Fürstenkrone 11 – Adelsroman. Viola Larsen

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Fürstenkrone 11 – Adelsroman - Viola Larsen


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bis morgen«, sagte er herzlich und winkte ihr nach.

      Ich bin schamlos und gemein, dachte Baronesse Elga, aber nun hatte sie mit dem Schwindeln angefangen und muss­te es durchhalten.

      In Erlau angekommen, rief sie sofort ihren Vater an, weil sie ihr Erlebnis nicht für sich behalten konnte.

      Der Baron war schockiert über die Komödie, die seine Tochter dem Grafen vorgespielt hatte, und riet ihr, sofort diese Lügen aufzudecken.

      »Dann sehe ich ihn nie wieder«, erklärte Elga voller Angst und Trotz. Sie war dem Weinen nahe, und immer wenn der Baron seine Tochter traurig wusste, lenkte er ein.

      »Also meinetwegen, aber du bist dafür verantwortlich. Was auch daraus entsteht, du musst es durchkämpfen. Ich kann dir da nicht beistehen, Kind.«

      »Das sollst du auch nicht. Ich will nur, dass du weißt, was ich tue. Du, er ist einfach hinreißend. Denke dir, er hat mein Rad eigenhändig repariert.«

      »Eingebildet scheint er tatsächlich gar nicht zu sein. Das spricht für ihn. Trotzdem warne ich dich und rate dir zur Vorsicht! Eines Tages wird er erfahren, wer du bist.«

      »Das werde ich ihm selber sagen, Papa. Aber erst muss er wissen, dass ich kein Luxusgeschöpf bin.«

      »In Gottes Namen tu, was du willst«, seufzte der Baron abgrundtief.

      Nach dem Gespräch informierte sie Herrn Wehnert und seine Frau, dass sie sich bei einem jungen Mann als ihre Verwandte ausgegeben habe und dass sie das bestätigen sollten, falls dieser junge Herr einmal hier in Erlau nach ihr fragen sollte.

      Auf die verblüfften Gesichter hin sagte sie: »Das ist alles ein Scherz, der von mir später aufgedeckt wird. Mein Vater weiß übrigens Bescheid, damit Sie nicht denken, es sei ein böser Streich von mir.«

      Trotzdem waren die Wehnerts wieder einmal konsterniert, was der jungen Baronesse so alles einfiel.

      *

      Als Baronesse Elga am nächsten Tag zur gleichen Zeit ihr Rad aus dem großen Torbogen schob und die steinerne Brücke erreichte, sah sie den Wagen des Grafen schon auf dem Fahrweg stehen. Er selber stand auf der Brücke, an die steinerne Brüstung gelehnt, und starrte wie versunken auf das Schloss, das in imposanter Größe vor ihm aufragte.

      »Hallo!«, rief Baronesse Elga leise, denn er schien sie nicht bemerkt zu haben.

      Er schrak zusammen und kam rasch auf sie zu.

      »Haben Sie geträumt?«, fragte sie, als er ihr die Hand reichte.

      »Vielleicht«, gab er gedehnt zur Antwort. Dann lächelte er sofort, und in seinen Augen stand deutlich die Freude, sie wiederzusehen. »Lassen Sie Ihr Rad zu Hause«, sagte er, »wir fahren ein wenig durch die Gegend. Einverstanden? Darum habe ich Sie auch hier abgeholt.«

      »Gut«, meinte sie. »Kommen Sie doch mit in den Schlosshof. Er ist sehr schön.«

      »Ja, ja, ich weiß«, entfuhr es ihm, »ich möchte es nicht.«

      »Aber warum denn nicht? Der Besitzer ist doch gar nicht da. Woher kennen Sie den Schlosshof?«

      Er gab auf die letzte Frage keine Antwort.

      »Na gut«, bemerkte er und folgte ihr über den letzten Rest der Brücke durch den großen Torbogen.

      Sie wollte ihm Verschiedenes erklären, aber als sie sein Gesicht sah, schwieg sie, heißes Mitleid überkam sie.

      Im Schlosshof war niemand zu sehen. Das wusste die Baronesse. Sie lehnte ihr Rad an die Wand.

      Graf Tihany stand wie angewurzelt da, sah an den Innenwänden empor und stellte fest, dass sie neu verputzt waren und viel freundlicher wirkten als früher. Dann glitt sein Blick über den großen Schlosshof, der in seiner altertümlichen Form belassen, aber mit Blumenkübeln und schmiedeeisernen Verzierungen verschönt worden war.

      Graf Tihany musste sich eingestehen, dass der neue Besitzer Geschmack besaß und wohl allerlei Geld an die Verschönerung des Gebäudes verschwendet hatte. Ihm selbst hätte der Betrag dazu gefehlt.

      Trotz dieses Eingeständnisses wollte die Bitterkeit über den Verlust des alten Schlosses nicht weichen. Darum drehte er sich unvermittelt um und ging rasch wieder hinaus, sodass ihm die Baro­nesse kaum folgen konnte.

      Sie fragte ihn nichts, sondern ging stumm neben ihm her zu seinem Wagen. Sie hatte ihr einfachstes Kleid angezogen und ein buntes Tuch um den Kopf gebunden.

      Er öffnete ihr die Wagentür und stieg ein. Ohne ein Wort zu sagen, fuhr er an. Eine ganze Weile fuhren sie schweigend durch den Wald, der so dicht war, dass die Sonnenstrahlen nur vereinzelt durch das Astwerk fielen.

      »Entschuldigen Sie«, bemerkte er da plötzlich, »ich komme Ihnen gewiss sonderbar vor. Darf ich Ihnen sagen, dass ich sehr glücklich bin, Sie zu sehen?«

      Sie lächelte ihn an, erwiderte jedoch nichts.

      »Sind Sie gut nach Hause gekommen?«, fragte er, und sie nickte.

      Als der Wald endete und freie Wiesen und Felder vor ihnen lagen, die sich sanft wellten, hielt er an, und sie stiegen aus.

      Am Waldrand lag ein gefällter Eichenstamm, auf dem sie Platz nahmen. Versunken sahen sie eine Weile über das Land hinweg, das von der Sonne beschienen dalag.

      »Seit gestern sieht die ganze Welt für mich anders aus«, murmelte er.

      »Schöner?«, fragte sie und sah ihn an.

      »Ja, schöner.« Er wandte sich ihr zu. »Ich glaube, das habe ich Ihnen zu verdanken.«

      »Waren Sie so traurig?«, fragte sie leise.

      Er seufzte ein wenig auf.

      »Traurig, ja, das auch. Ich war mutlos und fühlte mich von Gott und der Welt verlassen. Jetzt halten Sie mich sicher für einen Träumer.«

      »Nein, das tue ich nicht. Jeder Mensch hat einmal solche Stimmungen. So ging es mir, als meine Mutter vor einem Jahr starb. Da glaubte ich, ich könnte nie mehr froh werden.«

      Er sah sie voller Mitgefühl an.

      »Aber Ihren Vater haben Sie noch?«

      »Ja, meinen Vater und meinen Bruder Gott sei Dank.«

      »Und dieser Schlossverwalter in Erlau ist Ihr Onkel?«, wollte er wissen.

      »Ach, die Verwandtschaft ist etwas weitläufiger, aber ich war sehr glücklich, von ihm eingeladen zu werden. Das Schloss ist herrlich. Herr Wehnert, also mein Verwandter, ist von Baron Waldstein engagiert worden. Seit einem Jahr besitzt der Baron das Schloss.«

      »Hat man Ihnen etwas vom früheren Eigentümer berichtet? So nebenher?«

      »Ja, es soll dem Grafen Tihany gehört haben, der offenbar in Geldschwierigkeiten geraten war. Das müssen Sie ja wissen, wenn Sie auf Tihany arbeiten, nicht wahr? Der alte Graf soll vor Kur­zem gestorben sein.«

      Er hatte ganz zart den Arm um sie gelegt, und da er nicht antwortete, sagte sie auch nichts mehr.

      Sie duldete diese Berührung, ja, sie sehnte sich danach, in seinen Armen zu liegen und alles um sich herum zu vergessen.

      Sie spürte eine süße Willenlosigkeit in sich aufsteigen und lehnte, ohne sich dessen bewusst zu werden, den Kopf an seine Schulter.

      Der Druck seines Armes wurde stärker, und sein Gesicht neigte sich dem ihren zu.

      »Wie heißen Sie?«, fragte er kaum hörbar.

      Sie zögerte eine Sekunde. Dann nannte sie ihren Vornamen und wartete mit wild pochendem Herzen seine Reaktion ab. Aber er blieb ganz unbefangen.

      »Elga«, wiederholte er, »wie schön. Der Name passt zu Ihnen.«

      Ihre Augen tauchten ineinander, und plötzlich fühlte Elga seine Lippen auf ihrem zitternden Mund. Seine Arme umschlangen sie, und sie spürte dicht an seiner Brust das Pochen seines Herzens.


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