Sophienlust Box 17 – Familienroman. Patricia Vandenberg

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Sophienlust Box 17 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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Ärzte sind mir alle wohl bekannt. Ich werde zusehen, was ich für Sie tun kann, Frau Schlüter. Sie selbst sind natürlich bis auf Weiteres unser Gast, sofern Sie nicht auch nachts im Krankenhaus bleiben wollen oder müssen. Was ist mit Ihrem Fahrer?«

      »Ich denke, ich muss ihn morgen, wenn er mich nach Maibach gebracht hat, zurückschicken, denn er hat ja in Augsburg bestimmte Aufgaben im Haus und im Garten. Wenn ich hier eine Fahrgelegenheit brauche, kann ich leicht ein Taxi nehmen. So groß sind ja die Entfernungen nicht.«

      »Wir stehen immer zu Ihrer Verfügung, gnädige Frau«, mischte sich jetzt Alexander von Schoenecker ein. »Es gibt genügend Wagen hier und auch drüben in Sophienlust. Auf ein Taxi werden Sie in den seltensten Fällen angewiesen sein.«

      Es wurde spät, ehe man sich an diesem Abend trennte. Angela hatte immer wieder nach Bastian gefragt, und Denise hatte ihr nicht verheimlicht, dass ihr Sohn sich bis jetzt noch nicht eingelebt hatte. Die schreckliche Geschichte von den Küken hatte sie der unglücklichen, von Angst geplagten Mutter allerdings erspart. In dieser Beziehung hatte Dominik Recht behalten.

      Endlich zeigte Denise der Besucherin das Gästezimmer, das Marie hergerichtet hatte. Ein herrlicher Strauß Herbstblumen stand auf dem Tisch.

      »Wie schön«, flüsterte Angela Schlüter. »Sie begrüßen mich wie einen lang erwarteten Gast – dabei bin ich nur die Mutter eines Jungen, der Ihnen nichts als Ungelegenheiten gemacht hat und der aus sträflichem Leichtsinn nicht einmal gegen Kinderlähmung geimpft wurde.«

      »Machen Sie sich doch bitte wenigstens jetzt keine Vorwürfe mehr, liebe Frau Schlüter. Versuchen Sie zu schlafen. Morgen ist wieder ein Tag, und vielleicht geht es Bastian dann schon ein bisschen besser.«

      »Aber wenn sich sein Zustand in der Nacht verschlechtert? Ich bin so nahe und kann doch nicht zu ihm«, seufzte Angela.

      »Man würde hier anrufen, falls etwas Besorgniserregendes eintreten würde. Aber das wollen wir nicht hoffen. Versuchen Sie zu schlafen, denn Sie brauchen Kraft. Die Fahrt und die Aufregungen des heutigen Tages waren anstrengend für Sie, Frau Schlüter. Gute Nacht.«

      »Gute Nacht, und tausend Dank für alles.«

      Denise schloss die Besucherin noch einmal fest in die Arme. Dann erst ging sie auf den Zehenspitzen ins Zimmer ihres Jüngsten. Henrik war schon eingeschlafen, doch er blinzelte seine Mutter noch einmal an, als sie sich über sein Bett neigte.

      »Ich habe für Bastian gebetet, Mutti. Dass er gesund wird und dass wir Freunde werden«, murmelte er schlaftrunken.

      »Recht so, mein Bub«, flüsterte Denise und küsste ihren jüngsten Sohn innig.

      Im Schlafzimmer wartete Alexander auf sie. Er zog sie an sich. »Hoffentlich gibt es keine Katastrophe mit der Kinderlähmung, Liebste«, flüsterte er und küsste sie innig. »Ich mache mir die ärgsten Vorwürfe, denn ich allein habe Kurt Schlüter veranlasst, seinen Sohn herzubringen. Stell dir vor, auch unsere eigenen Kinder sind in Gefahr.«

      »Wir sind alle geimpft, Alexander. Im Gymnasium ist neulich auch ein Fall von Polio aufgetreten. Hundertprozentig kann man sich nicht schützen. Wir wollen auf Gott vertrauen und uns nicht mit unnötigen Vorwürfen plagen. Bastian war ein Kind in Not. Du hast Recht getan, ihn nach Sophienlust zu holen.«

      *

      Da die Lähmungen sich über den ganzen Körper ausgebreitet hatten, musste Bastian künstlich beatmet werden.

      Es war ein erbarmungswürdiger Anblick. Der armen Mutter brach es fast das Herz, als sie – in einen sterilen Kittel gehüllt – das erste Mal das Sonderzimmer betrat, in dem ihr Sohn untergebracht war. Obwohl er sie nicht wahrnehmen konnte, saß Angela Schlüter geduldig von morgens bis abends am Krankenlager ihres Sohnes. Die Lähmungserscheinungen verstärkten sich zunächst und stürzten die unglückliche Mutter in große Angst.

      Doch dann kam der Tag, als das Fieber endlich sank, das Beatmungsgerät entfernt werden konnte, und Bastian aus der Narkose erwachte.

      Der behandelnde Arzt sagte, dass die schlimmste Gefahr vorüber sei. Die Krankheit sei nun im Abklingen.

      »Wird Bastian gelähmt bleiben?« Das war die Frage, die Angela Schlüter keine Ruhe ließ. Doch darauf konnte ihr der Arzt zu diesem Zeitpunkt noch keine Antwort geben.

      Der Junge blickte ihr mit großen müden Augen entgegen.

      »Bastian, wie geht es dir denn?«, fragte Angela sanft und legte ihre kühle Hand auf die Stirn des Kindes.

      »Ich war krank, Mutti, weil ich nicht geimpft bin, sagt der Doktor. Aber ich werde wieder gesund werden.«

      Bastian schien sich gar nicht zu wundern, dass seine Mutter plötzlich da war. Erst nach ein paar Augenblicken fragte er schüchtern: »Wie hast du mich denn gefunden? Vati sagt, du hast mich ganz vergessen.«

      »Ich habe dich gefunden, weil Tante Isi mich angerufen hat, Bastian. Wie kannst du nur glauben, ich hätte dich vergessen? Das hat Vati sicherlich gar nicht so gemeint.«

      »Doch, er hat immer gesagt: ›Sie hat dich vergessen, sie denkt nicht mehr an dich. Und du musst sie auch vergessen. Wir bekommen eine neue Mutti, die ist viel besser als die alte‹.«

      Angela wurde die Kehle eng. »Hat er das wirklich gesagt? Hast du es nicht vielleicht nur im Fieber geträumt, mein Schatz?«

      »Ich … ich hab’ mich so nach dir gesehnt, Mutti. Aber ich durfte es Vati nicht sagen.«

      »Und Sophienlust? Wie gefällt es dir da?«

      »In Sophienlust ist es wunderbar, Mutti. Wenn ich nicht so bockig gewesen wäre, hätte ich jetzt schon einen richtigen Freund – Henrik von Schoenecker, Tante Isis Sohn. Aber jetzt ist er vielleicht böse auf mich.«

      Angela schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht, Bastian. Ich habe Henrik schon kennengelernt, denn ich wohne in Schoeneich. Beim Frühstück vor der Schule hat mir Henrik viele Grüße an dich aufgetragen. Du sollst schnell wieder gesund werden, hat er gesagt, damit ihr zusammen spielen könnt. Nick, das ist wohl der größere Bruder, würde dir dann auch weiter Reitstunden auf dem Pony geben.«

      »Hat er das wirklich gesagt, Mutti?«

      »Natürlich. Woher sollte ich es sonst wissen? Die Kinder von Sophienlust lassen dich auch grüßen. Weißt du, wer noch?«

      »Nein, Mutti. Woher sollte ich das wissen? Frau Rennert? Oder Herr Rennert, ihr Sohn? Oder Tante Carola oder Schwester Regine?«

      »Die denken bestimmt alle an dich, aber besondere Grüße schickt dir jemand anders.«

      »Vati?«, fragte Bastian scheu. »Ich denke, der ist auf der großen Reise mit der neuen Mutti? Er wollte mir immer Karten schicken. Aber bis jetzt ist erst eine einzige gekommen.«

      »Vielleicht sind die Karten von Vati verlorengegangen. Hast du denn meine bunten Karten bekommen?« Es widerstrebte Angela, Abfälliges über ihren Mann zu äußern.

      »Nein, Mutti. Ich hab’ schon lange nichts mehr von dir gehört.«

      »Siehst du, und ich habe dir, solange du noch zu Hause warst, jede Woche eine Karte mit einem schönen Bild geschickt. Manchmal passt die Post nicht richtig auf, und dann geht etwas verloren.«

      »Schade«, seufzte der kleine Patient. »Bleibst du jetzt hier, Mutti? Oder fährst du gleich wieder fort?« Angst flackerte in den Kinderaugen auf.

      »Ich bleibe, bis du wieder gesund bist, mein Junge. Deshalb bin ich doch gekommen. Tante Isi hat mit dem Doktor geredet. Ich darf von früh bis abends bei dir sitzen. Nur in der Nacht, wenn du schläfst, fahre ich nach Schoeneich und schlafe dort. Aber du hast noch immer nicht erraten, wer dich ganz lieb grüßen lässt und dir baldige Besserung wünscht.«

      »Ich weiß es nicht, Mutti. Du musst es mir schon sagen.«

      »Henry. Er hat mich hergebracht.«

      »Unser Henry, von zu Hause?«

      »Ja,


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