Lustige Märchen. Marco Fogliani
Читать онлайн книгу.freut mich, dass dir das gefällt. Aber du musst uns versprechen, dass du niemandem von deiner Existenz erzählst, aus welchem Grund auch immer“.
Sein Schweigen und seine Regungslosigkeit verstand ich als Zeichen seiner Zustimmung.
Ich fand schnell ein passendes Etui aus der gleichen alten Zeit für ihn und Alfredo begann, ihn zu benutzen und hatte ihn immer dabei. Die Wirkung zeigte sich bald. Die Note in Geisteswissenschaften wurde um zwei Punkte besser, zur großen Zufriedenheit seiner Mutter, die ja von unserem Geheimnis nichts wusste. Aber dann, gegen Ende des zweiten Trimesters, war er schon wieder gefährlich an der Grenze zu einer ungenügenden Note. Als ich die Note in Italienisch sah, die noch eine der besten in seinem Zeugnis war, war ich außer Rand und Band (zum Erstaunen meiner Frau, da sie überzeugt war, dass ich mich auch schon an die schlechten Noten von Alfredo gewöhnt hatte). Ich fragte ihn, mit welchem Federhalter er die Aufsätze in Italienisch geschrieben habe und er versicherte mir, dass er alles immer und nur mit diesem Federhalter schrieb.
Ich ließ mir den Federhalter mitsamt Etui geben und schloss mich alleine in meinem Büro ein. Wahrscheinlich handelte es sich wieder um zu wenig Tinte. Er sollte doch nur für die Hausaufgaben in Italienisch verwendet werden, vielleicht auch nur für die Schulaufgaben. Stattdessen benützte ihn dieser Blödmann von meinem Sohn, um mir einen Gefallen zu tun, für alles Mögliche, auch für das Schreiben der Rechnungsbücher. Vielleicht sollten wir einen schöneren Kugelschreiber besorgen, dachte ich. Für jemanden, der in einem Füller gewohnt hat, kann ein billiger Kugelschreiber eine Beleidigung sein. Oder vielleicht hat ihn ein Freund von Alfredo vertauscht, aus Versehen oder mit Absicht, vielleicht weil Alfredo ihm sein Geheimnis verraten hatte.
Es war nichts zu machen, ich konnte keinen Kontakt mehr mit diesem „Ding“ herstellen. Meine Frau sagte zu mir an diesem Abend, dass ich den Verstand verloren hätte, mich in einem Zimmer einzusperren und mit einem Kugelschreiber zu sprechen. Aber ich fühlte mich hintergangen. Ich habe nicht nur vermieden, ihn wie einen Käfer zu zerdrücken. Ich habe ihm auch neues Lebenselixier und eine neue Bleibe gegeben, auch wenn diese nicht gerade die schönste war. Und dann hatte ich mich auf ihn verlassen, weil ich dachte, wenn ich in Rente bin, es ein bisschen wie der alte Herr Gaspare zu machen: ein Tag einen Brief an die Schwester; ein Tag einen an den Enkel, und vielleicht ein paar Gedichte.
Einige Zeit später fand ich zwischen meinen Unterlagen ein beschriebenes Blatt. Es war die Schrift von Alfredo, aber es war weder sein Stil noch seine Unterschrift: „Ihr kleiner genialer Kugelschreiber-Freund”. Er drückte seine Dankbarkeit dafür aus, was ich für ihn getan hatte. Er schwor, dass weder er noch - so viel er wusste - Alfredo irgendjemandem von unserem Geheimnis erzählt hatten. Aber dann fügte er hinzu, dass er die viele Untätigkeit satthatte, oder vielmehr die Tätigkeiten und Gedanken, die so weit von den Gedichten und den Gefühlen des alten Herrn Gaspare entfernt waren. Spielhallen, Rechnungsbücher, ohrenbetäubende Pseudo-Musik und Motorlärm. all das hat ihn zum Schatten seiner selbst werden lassen. Er musste auch ertragen, hinter dem Ohr getragen zu werden nach Art der Metzger und zum Reparieren eines alten, übel zugerichteten Kassettenrekorders verwendet zu werden.
„Es ist besser ich gehe, so lange ich noch ein Minimum an Gefühlen und Poesie verspüre. Seien Sie mir nicht böse. Eine Klassenkameradin von Alfredo ist verliebt und ich habe ihr schon geholfen, leidenschaftliche Botschaften zu schreiben. Wenn sie in Gedanken versunken ist, malt sie Blümchen und Berge mit Bäumen und Wäldern: Auch darin bin ich nicht schlecht, auch wenn das nicht mein Spezialgebiet ist. Ich denke ich werde zu ihr ziehen.“
Dieser Vorfall hatte mein Leben grundlegend verändert. So stark, dass meine Frau darauf bestand, zum Arzt zu gehen. Letztendlich überzeugten sie mich, dass es besser wäre, in Rente zu gehen, um nicht zu riskieren, einen Nervenzusammenbruch zu bekommen.
Seitdem ich in Rente bin, ist mein Beitrag zur Firma auf fast Null gesunken. Mein Sohn lässt nur zu, dass ich mich um die Instandhaltung und Reinigung kleiner Gegenstände, vor allem aus Metall, kümmere. Darin bin ich noch unschlagbar.
Ich hatte keine Ambitionen mehr, Alfredo das Handwerk und die Kunst eines Trödlers beizubringen, weil mein kleiner geistvoller Federhalter-Freund mir die Augen geöffnet und mich überzeugt hatte, dass mein Sohn nicht viel taugte. Aber dann änderte ich meine Meinung etwas, weil Alfredo sich erst verlobt und dann eine ehemalige Klassenkameradin geheiratet hatte. Sie war nicht sehr hübsch, aber sehr liebenswürdig. Sie war so ein Typ, der zum Zeitvertreib blühende Wiesen, bewachsene Berge und verschneite Hütten zeichnete. Sie war darin sehr gut, und nicht nur das. Alfredo erzählte mir, dass sie ihm anfangs wunderschöne Briefe, Botschaften und Liebesgedichte geschrieben hatte und so hatte sie ihn erobert. Naja, wenn Alfredo diese Dinge zu schätzen weiß, bedeutet das, dass er auch ein bisschen Gefühle und guten Geschmack zeigen kann. Daher hatte mein kleiner Geist nicht ganz recht.
Meiner Frau dagegen kann ich nicht Unrecht geben, wenn sie findet, dass ich immer erschöpfter wirke (vielleicht müsste sie sagen „verrückt“). Vor kurzem hatte sie mich schon wieder ertappt, als ich bei Alfredo zuhause alle seine Kugelschreiber auseinandernahm und mit mir selbst sprach (oder mit den Kugelschreibern, was für sie noch schlimmer ist).
DER FISCHER OSVALDO
Ich traf meinen Freund Osvaldo in der Bar.
„Und, Osvaldo, wie war dein Fischfang letztes Mal?“, fragte ich ihn. Wir hatten uns ungefähr zehn Tage zuvor am Hafen gesehen, als er gerade mit seinem kleinen Boot zum Fischen hinausfuhr, und ich hatte ihm viel Glück gewünscht.
„Gut, gut, danke. Anfangs hat lange nichts angebissen, so dass ich sogar glaubte, dich zu treffen hätte mir Unglück gebracht. Aber dann ...!“
„Dann?“
„Naja, ich war wie immer weit rausgefahren und hatte den Motor abgestellt. Dann hatte ich das eine Ende der Angelschnur an der kleinen Ankerwinde festgebunden und das andere Ende der Schnur hing im Meer. Sehr lange passierte nichts und ich wäre fast eingeschlafen. Also habe ich, so wie ich es immer in diesem Fall mache, meine Glöckchen an die Angelschnur gehängt, damit ich aufwache, sobald etwas anbeißt. Aber nach einiger Zeit merkte ich, dass das Boot sich bewegte, sei es durch den Wind oder den unregelmäßigen Wellengang, fast so als wäre es ein Segelboot. Aber du weißt ja, dass das Boot keine Segel hat.
Die Angelschnur war so stark gespannt, dass ich mich wunderte, wieso sie nicht abriss. Es war gerade diese Schnur, die das Boot ins Schaukeln brachte. Ich musste etwas sehr Großes gefangen haben. Ich dachte sogar, dass sich der Angelhaken in einem U-Boot verfangen hatte. Ich hätte wahrscheinlich nichts machen können, wenn ich nicht die Ankerwinde benützt hätte - nicht umsonst fische ich auf diese Art. Allerdings hatte ich große Mühe, meinen Fang an Bord zu ziehen und ich hatte Angst, dass jeden Moment die Schnur reißen könnte. Aber letztendlich erschien der Fisch aus dem Wasser, erst der Kopf dann der Rest: Es war ein Riesenfisch, mindestens so lang.“
Osvaldo musste aufstehen und zur Seite gehen, um mir mit ausgestreckten Armen die Länge seines Fanges zeigen zu können.
„Ach komm, übertreib nicht. Du bist sicher eingeschlafen und hast von dem Fisch geträumt“, sagte ich zu ihm.
„Nein, nein, ich versichere es dir. Aber das Erstaunliche war nicht so sehr die Größe des Fisches, sondern, dass ich auf einmal eine Stimme hörte. Aber ich war ja alleine mitten auf dem Meer.“
„Ich bitte dich, nimm mir dieses Ding aus dem Mund und werfe mich lebend zurück ins Wasser. Du wirst sehen, ich werde dich dafür reich belohnen."
„Du kannst dir ja vorstellen, wie sprachlos ich war... ein sprechender Fisch. So etwas war mir nie zuvor passiert!“
„Mir ist so etwas auch noch nie passiert“, wandte ich ungläubig ein.
Und als ich ihn überrascht fragte:
"Was, du kannst sprechen?", antwortete er mir:
„Ja natürlich, und ich spreche fließend fünf eurer Sprachen. Aber jetzt bitte ich dich, wirf mich zurück ins Wasser.“
Beim Anblick dieses verzweifelnd zappelnden Fisches bekam ich fast Mitleid, aber trotzdem zögerte