Reisen ans Ende der Welt. Ibn Battuta

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Reisen ans Ende der Welt - Ibn Battuta


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nicht nur das Bemühen der Muslime, sich die geistigen Schätze der Völker des Mittelmeerraumes anzueignen, sondern macht auch verständlich, dass sie aus diesem Hunger nach Erkenntnissen heraus eine einsame Spitze der Wissenschaften erreichten und über Spanien, über die Kontakte in den Kreuzzügen und über das Sizilien Kaiser Friedrichs II. dem Abendland bis in die Neuzeit hinein entscheidende Impulse gaben. Noch im 14. Jahrhundert durfte in Paris die Lehre des Aristoteles nur nach dem arabischen Averroes-Kommentar interpretiert werden.

      Araber, Perser, Ägypter, Chorasmier, Armenier, Juden und konvertierte Christen wurden von dem politischen und geistigen Sturmlauf des Islam erfasst und verhalfen der neuen Religion zu einer weitgespannten Bildungswelt. Das Arabische wurde nicht nur die Sprache des Glaubens, sondern auch der Literatur und der Wissenschaft, und blieb es auch dann, als das persische Element die politische Vorherrschaft im islamischen Reich erlangt hatte, wie es unter den Abbasidenkalifen der Fall war. Selbst die späteren Eroberer aus Innerasien, mongolische und Turkstämme, konnten sich der arabisch-islamischen Geisteswelt und der Farbenpracht ihrer literarischen Werke nicht verschließen.

      Während sich auf mitteleuropäischem Boden das Merowingerreich erst aus den germanischen Stammestraditionen löste, hatten Technik, Kultur und Wissenschaften in den islamischen Ländern bereits eine Höhe erreicht, die erst Jahrhunderte später vom Abendland eingeholt werden konnte. So zieht sich durch die Geschichtsschreibung der karolingischen Zeit das fast ungläubige Staunen über die faszinierenden Geschenke, die Harun ar-Raschid dem Frankenkönig Karl gesandt hatte. Schon im achten Jahrhundert standen Uhren auf den öffentlichen Plätzen von Damaskus, der Hauptstadt des Omaijadenreiches, und nur hundert Jahre danach reisten arabische Wissenschaftler nach Paderborn und Magdeburg, um sich einen unmittelbaren Eindruck von den »Saqaliba«, den Sachsen, zu machen.

      Zwischen dem neunten und dem zwölften Jahrhundert entstanden die berühmten, in Mitteleuropa so gut wie unbekannt gebliebenen Reiseberichte der vielen arabisch-islamischen Geographen. Sie vermittelten ihrer damaligen Welt ein Bild der ihnen bekannten, der Masse ihrer Zeitgenossen aber kaum zugänglichen Länder, wie es bis nach Marco Polo nicht besser gezeichnet werden konnte. Ibn Kordadbeh, Masudi und Idrisi waren unter den ersten Reisenden und sollten auch gleich zu den bedeutendsten zählen. Ibn Fadlan, Biruni, Ibn Dschubair, Ibn Battuta und Abu Said lieferten, ausgeschmückt mit persönlichen Erlebnissen, nicht nur landes- und völkerkundliche Betrachtungen, sondern ganze geographische Wörterbücher und Verzeichnisse von Reiserouten, sogenannte Itinerarien. Dazu kamen jüdische Kaufleute in arabischen Diensten, wie Suleyman, der über China und Indien berichtete, Ibrahim Ibn Yaqub, der vornehmlich die entferntesten Gebiete Europas aufgesucht hatte, und Rabbi Benjamin von Tudela, der besonders die Verhältnisse des Vorderen Orients schilderte.

      Wenn die Namen dieser Männer aus dem islamischen Reich oft nur Historikern und Völkerkundlern geläufig sind, so mag dies vor allem darin begründet sein, dass es über sie noch immer kein zusammenfassendes Werk, sondern nur eine Vielzahl von Einzeldarstellungen gibt.

      Araber erschließen die Welt

      Die Längsachse durch die islamische Welt verlief vom Orient über die afrikanische Nordküste nach Spanien. Samarkand, Maschhad, Isfahan, Schiras, Bagdad, Damaskus, Kairo, Marrakesch und Cordoba sind nur die bekanntesten Städte des Mittelalters, in denen Künste und Wissenschaften immer wieder großartige Leistungen aufwiesen. Nach der Erkundung der orientalischen Heimat bot sich gerade Afrika zum ersten Erforschen an. Die Araber beschränkten sich jedoch nicht nur auf die Küstenregion und ihr unmittelbares Hinterland, sondern drangen bereits in den Kontinent ein. Schon 738, also knapp ein Jahrhundert nach Mohammeds Tod, schrieb Wahb Ibn Munabbeh ein Werk über die Bewohner des Westsudans und der Gegend rund um den Tschadsee. Ihm folgte der aus Bagdad stammende Abul-Hasan Ali Masudi, wohl einer der bedeutendsten unter jenen Geographen, deren Arbeiten nur auf persönlichen Erfahrungen und Anschauungen fußten. Schon ein halbes Jahrtausend, bevor das erste europäische Schiff Afrika umsegelte, hatte er einen klaren Begriff von Größe und Gestalt des Schwarzen Kontinents. Während man in Europa noch im 18. Jahrhundert einen Erdteil im südlichen Indischen Ozean vermutete, hatte bereits Masudi die Existenz eines solchen bestritten.

      Wissensdrang, Erkenntnisse und Genialität arabischer Geographen gipfelten jedoch in dem aus Ceuta stammenden arabischen Fürstensohn Al-Idrisi, der im Auftrag des Normannenkönigs Roger II. von Sizilien in fünfzehnjähriger Arbeit eine Erdkarte auf eine Silberplatte zeichnete, in die er alle Forschungen der Gelehrten seiner Zeit einmünden ließ. Da er jedoch sein universales Wissen auf dieser Platte nicht erschöpfen konnte, schuf er ein Atlaswerk von 73 Blättern, das er »Die Gärten der Bildung und der Trost der Seele« nannte, von der Wissenschaft sehr prosaisch als der »Kleine Idrisi« bezeichnet, nachdem es, arabischen Quellen zufolge, noch ein umfassenderes Werk gegeben hat, das verlorengegangen ist.

      Wie zuverlässig arabische Geographen die damals außerhalb des islamischen Machtbereichs völlig unbekannten Räume schilderten, mag der Bericht Al-Bekris über die alte Königsstadt von Ghana zeigen. Kurz vor Zweiten Weltkrieg begann man aufgrund seiner Darstellungen, in Kumbi Saleh, rund 300 Kilometer nördlich des Nigerhafens Bamako, archäologische Nachforschungen anzustellen. Als R. Thomassey im Jahr 1950 seine ersten Ausgrabungsberichte vorlegte, bestand kein Zweifel, dass jene von Al-Bekri beschriebene Hauptstadt des alten Ghana von ihm gefunden worden war. Auch die mit 15 000 angegebene Zahl der Einwohner musste anhand der Größenordnung der freigelegten Ruinen und deren Umfang stimmen. Zahlreiche moderne Staaten Westafrikas beziehen ihre ersten historischen Quellen aus den arabischen Berichten des Mittelalters.

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      Den Holzschiffen der Pharaonen sind die arabischen Dhaus nachgebildet. Wie im Mittelalter fahren sie auch heute noch – nur mit dem Monsun und ohne Navigationsmittel.

      Es wäre jedoch einseitig, wollte man den Angehörigen der im Islam vereinigten Völker, die in den Jahrhunderten nach der Ausbreitung dieser Religion auf Reisen gingen, nur wissenschaftliche Motive unterstellen. Auf den Dhaus, jenen arabischen Seglern, die man heute noch in den Küstengewässern rund um die Halbinsel antreffen kann, und mit den Karawanen zogen vornehmlich Kaufleute und Pilger von Land zu Land, diese auf dem Weg nach Mekka und Medina oder wieder heimwärts, jene als Händler, die begehrte Waren und Sklaven transportierten. Zu ihnen gesellten sich, wie zu allen Zeiten, zahlreiche Abenteurer, die aus Neugierde, Gewinnsucht, aber auch auf der Flucht vor einer Strafe fernen Regionen zustrebten. Es ist bekannt, dass auch bei den großen Entdeckungen des 15. und 16. Jahrhunderts unter den Beteiligten gerade diese letzte Kategorie sehr stark vertreten war.

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      Kleidung und Lebensweise der Mannschaft einer arabischen Dhau haben sich seit dem Mittelalter kaum verändert.

      Mancher Gelehrte, mancher Pilger, Kaufmann oder Reisende brachte es dabei auch zu großen Ehren, indem ihm ein Sultan oder Fürst wichtige, echt diplomatische Aufgaben übertrug. So waren Botschaften an andere Herrscher zu überbringen oder eine hochgestellte Persönlichkeit zu begleiten.

      Der Mann aus dem arabisch-islamischen Bereich, der seiner Nachwelt den wohl eindrucksvollsten Versuch einer Gesamtschau der Welt des Mittelalters überlieferte, war Ibn Battuta. Im Gegensatz zu jenem ersten literarischen Denkmal arabischer Reiselust, den etwa um 830 n. Chr. entstandenen, im 19. Jahrhundert überall berühmt gewordenen Erzählungen Sindbads des Seefahrers, bleibt Ibn Battuta auf dem Boden der von ihm erlebten Realität.

      Er war Pilger, Abenteurer, Diplomat, Richter, Gelehrter und Beobachter, je nach der Situation, die sich ihm stellte.

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      Besonders bedeutungsvoll ist für Ibn Battuta immer die Ausstattung einer Stadt mit Basaren. Seit Jahrhunderten hat sich das äußere Bild solcher Händlerstraßen in orientalischen Städten kaum geändert.

      Der »Marco Polo der Araber«

      Mit


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