Lustige Märchen. Marco Fogliani

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Lustige Märchen - Marco Fogliani


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Alfredo, ich will dir etwas zeigen“.

      Wir gingen dann in die Halle und ich leerte einen der Säcke auf unserer Arbeitsplatte. Der Rest des Raumes verschwand allmählich in der Dunkelheit. Nur das Licht der einzig leuchtenden, von der Decke hängenden, Glühbirne schien über uns und unseren mannigfaltigen Schatz.

      „Du bist nun bereits mit der Buchhaltung vertraut, kannst Ein- und Ausgänge verbuchen und bist in der Lage abzuschätzen, ob die Geschäfte gut oder schlecht laufen. Aber noch wichtiger ist es, den richtigen Wert jeder einzelnen Sache zu erkennen.“

      Er schien nicht besonders interessiert zu sein.

      „Denke zum Beispiel an die Gegenstände auf einem Dachboden. Für einen alten Mann, der das ganze Leben in diesem Haus verbracht hat, bedeutet jeder einzelne Gegenstand einen unschätzbaren Wert für seine Erinnerungen. Er würde diese sicher nicht verkaufen wollen, es sei denn, er wäre dazu gezwungen, das wäre für ihn als würde er das Gedächtnis verlieren. Aber sobald er das Zeitliche segnet und die Erben das Haus räumen müssen, um es neu zu streichen und zu verkaufen, sind die Sachen auf dem Dachboden nur störend und verlieren fast jeglichen Wert.“

      „Was ich damit sagen möchte ist, dass der Wert nicht zu sehr von der Sache selbst abhängt, sondern von dem Menschen, der sie in den Händen hält. Deshalb ist es wichtiger, die richtigen Personen zu finden, von denen man etwas kauft und denen man etwas weiterverkauft, anstatt nach den geeigneten Gegenständen zum Kauf und Verkauf zu suchen.“

      Ich weiß nicht, ob er etwas ratlos über meine Worte war oder ob er einfach nur mehr Erklärungen von mir erwartete.

      „Ich sage ja nicht, dass wir nicht zu einer Wertsteigerung der Ware beitragen sollen. Im Gegenteil, da können wir sehr viel tun. Manchmal genügt schon sehr wenig, schau her.“

      Ich durchsuchte ein wenig die Sachen, die auf dem Tisch lagen, um einen geeigneten Gegenstand zu finden, anhand dessen ich ihm erklären konnte was ich meinte. Ich fand ein kleines Kästchen aus glanzlosem Metall. Das war genau das Richtige.

      Ich nahm meine Putzutensilien zur Hand und polierte das Kästchen energisch ein paar Sekunden lang. Danach schien es nicht mehr das gleiche zu sein.

      „Siehst du, wie es mit wenig Aufwand viel edler und ansehnlicher geworden ist?“

      Ich wollte unser Gespräch eigentlich fortsetzen und ihm verdeutlichen, wie wichtig es sei, sowohl unseren Katalog stets auf dem neuesten Stand und gut dokumentiert (auch mit Hilfe eines guten Fotografen) zu halten, als auch und vor allem Alter, Stil, Material und andere Eigenschaften eines Gegenstandes oder Möbelstückes erkennen zu können. Zu meinem Bedauern hatte mein Sohn leider diesbezüglich nie besonderes Interesse gezeigt.

      Und dann hätte ich ihm gerne noch meine Ideen zu den Werbemaßnahmen nahegebracht (regelmäßige Öffnungszeiten, Organisation von (Wander-) Ausstellungen, Teilnahme an Messen und Ausstellungen, Erstellung von fachbezogenen Kurzfilmen, Aufbau einer Internetseite), um die besten Käufer aussuchen zu können. Aber nachdem es bereits spät war, hob ich mir dieses Thema für die Rückfahrt auf. Ich wollte ihm nur noch anhand eines letzten praktischen Beispiels zeigen, wie man mit Aufmerksamkeit und Erfahrung Entdeckungen machen kann, die von anderen unbemerkt bleiben.

      „Manchmal kannst du Dinge finden, an denen der Zahn der Zeit genagt hat, die schmutzig sind und nicht mehr gebraucht werden. Im Inneren sind sie allerdings wertvoll und weniger sachkundigen Augen entgangen. Zum Beispiel Silberteile.“

      Ich durchstöberte nochmals die Sachen auf dem Tisch und war mir sicher, etwas zu finden, was wertvoller war, als es schien.

      „Ich spüre, dass dieser alte Füllfederhalter zum Beispiel Teile aus Gold hat.“

      Ich nahm meine Putzutensilien zur Hand und begann ihn mit einem Tuch abzureiben. Aber als ich während des Polierens in die Nähe der Schreibfeder kam, hatte ich ein komisches Gefühl. Mir war so, als würde sich das Innere bewegen, wie ein elektrischer Motor, der vibriert. Verunsichert und auch etwas erschrocken ließ ich ihn fallen. Ich dachte daran, ihn auseinander zu nehmen und nachzusehen, was da drinnen ist. Wir Trödler stoßen manchmal auf so einige Dachboden-Bewohner. Es gibt sie in verschiedenen Arten und Größen und auch wenn ich noch nie einen gefunden hatte, der sich in einem Füllfederhalter eingenistet hatte, hielt ich das in diesem Moment für die wahrscheinlichste Erklärung.

      Kaum hatte ich den unteren Teil aufgeschraubt, kam tatsächlich ein weißlich schimmerndes Etwas zum Vorschein, so etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen. Es bewegte sich aufgeregt hin und her wie ein kleines Teufelchen. Ich war schon fast dabei, es mit dem nächstbesten Gegenstand zu erschlagen und ich hätte es auch instinktiv getan, wenn mich nicht eine ganz klare und deutliche Stimme davon abgehalten hätte.

      „Tinte, Tinte, ich brauche Tinte ...“, röchelte das Tierchen. „Ist das möglich, dass die Leute nicht mehr schreiben?“

      Dann starrte es mich an, fast noch erstaunter als ich, und mit einer gewissen Frechheit fragte es mich:

      „Warum starrst du mich so an? Hast du noch nie einen Geist in einem Federhalter gesehen? Beeil dich und bring mir Tinte, ansonsten hast du mich auf dem Gewissen!

      Fast verlegen erklärte ich ihm, dass jetzt niemand mehr Federhalter benutzte. „Ich fürchte, du musst dich - wenn du Glück hast - mit einem Kugelschreiber zufriedengeben. Oder vielleicht kannst du dich mit einer Schreibmaschine oder einem Notebook arrangieren!“

      „Schreibmaschine? Lieber sterbe ich. Und was ein Notebook ist weiß ich nicht. Hör zu, ich werde mich mit einem Kugelschreiber oder wie das heißt zufriedengeben. Ich weiß, das hat ein Freund von mir, auch ein kleiner Geist, gemacht. Aber beeil dich um Himmels Willen, wenn du nicht willst, dass meine letzten Worte als Sterbender dein Fluch sind.“

      Ich legte einen normalen 100-Lire-Kugelschreiber daneben, und dieses Tierchen kroch mit einer unglaublichen Flinkheit und Schnelligkeit hinein. Von da an hörte ich diese komische schrille Stimme nicht mehr. Aber sobald ich den Kugelschreiber etwas ängstlich zwischen die Finger nahm, fing dieser an, die Spitze zu bewegen und schrie „Danke” auf den Tisch. Als ich sah, dass er sich sachte zwischen meinen Fingern bewegte, ergriff ich ihn fester und hielt ihn über ein Blatt Papier, wo er zu schreiben begann.

      „Der alte Herr Gaspare war eine anständige Person, er war vom alten Schlag. Er schrieb jeden Abend einen Brief an die Tante oder die Mutter und manchmal auch etwas Fantasievolles oder Poetisches. Wir haben ihm gerne geholfen, es war ja unsere Pflicht. Wir wohnten zu zweit in diesem alten Federhalter und wir wechselten uns oft ab, weil Gaspare ganze Abende und auch Nächte am Schreibtisch verbrachte ohne jemals müde zu werden.

      Aber dann ist der Federhalter in dieser Kiste gelandet und wurde durch einen Kugelschreiber ersetzt, den ihm sein Enkel geschenkt hatte. Es war ein prächtiger Kugelschreiber, das bezweifle ich ja gar nicht. So prachtvoll, dass der andere Geist sofort dort eingezogen ist. Ich jedoch bin einer von der alten Sorte und wollte hierbleiben. Alleine hatte ich natürlich mehr Platz, aber ich habe mich über die vielen Jahre hinweg zu Tode gelangweilt. Ich kann es gar nicht erwarten wieder mit dem Schreiben anzufangen: Dichtungen, Gedichte - auch Witze, wenn Sie mögen.“ Er schrieb dies in einem so zarten Ton, als würde er sich fast schämen, etwas gesagt zu haben, was er nicht sagen durfte. Dann fuhr er fort.

      „Das ist Ihr Federhalter, oder? Ich hoffe, Sie schreiben auch gerne, wie Herr Gaspare.“

      Der Federhalter blieb stehen und ich verstand, dass er auf eine Antwort wartete. Ich bin ein alter Vater, wenn auch nicht ganz so alt, und so habe ich sofort an meinen Sohn gedacht.

      „Dieser Federhalter gehört meinem Sohn. Er ist noch Schüler, hat noch viel zu lernen und muss seine Tüchtigkeit erst noch unter Beweis stellen. Ich hoffe es gefällt dir, nochmal in die Schule zu gehen, falls du überhaupt schon mal dort warst.“

      Alfredo wollte mir etwas sagen, aber er brachte kein Wort heraus. Er unterbrach sein Bemühen, als sich der Federhalter wieder in Bewegung setzte. Wir lasen weiter, was nach und nach auf dem weißen Blatt Papier erschien.

      „Die Schule... wie schön! Jugendzeit, Abenteuer, Mut und Liebe.


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