Gespräche. Konfuzius

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Gespräche - Konfuzius


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der guten alten Zeit im allgemeinen anschlossen, bei denen aber auch schon andere Linien in Erscheinung zu treten beginnen, die später durch Kung zum unveräußerlichen Bestand der chinesischen Geistesstruktur gemacht wurden, und zwar ist es vor allem die Familienidee, die in den Mittelpunkt gerückt wird. Die Familie findet ihre Ausgestaltung nicht in der Einzelfamilie, sondern in der mehrere Generationen umfassenden Gesamtfamilie, die bis auf den heutigen Tag in China besteht. Aus der Dschoudynastie scheint die Einrichtung zu stammen, die eine Heirat zwischen Gliedern derselben Sippe2 verbietet. Monogamie ist in der Weise durchgeführt, daß neben die eine legitime Hauptfrau deren Dienerinnen als Nebenfrauen treten können. Die Einrichtung eines fürstlichen Harems ging hier voran, obwohl sie eigentlich den monogamisch ausgelegten Verpflichtungen zwischen Mann und Frau widerspricht.

      Die Ausgestaltung dieser Familienidee in der Praxis führt zum Lehenswesen. Die Dschoudynastie macht das Reich zum Lehensstaat, dessen einzelne Lehen vorzugsweise an Familienglieder vergeben wurden; auch zeigt sich in der Art, wie der verewigte König Wen als Genosse des höchsten Gottes angerufen wird, ein Aufrücken des Ahnenkults neben die Gottesverehrung. Begräbnisbräuche, die bisher sehr zurückgetreten waren, wurden betont, und der Ahnenkult wurde für den Mann aus dem Volk, der als solcher nicht mehr die Berechtigung hat, mit seinem Opfer vor den höchsten Gott zu treten, die religiöse Betätigung schlechthin. Damit hängt zusammen die Aufstellung des Pietätsprinzips als des moralischen Grundverhältnisses, aus dem die anderen Beziehungen erst abgeleitet werden. Eine reiche Ausgestaltung aller Lebensformen nach bestimmten Regeln (Li) ordnete alle Handlungen und schuf den äußeren Ausdruck, ohne den die innere Gesinnung nach antiker Auffassung nicht bestehen kann.

      Dieses soziale System, gegründet auf die natürlichsten sozialen Triebe des Menschen, die Familiengefühle, ist ein wundervoll in sich abgeschlossenes Gebilde: der ganze Staat eine erweiterte Familie, die Fürsten oben und das Volk unten zusammengehalten von einem starken Gefühl der Zusammengehörigkeit. Das ganze Leben und alle Beziehungen zu Menschen und Göttern geregelt durch feste sittliche Normen, die zugleich der ästhetischen Ausgestaltung nicht entbehren. Eine hoch entwickelte Kunst, entsprechend der Zeitrichtung vorzugsweise Musik, die von psychologisch-systematischen Grundsätzen ausgehend eine harmonische Stimmung des Seelenlebens direkt erstrebte: das ist die Schöpfung der Dschoudynastie. Eine Lebensgestaltung, die gerade mit unserer modernen Zeit der Ausdruckskultur manche Verwandtschaft zeigt, nur daß, entsprechend den primitiveren Verhältnissen, alles einheitlicher, vollendeter in die Erscheinung trat. Eine solche höchste Blüte der Lebensgestaltung, soweit sie allein von den Herrschenden getragen wird, während das gewöhnliche Volk ohne individuelle Ausbildung passiv das Glück genießt, ist aber auf die Dauer nur aufrecht zu erhalten, solange ein hochbedeutender Genius an der Spitze steht. Gerade weil alles auf das freie Verhältnis persönlicher Autorität gestellt war, so mußte der ganze Bau ins Wanken geraten, sobald der Fürst keine Persönlichkeit mehr war, die durch ihr Wesen Autorität ganz von selbst erzeugte. Dieser Verfall blieb denn auch nicht aus. Allmählich lockerten sich die Bande des Feudalsystems; die einzelnen Territorialfürsten suchten sich so viel wie möglich von der Zentralgewalt selbständig zu machen. Schließlich führten die Könige der Dschoudynastie, auf ein verhältnismäßig kleines Stammland beschränkt, nur eine Art Schattendasein, während die Lehensfürsten untereinander mit Ränken und im offenen Krieg um die Hegemonie kämpften, die mit wechselndem Erfolg bald dem einen, bald dem andern zufiel. Dieselbe Erscheinung setzte sich nach unten fort. Während ein Fürst die königliche Autorität offen verachtete, war er oft nicht mehr Herr im eigenen Land, da die vornehmen Adelsgeschlechter, die in einflußreichen Ministerposten waren, die tatsächliche Macht an sich gerissen hatten, wobei es sogar vorkam, daß der eine oder andere Fürst, wenn er ihren Zorn sich zugezogen hatte, landesflüchtig werden mußte. Aber selbst diese Geschlechter genossen ihre Macht nicht ungestört. Es ist eine Reihe von Beispielen bekannt, wo deren Hausbeamte, gestützt auf eine feste Stadt in ihrer Jurisdiktion, sich ihren Brotherren erfolgreich widersetzten. Daß diese allgemeine Usurpation und Anarchie demoralisierend auf die gesamten öffentlichen Zustände einwirken mußte und infolge davon auch unter dem Volk alle sittlichen Bande sich lösten, versteht sich von selbst. Die Zustände waren zur Zeit von Kungs Geburt so zerfahren, daß der Versuch einer Besserung der Verhältnisse aussichtslos erschien. Die staatsmännischen Kreise beschränkten sich auf die Durchführung einer opportunen Realpolitik. Die Grundsätze von der Macht der Moral als Staatspolitik waren in Vergessenheit geraten, der Einfluß der einzelnen Staaten beruhte auf ihrer Militärmacht, die durch vermehrten Steuerdruck auf einen möglichst hohen Stand gebracht werden sollte. Alles in allem bekommt man von den letzten Zeiten der Dschoudynastie den Eindruck des tiefsten Verfalls. Es war eine Art Weltuntergang einer großen Kultur, der sich langsam, aber sicher vollzog. Eine tiefgreifende Fäulnis hatte alle Kreise durchsetzt, und die alten Grundsätze der Kultur waren in voller Auflösung begriffen. Wie es häufig in solchen Dekadenzzeiten zu sein pflegt, war ein gewißer Schimmer intellektueller Regsamkeit über das Ganze gebreitet. Frech und geistreich wurde an den Einrichtungen der Vergangenheit Kritik geübt. Neue Gesellschaftstheorien wurden erdacht, so namentlich die für Einfachheit und Natürlichkeit unter dem Namen Kommunismus in Europa bekannte des Mo Di. Auf der andern Seite machte sich eine frivole Preisgabe aller Ideale zugunsten des bloßen Auslebens der animalischen Natur geltend, wie sie mit dem Namen Yang Dschu verknüpft ist. Man muß die Schilderungen des Buches Liä Dsï lesen3, die ja an sich aus etwas späterer Zeit stammen, aber doch etwa die Zustände zeichnen, wie sie ihre Keime in der Zeit Kung Dsï’s hatten.

      Gegenüber dieser Not der Zeit hatten die geistig bedeutenden Männer, die die Traditionen des alten Taoismus fortführten, und unter denen Laotse der berühmteste ist, keinen Rat als den, sich aus der Wirrsal der Welt zurückzuziehen und sie ihrem Gang zu überlassen. Bei Laotse war der Grundgedanke der, daß durch das »Nichthandeln« der kranke Organismus der Gesellschaft wieder zur Ruhe und Genesung kommen werde, während andere ihm verwandte Geister schlechthin verzweifelten und unter Preisgabe der bösen Welt ihrer eigenen mystisch-magischen Vervollkommnung lebten. Vertreter solcher Richtungen treten uns besonders im XVIII. Buch der »Gespräche« entgegen. – Das waren die Verhältnisse, die Kung bei seinem Auftreten vorfand.

      Kung entstammt einer alten chinesischen Familie, die ihre Anfänge auf das königliche Geschlecht der Yindynastie zurückführte. Der späten Ehe eines alten Mannes mit einem blutjungen Mädchen entsprossen, hat er in frühester Jugend den Vater verloren. Er gehört aber nicht zu den Naturen, die durch äußere Familienverhältnisse wesentlich bestimmt werden. Schon in früher Kindheit regte sich in ihm ein mächtiger Zug zu den heiligen Bräuchen der Vorzeit. Sein liebstes Kinderspiel war es, mit kleinen Gefäßen die Opferriten nachzuahmen, – ein kleiner Zug, der manche Verwandtschaft mit den Jugendspielen anderer Geistesheroen hat; man denke nur an Goethes Puppenspiel! Dieser Zug zum Altertum blieb ihm sein ganzes Leben lang treu. Man kann wohl sagen, daß in ihm das chinesische Lebensideal der alten Zeit Person geworden ist. So finden wir ihn denn vom Erwachen des bewußten Lebens an damit beschäftigt, immer tiefer einzudringen in das Erbe der Vergangenheit. Mit fünfzehn Jahren, sagte er von sich, sei sein Ziel das Lernen gewesen, und im höchsten Alter seufzt er einmal: »Wenn mir noch ein paar Jahre vergönnt wären, um das Studium des heiligen Buches der Wandlungen zu vollenden, so wollte ich es wohl dahin bringen, von großen Fehlern frei zu sein.« Dieses gewißenhafte Eindringen in das Ideal des Altertums, dieses Lernen, ohne zu ermüden, dieser Fleiß im höchsten Sinne ist es, was sein Genie ausmacht. Selbstverständlich handelt es sich nicht um eine nur äußerliche Aneignung des Wissensstoffs, sondern mit allen Fasern seines Wesens ist er dabei. Es wird von ihm erzählt, daß, wenn er seinen Blick senkte beim Essen, er in der Schüssel das Bild Yaus sah; und wenn er den Blick erhob, so erblickte er Schun an der Wand. Er selbst klagt einmal: »Ich bin sehr weit heruntergekommen, denn schon seit langer Zeit habe ich den Fürsten von Dschou nicht mehr im Traum gesehen.« Diese innere Verwandtschaft mit den alten Idealen gab ihm denn auch die Möglichkeit, das gesamte Wissen seiner Zeit sich anzueignen. Was vor ihm getrennte Gebiete waren, von Spezialisten gepflegt und in der Stille schulmäßig überliefert, das vereinigte er in sich zu einem einheitlichen Ganzen. So konnte es nicht fehlen, daß der Ruf seiner Gelehrsamkeit sich bald ausbreitete und daß sich bald Schüler aus allen Kreisen um ihn sammelten, die er in freiem, persönlichem Verkehr einführte in die Weisheit des Altertums. Das war etwas absolut Neues im damaligen China. Es gab wohl königliche Schulen zur Heranbildung


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