German Cop. Dieter Jandt

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German Cop - Dieter Jandt


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sich mit ihrem Sohn.

      Wagner begann sich wohlzufühlen. Er lauschte den Fröschen nach, die drüben rund um einen Teich quakten, und schaute den Geckos zu, die an der Hauswand unter einem der Neonlichter Mücken jagten, während Ton ihm jedes Mal Bier nachfüllte, kaum dass er einen Schluck getan hatte – auch eine thailändische Sitte. Wagner warf dem Hund, der hechelnd unter dem Tisch bettelte und die Vorderpfoten auf den Rand des Stuhles gestellt hatte, ein Fleischstück zu. Bahnte sich hier eine neue Freundschaft an, ausgerechnet mit einem Hund, einer Spezies, mit der Wagner eigentlich überhaupt nicht konnte? Oder war das eine Art Kompensation, eine Ersatzhandlung, ein Beweis seiner Liebe zu Nok?

      Man trank, plänkelte auf Englisch Belangloses, redete über Fußball und über Deutschland als Weltmeister und Wagner musste erklären, wie teuer in Deutschland Autos waren, wie viel man für Strom zu zahlen hatte und wie viel er verdiente. Stunden später wies Ton Wagner ein Zimmer im Erdgeschoss zu, ein kleiner, schlicht eingerichteter Raum, und Wagner war bald eingeschlafen. Später wachte er wieder auf, als er etwas Vertrautes spürte. Nok lag neben ihm, nackt. Sie liebten sich, wie es zwei tun, die völlig spontan zueinander finden, ohne Vorspiel. Da war reine, aber sanfte Begierde, keineswegs fordernd, beinahe absichtslos, als sei der Weg das Ziel. Nie hatte Wagner das Gefühl, dass ihre Hinwendung zu ihm so intensiv war. Genau deswegen war er hergekommen. Die Dinge begannen, für ihn zu laufen.

      Am nächsten Morgen war Nok verschwunden. Als Wagner auf die Terrasse trat, saß Ton wieder am Tisch. Er aß eine Suppe, aus der ein Hühnerfuß ragte, und nickte Wagner kurz zu. Weit hinten im Garten bearbeitete der Vater mit einer Harke das Feld. Die Mutter sei schon früh am Morgen zum Markt gegangen, erzählte Ton beiläufig, und dass er nicht wisse, wo Nok sei. Er habe nur aus dem Fenster gesehen, dass sie noch in der Dunkelheit mit einer Reisetasche das Grundstück verlassen habe. Dass er gestern noch behauptet hatte, er wisse nicht, wo Nok ist, schien ihn nicht im Geringsten zu stören.

      Wagner konnte es nicht fassen. Hatte er das alles heute Nacht nur geträumt? Was war das für ein Spiel, das sie mit ihm trieb? Wusste Ton, dass sie nachts zu ihm gekommen war? Hatte er sie deswegen womöglich fortgeschickt? Wagner wusste ja mittlerweile, dass es schwer war, die wahren Beweggründe von Thailändern zu erfahren, aber jetzt fühlte er sich völlig ratlos.

      »I think she went to the bus station.«

      Wagner glaubte Ton nicht, aber was sollte er tun?

      »Maybe you stay here for a while and wait until she is back.«

      Was sollte das? Wollte Ton verhindern, dass Wagner Nok suchte? Es war alles so rätselhaft.

      »You stay here and in the evening we will have friends.« Es sei ja immer noch Loy Krathong, das Lichterfest, und das müsse gefeiert werden.

      Den Tag verbrachte Wagner mit Spaziergängen durch die Stadt. Er hatte keine Lust auf die Besserwissereien Johanns, und er hatte keine Angst, doch noch von der Polizei aufgegriffen zu werden, nun nach Tagen. Er streifte durch einen kleinen Park, der von einem engen Kanal durchzogen war, kam an einer Siedlung vorbei, in der kleine, schmutzig-graue Häuser dicht beieinanderstanden. Kinder standen barfuß davor und beobachteten Wagner neugierig, weil sie sich nicht erklären konnten, was er hier wollte. Es war eine der Siedlungen von Burmesen. Tagelöhner, die von den Thailändern ausgenutzt wurden, weil sie für weniger Geld arbeiteten, meist auf Baustellen.

      Ein paar Ecken weiter entdeckte Wagner einen kleinen Markt, auf dem frisches Gemüse, aber auch Fleisch und Fisch angeboten wurden. Einer der Fischhändler hatte einen kleinen, selbstgebastelten Ventilator mit leise surrendem Motor an die Stange eines Sonnenschirmes gehängt, um die Fliegen zu vertreiben. Wagner probierte am Nebenstand ein paar Stücke eines kleinen, weichen Gebäcks aus Kokosraspeln und Sojamilch. Die Verkäuferin beobachtete gemeinsam mit dem Fischhändler Wagners Reaktion. Sie lachten, als er ein wenig das Gesicht verzog. Es schmeckte sehr süß, sättigte aber auch schnell.

      Am Abend kam er zurück, nachdem er eine Weile die Soi Sii gesucht hatte. Die Mutter war im Schuppen an der Kochstelle beschäftigt. Sie lächelte Wagner wieder liebevoll zu. Wusste sie, dass Nok nachts bei ihm war?

      »Nok?«, fragte Wagner. »Nok?«

      Die Mutter nickte und lachte. Es war ein Lachen aus Verlegenheit, weil sie nicht genau wusste, wie sie mit Wagner umgehen sollte. Sie wies hinüber zur Terrasse, auf der einige Männer am Tisch saßen. Tons Freunde, wie Wagner vermutete. Sie aßen tief über Schüsseln und Tellern gebeugt und palaverten laut miteinander. Man winkte Wagner heran und bald war er Teil der geselligen Runde. Die meisten tranken Bier mit Eiswürfeln, einige Mekongwhiskey mit Sodawasser. Immer wieder stießen sie mit Wagner an: »Chook dii«, was viel Glück bedeutete, aber auch zum Zuprosten verwandt wurde. Sie redeten auf ihn ein, auf Thailändisch, einige in gebrochenem Englisch. Wagner verstand kaum etwas. Und genau genommen unterhielten sie sich weniger mit ihm als über ihn.

      Wagner hielt sich an das Essen. Er schnappte sich mit den Essstäbchen dunkel gebratenes Fleisch von einem der vielen Teller. Die gulaschartig aussehenden Stücke waren mit grünen Bohnen und Möhren garniert. Wagner tunkte das Fleisch in Chilisauce und schob es sich in den Mund. Rind war das nicht, dafür war es zu weich. Schwein konnte es auch nicht sein, dazu hatte es einen zu intensiven, geradezu rauen Geschmack. Wagner tippte auf Wild, also Kaninchen? Wagner kaute langsam und spürte dem Geschmack im Nachgang hinterher. »What is this?«, fragte er Ton, indem er mit den Stäbchen darauf zeigte.

      »Ah, you don’t like it?«

      »Yes, I like. But what is it?«

      »Dog. Chook dii!« Ton prostete gut gelaunt Wagner zu. Das Fest war im vollen Gange, und am Himmel schwebten wieder die hell erleuchteten Ballons, während Wagner Mühe hatte, den Brechreiz zu überwinden, vor allem als ihm einfiel, dass er die ganze Zeit den weiß-braun gefleckten Hund nicht gesehen hatte. Eigentlich hätte er jetzt mit den Vorderpfoten auf dem Rand des Stuhls Wagner um Fleisch oder Fisch angebettelt. Wagner fürchtete, dass das jetzt nicht mehr möglich war. Er stand schnell auf und eilte zur Toilette, die im Haus gleich neben der Terrasse war. Er erbrach sich so leise wie möglich, schließlich galt es, bei allem die Etikette zu wahren beziehungsweise nicht unhöflich zu sein. Aber: Konnte man so grausam sein und den eigenen Hund essen?

      Wagner ging zurück zur Terrasse, trank eilig zwei Gläser Whiskey und hielt sich von nun an ausschließlich an Gemüse, das er mit möglichst viel Chili aß. Ihm fiel ein, dass Nok ihm damals in Deutschland erzählt hatte, dass in einigen Gegenden Thailands Hund eine Delikatesse sei. Wagner versuchte sein Ekelgefühl zu verdrängen, was ihm aber schwer fiel, zumal Ton und seine Freunde ständig mit den Stäbchen am Hund mit Bohnen und Möhren herumstocherten, genüsslich rülpsten und weitertranken. Wagner konnte sich zwar vorstellen, einen Hund vom 14. Stock eines Hochhauses zu stoßen, wie er das damals mit dem Boxer von Kommissar Winterberger getan hatte, aber einem Hund auf dem Teller würde er in Zukunft garantiert ausweichen. Wagner trank weiter, verbrüderte sich mit Ton, der ihn für morgen zu einer Fahrt in die Berge einlud.

      »I show you Akha people.«

      Als er auf sein Zimmer gehen wollte, lag der Hund der Familie im Flur und wedelte mit dem Schwanz. In der Nacht schlief Wagner schlecht. Er lauschte den Zikaden und den Fröschen im Garten nach, gelegentlich schallten die Rufe eines Geckos durch die Dunkelheit. Nok kam nicht. Später träumte er von gewalttätigen Hunden, die mit Essstäbchen im Maul herumliefen.

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