In jeder Beziehung. Birgit Schmid

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In jeder Beziehung - Birgit Schmid


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Ignoranz:

      Ich bin doch eine 8, und immer noch Single – was fischt die 5 in meinem Teich? Oder: Was sieht die 6 in dieser 2? Die 2 ist sicher gut im Bett. Oder sie verfügt über Geld, Jugend oder andere Eigenschaften, bei denen es nicht um wahre Liebe gehen kann.

      Dabei wirkt hier oftmals nur die Zeit. Die Zeit kehrt die Gesetze der Anziehung um. So erging es Jane Austens Mr. Darcy in »Pride and Prejudice«, der zu Beginn für Elizabeth Bennets Erscheinung wenig übrighat. Sie sei »tolerable, but not handsome enough to tempt me«. Sie sehe zwar leidlich aus, aber zu wenig gut, um ihn zu reizen, sagt er und bemängelt: »more than one failure of perfect symmetry in her form«.

      Psychologen an der University of Texas haben in einer Studie aufgezeigt, warum es schon Anfang 19. Jahrhundert anders kam: Warum sich Mr. Darcy dann doch in Elizabeths Charme verliebte, in ihren unabhängigen Geist. Studierende mussten den »romantischen Appeal« ihrer Mitstudierenden einschätzen. Frauen von Männern und umgekehrt. Fanden die meisten zu Semesteranfang dieselben Personen begehrenswert, gingen die Meinungen nach drei Monaten weit auseinander darüber, wer begehrenswert ist. Je mehr Zeit man also miteinander verbringt, desto unterschiedlicher wird Schönheit eingeschätzt.

      Nicht untersucht wurde der Cyrano-de-Bergerac-Effekt. Ob nämlich weniger schöne Menschen auf einem Gebiet ein besonderes Talent entwickeln; sie verführen durch Sprache, die richtigen Lieder und ihren erotischen Stil. Mit ihrer Fertigkeit lassen sie jede 9 oder 10, die sich oft allein auf ihr gutes Aussehen verlassen, hinter sich zurück. Und das reicht auf Zeit nicht aus.

      Dass Liebe auf den ersten Blick überschätzt wird und innere Schönheit ebenso zählt, belegt auch eine Forschung an der Northwestern University in Illinois, USA. Gingen Paare eine Liebesbeziehung ein, kurz nachdem sie sich kennengelernt hatten, waren sie ähnlich attraktiv. Kannten sich die Paare schon lange und waren vielleicht Freunde, bevor sie zu Liebenden wurden, dann sah einer der beiden oft viel besser aus als der andere. Schönheit liegt im liebenden Blick.

      Was heißt das nun? Um genau den oder die zu finden, die in derselben Hübschheits-Liga spielen, gibt es natürlich das Online-Dating. Hier ist das Äußere entscheidend. Das schließt dann wohl den Menschen aus, den man viel eher an der Uni, im Büro oder Sportclub kennenlernt. Wo man jemanden von sich einnehmen kann und plötzlich sieht: sein Wissen, seine Wachheit. Er ist es! Ihre Klugheit, ihr Witz. Sie ist es!

      LIEBES BRAUTPAAR,

       HÖR MAL ZU

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      Als müsste man dem dunklen Jahresbeginn etwas Schönes entgegensetzen, liegen den Zeitungen bereits die ersten Hochzeitsspecials bei. Zwei Menschen sagen Ja zueinander, sie wollen das Bett teilen und den Tisch – und den Tisch um zwei Plätze erweitern oder drei, sich zugetan sein in guten wie in schlechten Zeiten, sich Geliebter, Freundin, Kumpel, Schwester sein. Wie alle glauben sie, bei ihnen halte es für immer.

      An der Feier haben meist auch die befreundeten Paare eine Rolle, die bereits seit fünf oder fünfzehn Jahren verheiratet sind. Sie heben das Glas, lassen es klingen und setzen zum Lob auf die Ehe an. Sie sagen:

      Das Schicksal hat euch zusammengebracht, es ist, als gehörtet ihr schon immer zusammen. Verheiratet sein bedeutet, sich noch verbundener zu fühlen.

      Sie schließen mit dem Gedicht »Was es ist« von Erich Fried.

      Die Worte kommen von Herzen, aber sie lassen vieles aus. Wenn Freunde an der Hochzeit von Freunden einen Toast aussprechen, unterschlagen sie, was auch zu sagen wäre. Hat man sich denn nicht zu Offenheit bekannt, damals an der Uni, als man zu Freunden wurde? War das Vertrauen nicht immer groß genug, selbst die Liebschaften der Freundin zu bewerten, wodurch manch eine Liebschaft endete?

      Deshalb müsste die Rede anders klingen. Man müsste den Mut haben zu sagen:

      Irgendwann in naher oder ferner Zukunft werdet ihr euch heftig streiten, eine verspätete Heimkehr, ein fremdes Lächeln, sodass euch zum ersten Mal der Gedanke kommt, es könnte nicht für immer sein. Du wirst den Mann anschauen, den du verehrtest, und denken, wie selbstgerecht er geworden ist. Du schaust ihn an und kochst vor Wut und sehnst dich zurück in die Zeit, als du allein und ungebunden warst.

      Du schaust sie an, deine heutige Braut, vielleicht bald Mutter deiner Kinder, möchtest ins Auto steigen und losfahren ohne Blick zurück. Du erträgst ihr Unwissen nicht, und was einst reizvoll war an ihr und eigen, ärgert dich jetzt bloß.

      Kann sein, dass du manchmal denkst, die Frau deines Lebens spricht mit der Katze zärtlicher als mit dir.

      Kann sein, dass du dich fragst, warum dein Mann noch einmal mit dem Hund hinausgeht abends um halb elf. Er geht hinaus, weil er allein sein möchte, deine Fragen jetzt nicht hören und nicht reden mag.

      Nach ein paar Jahren geht ihr öfters zu verschiedenen Zeiten zu Bett, was ihr euch heute noch nicht vorstellen könnt. Manchmal wird einer von euch so tun, als schlafe er bereits. Der andere merkt es und schweigt.

      Ihr denkt: Was ist aus uns geworden.

      Wo sind wir hingekommen, denkt ihr.

      Wir sagen euch: Das ist noch nicht das Ende. Solche Tage gehören dazu, wenn man verheiratet ist. Seid unbesorgt, aber vorbereitet. Ihr werdet leiden, sogar hassen.

      Ihr seid euch zu nah, um euch nicht immer wieder fremd zu werden. Erwartet viel heute, aber seid später großzügig und denkt an den Weg, den ihr bereits gegangen seid.

      Es gibt auch die anderen Tage, so setzt man zum Schlusswort an: Ein Blick über den Tisch hinweg in einer Runde, und du weißt, du würdest dich wieder in sie verlieben. Seine Worte im richtigen Moment, die nur einer sagen kann, der dich kennt. Man hat Ja gesagt und wirft das nicht einfach fort. Wenn ihr die Ehe eines Tages mit all diesen Gesichtern erlebt und noch immer zusammen seid, dann habt ihr vieles gut gemacht.

      Damit endet die ehrliche Hochzeitsrede. Es sei denn, man wurde vorher aus dem Bankettsaal geworfen.

      DUMME FRAGEN AN

       KINDERLOSE

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      Menschen ohne Kinder bekommen ja immer wieder seltsame Dinge zu hören, und dies allein des Umstands wegen, dass sie keine Eltern sind. Entsprechende Bemerkungen häufen sich, seit wir wieder in kinderseligeren Zeiten leben. Die Geburten nehmen zu, abzuzählen auch an den Kinderwagen, die sich in Trams und Bussen drängen. Es ist nichts dabei zu fragen, ob man Kinder habe. Man dürfte ja sonst bald nichts mehr fragen. Wird die Familie mit Kindern aber zur Norm für eine Lebensgemeinschaft erhoben, wie sie auch immer mehr Homosexuelle ersehnen; wird dereinst ein unerfüllter Kinderwunsch nicht mehr verstanden, weil ihn die moderne Medizin eigentlich nicht zulässt: Dann bekommt die Kinderfrage etwas Wertendes. Man gerät unter Druck, muss sich rechtfertigen.

      Es wird einem zum Beispiel gesagt:

      Du wärst eine wunderbare Mutter.

      Das kannst du nur verstehen, wenn du Kinder hast.

      Sei froh, dass du keine Kinder hast, sonst könntest du nie so leben.

      Hast du dir schon einmal überlegt, wer unsere Renten dereinst finanziert?

      Schau nur mal Pamela und Yves, für sie stand immer die Karriere zuvorderst. Jetzt ist es für Kinder zu spät, und es bleibt ihnen wenig.

      Zur Selbstverwirklichung haben wir als Eltern keine Zeit.

      Du verdrängst das doch, irgendwann holt der Kinderwunsch jede Frau ein, das ist in einer Frau angelegt.

      Hast du manchmal nicht Angst, dass im Alter niemand nach dir schaut?

      Und ein Bekannter sagte mir einmal:

      Ich saß mit meiner Frau im Garten bei einem Glas Wein, wir besprachen die Schulnoten unseres Sohnes, dass die Kleine so wenig schläft und die Große neuerdings die Tür zum Badezimmer abschließt,


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