Fürstenkrone 11 – Adelsroman. Viola Larsen

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Fürstenkrone 11 – Adelsroman - Viola Larsen


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küsste sie noch einmal und ließ sie gehen. Die Tür zum Arbeitszimmer ließ er weit offen, um zu fühlen, dass Elga ihm nahe war.

      Sie begann die Blumen neu zu ordnen und hatte sich ein Staubtuch gegriffen, denn sie kannte sich inzwischen ja überall aus. Die einzigen Geräusche kamen unten aus den Wirtschaftsräumen, in denen Frau Braun tätig war.

      Elga war unkonzentriert. Sie fühlte, dass die Angst nicht von ihr wich. Ihr Vater würde ihr schwere Vorwürfe machen, und das war auch berechtigt.

      Es war unmöglich, Sandor während des Gartenfestes vor allen Gästen zu kompromittieren. Er musste die Wahrheit vorher erfahren, wenn sie ihn nicht in tödliche Verlegenheit bringen wollte. Es blieben ihr nur noch ein paar Tage.

      Mein Gott, dachte sie, wie sage ich es ihm?

      Da draußen im Park die Rasenmäher in Betrieb waren, hatte Elga das Nahen eines Wagens überhört. Und in dem gleichen Augenblick, in dem Graf Sandor sein Arbeitszimmer verließ, um Elga zu bitten, ihm bei den schriftlichen Arbeiten zu helfen, betrat Gräfin Coletta Tihany die Halle.

      Einen Moment stand sie wie angewurzelt und starrte Elga wie eine Geis­tererscheinung an. Dann stürzte sie auf die völlig verdatterte Elga zu und rief: »Baronesse! Nein, welch eine große Überraschung, Sie hier zu sehen! Ich wusste ja überhaupt nicht, dass Sie meinen Stiefsohn bereits kennen. Wie konnte er mir das verheimlichen!«

      Elga wollte ihr ein Zeichen machen, dass sie schweigen sollte, aber es war bereits zu spät.

      Auf der oberen Treppenstufe war Graf Sandor aufgetaucht. Er hatte die Worte seiner Stiefmutter gehört und blieb erstarrt stehen. Als sie ihn sah, eilte sie zur Treppe.

      »Sandor, ich finde es nicht nett von dir, dass du mir verschwiegen hast, Baronesse Waldstein zu kennen. Und zwar offenbar so gut, dass sie in Tihany schon wie zu Hause ist.«

      Sie drohte beiden scherzhaft mit dem Finger und bemerkte dann erst, dass beide aschfahl geworden waren und sich nur mühsam aus ihrer Erstarrung lösten.

      »Baronesse Waldstein«, murmelte da Sandor tonlos und kam langsam die Stufen herunter.

      Elga eilte schreckensbleich auf ihn zu.

      »Sandor«, brach es aus ihr hervor, aber er schnitt ihr mit einer herrischen Geste das Wort ab.

      »Ist das wahr?«, fragte er.

      »Bitte, lass dir alles erklären!«, bat sie flehend.

      »Ich will wissen, ob das wahr ist!«, schrie er unbeherrscht.

      Elga senkte den Kopf und schwieg.

      »Natürlich ist sie die Baronesse Waldstein«, bemerkte die Gräfin kopfschüttelnd, »wie kannst du daran zweifeln! Hast du das etwa nicht gewusst?«

      »Nein, ich habe es nicht gewusst«, sagte er heiser, »aber jetzt weiß ich alles. Jetzt ist mir klar, dass diese gemeine Komödie von dir eingefädelt und gemeinsam mit ihr ausgeführt wurde.«

      »Deine Stiefmutter hat nichts damit zu tun«, rief Elga aufgelöst. »Hör mir doch zu, Sandor! Bitte!«

      Sie wollte auf ihn zustürzen, aber er ging mit steifen Schritten und ohne sie eines Blickes zu würdigen zum Portal.

      »Ich glaube einer Frau wie Ihnen kein Wort mehr, Baronesse. Ich bitte Sie, unverzüglich mein Haus zu verlassen! Mehr habe ich Ihnen nicht mehr zu sagen.«

      »Sandor, bist du verrückt!«, schrie die Gräfin, »du kannst doch eine Baronesse Waldstein nicht hinauswerfen wie eine Diebin!«

      »Bemühen Sie sich nicht, Gräfin«, erwiderte Elga jetzt mit ernster Würde, »ich gehe von selbst.«

      Sie schritt an Sandor vorbei, voller Anmut und Hoheit. Und er blickte mit zusammengebissenen Zähnen an ihr vorbei.

      »Baronesse«, rief die Gräfin aufgebracht, »warten Sie! Ich fahre Sie nach Erlau! Ich wollte ohnehin dort einen Besuch machen.« Sie eilte hinter Elga her. An der Tür blieb sie stehen und sah Sandor kurz an. »Du bist wahnsinnig«, zischte sie, »das wäre die Partie deines Lebens!« Heftig atmend ging sie hi­naus.

      Wie in einem Traum hörte er das Abfahren des Wagens. Dann war wieder alles still, und nur das ferne Surren der Rasenmäher drang dumpf bis in die Halle.

      Es dauerte eine Ewigkeit, bis Graf Sandor bewusst wurde, was geschehen war, dass sich sein ganzes Leben mit einem Schlag verändert hatte, dass er aus dem rosaroten Himmel des Glückes in schwärzeste Finsternis gestürzt war.

      Er bedeckte mit beiden Händen seine Augen. Das konnte nicht wahr sein! Elga, seine geliebte Elga, ohne die er nicht mehr leben konnte, sollte die reiche Baronesse Waldstein, die Luxusdame im weißen Straßenkreuzer sein? Unvorstellbar!

      Er stöhnte auf. Was ihm unfassbar schien, musste er als Tatsache hinnehmen. Elga hatte ein böses Spiel mit ihm getrieben. Wahrscheinlich steckte seine Stiefmutter dahinter, auch wenn diese es leugnete und Elga sich zu deren Verteidigung aufgeschwungen hatte. Er glaubte das ganze Spiel zu durchschauen. Man wollte ihn durch den Kredit an die Baronesse Waldstein binden.

      Wusste etwa auch der Baron von allem? Hatte er ihm daher so bereitwillig Geld geliehen? War es ein Komplott von allen dreien?

      Warum ihn seine Stiefmutter so reich verheiraten wollte, wurde ihm mit einem Schlag klar. Sie hoffte ihn dadurch für immer mundtot zu machen, falls er die Wertsachen aus dem mütterlichen Besitz zurückforderte. Wahrscheinlich hatte sie deshalb der Baronesse Schützenhilfe geleistet.

      Man wollte ihn von allen Seiten einfangen. Die Baronesse wollte gern Gräfin werden und damit auch den weiteren Besitz der Tihanys in ihre Hände bekommen. Sie rechneten alle damit, dass er nie imstande sein würde, diesen Riesenkredit zurückzuzahlen. Durfte er dieses Geld jetzt überhaupt noch behalten?

      Alles in ihm bäumte sich dagegen auf, dass er den Waldsteins auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. In seinem Herzen war nur noch Platz für seinen gekränkten Stolz und seine Rachegefühle. Alles andere drängte er mit Macht zurück.

      Er durfte nicht mehr an die Stunden, an die Tage und Wochen mit Elga denken. Sie musste für ihn gestorben sein. Es war ein Traum gewesen, ein süßer Traum, der nie mehr wiederkehren würde.

      Er stürzte wieder nach oben und wollte weiterarbeiten. Aber die Buchstaben tanzten vor seinen Augen. Er sprang wieder auf und ging ans Fenster. Verloren starrte er in den Park. Die Erinnerung an die Spaziergänge mit Elga überfiel ihn, und er knallte das Fenster wieder zu.

      Mit keinem Menschen konnte er über das sprechen, was ihn in tiefster Seele bewegte und quälte. Er war wiederholt versucht, den Baron anzurufen, ihm zu sagen, dass er selbstverständlich nicht käme, und dass er das Geld, soweit es noch nicht investiert war, umgehend zurückgeben werde. Aber dann konnte er sich doch nicht dazu aufraffen.

      Wenn er jetzt den Kredit zurückgab, stand er wieder vor der gleichen verzweifelten Situation wie am Anfang. Und jetzt alles hinwerfen? Alles? Womöglich auch Tihany aufgeben müssen für immer? An diesem Verlust würde er zugrunde gehen, das wusste er. Dann musste er also auch den Kredit behalten.

      Er presste die Hände gegen die hämmernden Schläfen. Hatte er jetzt aber noch die Kraft und die Energie, seinen Besitz wieder hochzubringen? Jetzt, wo er sich verraten und schmählich betrogen fühlte?

      Er verrannte sich immer mehr in die Idee, dass Elga alles mit seiner Stiefmutter ausgedacht hätte. Wer von beiden die treibende Kraft gewesen war, wusste er nicht. Aber das war ja auch gleichgültig. Sie sollten sich beide nun gründlich irren, wenn sie glaubten, ihn auf derart raffinierte Weise einfangen zu können.

      Ich muss jetzt etwas anderes sehen und hören, dachte er, sonst werde ich verrückt. Lindemanns fielen ihm ein. Es gab sowieso eine Menge mit dem Verwalter zu besprechen. Vielleicht fand er bei diesen einfachen, natürlichen Menschen seinen Seelenfrieden wieder.

      Im Gutshaus wurde er mit überströmender Herzlichkeit empfangen. Man merkte ihm zwar nach einer Weile an, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte, aber man wagte nicht, ihn zu fragen. Und er selbst


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