der Akropolis in Korinth bis an die Meeresküste den Golf beherrschte - als man ein vollbesegeltes Schiff gerade vor dem Wind bemerkte, das auf die Landenge lossegelte. Türkische Kriegsschiffe näherten sich niemals der Küste, und welches andere Schiff konnte sich durch die Meerenge gewagt haben? Tausend Hoffnungen und Besorgnisse entstanden und verbreiteten sich in den ängstlichen Haufen; die wenigen Ferngläser, deren man im Lager und auf der Zitadelle habhaft werden konnte, wurden umsonst in Anspruch genommen; die schwellenden Topsegel zeigten keine Flagge. Nun aber wendete sich das Schiff nach Lutráki, einem Hafen in der nördlichsten Ecke des Isthmus, die große Flagge wurde aufgezogen und da entfaltete sich das Silberkreuz im himmelblauen Felde. Ein Jubelschrei des Willkommens erscholl von der harrenden Menge und jubelnd verkündete der Donner aller Geschütze von der Zitadelle, dass nach zweitausendjähriger Knechtschaft Griechenlands Sinnbild wieder erschienen sei in den Gewässern von Lepanto.

      Man erfuhr jetzt, dass Lord Cochrane13 ein Geschwader zusammengebracht und das Landheer ausserhalb der Meer enge erwartet hatte, um es nach Westgriechenland zu bringen. Ängstlich aber und doch vergebens blickte er aus nach den verabredeten Signalfeuern im Gebirge. Da beschloss er, die Durchfahrt zu erzwingen und die Truppen innerhalb des Golfes einzuschiffen. Als er aber diese seine Absicht den Kapitänen mitteilte, erklärten diese, einer solchen Gefahr würden sie ihre Schiffe nicht aussetzen, und der Admiral wurde also genötigt, seinen Plan aufzugeben. Das Geschwader ankerte bei Messolonghi, als der Admiral zwei mit Griechen bemannten, aber von Engländern befehligten Schiffen ein Zeichen gab. Augenblicklich lichteten sie die Anker und fuhren nach in den Golf. Diese Schiffe waren das Dampfschiff Perseverance (Beharrlichkeit) und die Brigg Sauveur (der Erlöser). Nur das letztere entkam den Batterien und segelte in den Meerbusen ein. Dies ist ein romantischer Vorfall im Lauf der Dinge, welche zu der Feststellung von Griechenlands Unabhängigkeit führten, und das mag mich entschuldigen, wenn ich in der Erzählung eines Ereignisses fortfahre, das unmittelbar die Seeschlacht von Navarino veranlasste.

      Unbedeutend beschädigt bei der Durchfahrt segelte die Brigg vorwärts und gelangte in eine tiefe Bucht bei Galaxidi an der nördlichen Küste des Golfes - Vóstizza gegenüber. Die Windungen des Golfs zeigten den Augen der Griechen ein türkisches Geschwader, das dicht zusammen gedrängt ebenso sorglos als unordentlich festlag; die Segel trockneten, die Mannschaft war am Land, und, wie sich erwies, nicht einmal Munition an Bord. Aber bald schwanden die Träume eines unblutigen Sieges; am Abend desselben Tages gelang es noch so eben dem Erlöser davon zu kommen, und so segelte er nach Korinth. Seine Flagge war die Veranlassung, dass Korinthos’ Felsen vom Geschütz und vom Jubelruf erdröhnten.

      Die Wirkung, die das Erscheinen dieses Schiffes im Meerbusen hervorbrachte, war einem Wunder gleich; der Talisman türkischer Oberherrschaft war gebrochen und die Fahrt nach Westgriechenland eröffnet. Nun umschwärmten die Palikaren den General Church und drängten ihn, sie vorwärts zu führen. Das Lager brach auf von Korinth, und der Erlöser, dem sich jetzt auch das Dampfschiff zugesellt hatte, segelte westlich.

      Es war beschlossen, beide Schiffe, das Dampfschiff und die Brigg, sollten das Geschwader bei Salona angreifen, vor dessen Bucht sie am Morgen des 28sten anlangten. Die Türken waren mit Verteidigungsmassnahmen emsig beschäftigt, sie landeten Kanonen, errichteten Küstenbatterien und zogen 1 500 bis 2 000 Mann von den umliegenden Posten zusammen.

      Während der Nacht schallten die Töne der Zurüstung am Bord des Dampfschiffes über die stille Flut des Meerbusens, und von Zeit zu Zeit belebten die Wachen beider Schiffe ihre Arbeiten durch gegenseitigen Zuruf. Der Morgen sollte einen tatenschwangeren Tag für Griechenland bringen; von seinem Ausgang hing die Herrschaft über den Meerbusen ab - und alle mit seinem Besitz verknüpften Vorteile. Vor allen Dingen aber musste er die hochländischen Häuptlinge bestimmen, die jetzt zwischen Türken und Griechen schwankten. Doch noch wichtigere und noch unerwartetere Folgen ruhten in der Zukunft.

      Der beabsichtigte Angriff war schwer, wenn nicht verzweifelt. Das Andenken an das letzte Misslingen diente eben nicht dazu, die Befürchtungen zu vermindern, welche das Missverhältnis der Zahl und die nachteilige Stellung einflößen mochten, und da die Türken nun einmal vorbereitet waren, so war es klar, dass nur zwischen Untergang oder Sieg die Wahl blieb.

      Lieblich brach der Morgen an über dem schönen, klassischen Schauplatz. Glänzend ging die Sonne auf, am Himmel dunkelte keine Wolke, auf dem Wasser spielte kein Luftzug. Endlich schoss aus dem Schornstein des Dampfschiffes eine Masse dichten Rauchs in die Höhe, gleich dem Ausbruch eines Vulkans. Den Türken war dies Dampfschiff das erste, welches sie jemals erblickten, ein Gegenstand der Verwunderung und des Grauens. Sie hielten es kaum für ein Werk von Menschenhänden, so seltsam erschienen ihnen Gestalt und Bewegung und die Wesen darauf, die direkt aus den höllischen Regionen zu kommen schienen, und so grässlich die Wirkung der Wurfgeschütze,


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