Auf Tour mit Bob Marley. Mark Miller

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Auf Tour mit Bob Marley - Mark  Miller


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Er ging völlig in seiner Musik auf und tanzte in einer Art Trance über die Bühne. Diese Trance übertrug sich durch den treibenden Beat der Wailers und durch Bobs inspirierende Texte auf das Publikum, und, wie ich zugeben muss, auch auf mich, sodass ich spirituelle Höhen erreichte, die ich danach nie wieder erlebte. Bob wirkte absolut »zu Hause« auf der Bühne, und die Musik der Wailers wirkte vollkommen natürlich. Alles, was wir damals taten, schien in dieselbe Richtung zu gehen, und es war ein wunderbares Gefühl, ein Teil davon zu sein.

      Egal wohin man in dieser Welt kommt, jeder kennt Bob Marley. Selbst auf der abgelegenen Insel im Indischen Ozean, wo ich einmal im Jahr Urlaub machte, sah ich Kinder mit alten, zerrissenen Bob-Marley-T-Shirts herumrennen. Überall auf dem Planeten ist Bob Marley in dem Bewusstsein mehrerer Generationen verankert, und seine Platten verkaufen sich immer noch. Seine Lehre hat nichts von ihrer Anziehungskraft eingebüßt und wird noch viele weitere Generationen erleuchten.

      Bei unserer letzten großen Tournee im Jahr 1980 hatten wir in Europa mehr Zuschauer angezogen als jedes andere musikalische Ereignis. Ich weiß noch, dass ich mit Bob Marley im Bus saß und Tausende von Fans einen Blick auf ihn erhaschen wollten, und er lachte nur darüber. Es wirkte ganz unwirklich. Bob fragte, warum sich all die Leute um unseren Bus drängten, und bekam die Antwort, dass sie seinetwegen da waren. Da hörte er auf zu lachen, zeigte wieder das pfiffige Lächeln, das so typisch für ihn war, und nickte zustimmend.

      Schon bald nachdem ich mich der Gruppe angeschlossen hatte, merkte ich, dass Bob sich immer stärker zur Religion der Rastafari hingezogen fühlte. Ich weiß noch, wie er einmal über »Jah« sprach. Er sagte: »Das Leben und Jah sind ein und dasselbe. Jah ist das Geschenk der Existenz. Ich bin in gewisser Hinsicht ewig, ich werde nie kopiert werden. Die Einzigartigkeit jedes Mannes und jeder Frau ist ein Geschenk Jahs. Was wir daraus machen, ist unser einziges Geschenk für Jah. Was bei diesem Kampf entsteht, wird, mit der Zeit, die Wahrheit.« Er war wirklich engagiert, was das soziale Elend seines Volkes und der ganzen Weltbevölkerung betraf. Einmal sagte er: »Es ist besser, im Kampf für die Freiheit zu sterben, als sein ganzes Leben ein Gefangener zu sein.« Das hört sich heute noch sehr aktuell an, nicht wahr? Bobs Verbindung mit der Rastabewegung begann schon früh in seinem Leben, und dieser Glaube trug ihn bis zu seinem Tod. Er sagte: »Fakten und noch mehr Fakten, und Dinge und noch mehr Dinge: Das ist alles eine einzige verdammte Scheiße. Hört, was ich sage: Es gibt nur eine Wahrheit, und das ist die Wahrheit von Jah Rastafari.« Wie für die meisten Rastas war das Ganjarauchen für Bob ein »Sakrament« (siehe Anhang 2: »Bob, das Kraut, das Essen und die Fans«), aber ich kenne auch genug, die es einfach nur zum Vergnügen rauchen.

      »Alle Regierungen sind angeblich dazu da, um den Menschen zu helfen«, soll er einmal gesagt haben. »Aber warum sagen sie dann, dass man das Kraut nicht rauchen darf? Das Kraut … ist eine Pflanze, oder nicht? Und je mehr ich darüber nachdenke, umso weniger sehe ich einen Grund [für das Verbot].«

      Einmal sah ich, wie er mit einem Jeep herumfuhr und ein paar Leute ihn fragten, warum er keinen BMW fahre. Er lächelte sein pfiffiges Lächeln und sagte: »Ich fahre einen Jeep. Einen alten Jeep, damit niemand mehr sagen kann, dass ich einen BMW fahre. Ich konnte diesen BMW nicht ausstehen, ha, ha, ha! Ein BMW macht nichts als Schwierigkeiten, Mann!« Es war eine total witzige Anspielung auf die Abkürzung BMW für Bob Marley and the Wailers.

      Ein anderes Mal fragte ihn ein Journalist, wie es sei, berühmt zu sein. Er überlegte eine Weile, dann schaute er dem Reporter tief in die Augen und sagte: »Ich werde mit dem Ruhm fertig, indem ich nicht berühmt bin … Für mich selbst bin ich nicht berühmt.« Diese Antwort ist typisch für ihn. Er war auch ein hingebungsvoller Vater und sehr stolz auf seine Kinder, obwohl er die meiste Zeit seines Lebens nicht bei ihnen war, weil er wie viele arbeitende Rastas sehr viel zu tun hatte. Soweit ich weiß, hatte er 13 Kinder. Als ich mit Bob Marley and the Wailers auf Tour war, war Ziggy etwa acht Jahre alt und Stevie ein paar Jahre jünger. Sie sind auf einigen Videos zu sehen, in denen sie zusammen auf der Bühne tanzen. Das Lächeln, mit dem Bob Marley ihnen zusieht, ist unvergesslich. Hier eine Aufstellung des Marley-Clans:

      1 Imani Carole, geboren am 22. Mai 1963 von Cheryl Murray;

      2 Sharon, geboren am 23. November von Rita in einer früheren Beziehung;

      3 Cedella Marley, geboren am 23. August 1967 von Rita;

      4 David »Ziggy«, geboren am 17. Oktober 1968 von Rita;

      5 Stephen, geboren am 20. April 1972 von Rita;

      6 Robert »Robbie«, geboren am 16. Mai 1972 von Pat Williams;

      7 Rohan, geboren am 19. Mai 1972 von Janet Hunt;

      8 Karen, geboren am 1973 von Janet Bowen;

      9 Stephanie, geboren am 17. August 1974; laut Cedella Booker ist sie das Kind von Rita und einem Mann namens Ital, mit dem Rita eine Affäre hatte. Trotzdem erkannte Bob Marley sie als seine Tochter an;

      10 Julian, geboren am 4. Juni 1975 von Lucy Pounder;

      11 Ky-Mani, geboren am 26. Februar 1976 von Anita Belnavis;

      12 Damian, geboren am 21. Juli 1978 von Cindy Breakspeare;

      13 Makeda, geboren am 30. Mai 1981 von Yvette Crichton.

      Einmal saß ich mit Bob und ein paar anderen Dreads auf der Treppe vor der Hope Road 56, als Bob plötzlich eine Schimpftirade darüber losließ, wie die Staaten dieser Welt ihre Bevölkerung heimlich unter Kontrolle halten, indem sie deren Nahrungsmittel manipulieren.

      Er wurde ganz aufgeregt und sehr zornig über das Unrecht, dass Regierungen ihre Völker verhungern lassen, während ihre Mitglieder große Summen, die sie sich durch die Ausplünderung ihrer Länder verschafft haben, in ihre eigenen Taschen stecken. Mir kam das alles damals ziemlich verrückt vor, aber heute bin ich ein echter Marley-Gläubiger.

      Wir hörten all die Gerüchte nach Bobs Tod, dass die CIA etwas mit seinem Ableben zu tun hatte. Ich bin ein ziemlich bodenständiger Kerl, aber der Gedanke hat etwas für sich. Bob pisste das Establishment mit seiner heftigen Kritik an »Babylon« wirklich oft an. Es wäre keine große Kunst für eine Regierungsbehörde gewesen, ihn auszuschalten. Man braucht sich bloß diesen russischen Journalisten und Kreml-Kritiker Alexander Walterowitsch Litwinenko in London anzuschauen. Er wurde mit radioaktivem Material vergiftet. Oder man denke an Nixon und John Lennon. Lasst euch nicht zum Narren halten, so was passiert. Wer weiß, was an diesem scheinbar so lächerlichen Gerücht von der CIA dran ist. Laut Roger Steffens, einem bekannten Biografien Bob Marleys und gutem Freund von mir, erkannte Gilly John Brown bei dem Mordversuch, der 1976 in der Hope Road 56 stattfand. Jim Brown war damals der Bösewicht Nr. 1 des jamaikanischen Premierministers Seaga, und er war CIA-Agent, oder etwa nicht? Ich weiß nur, dass Bob rebellierte, wenn er etwas sah, das ihm unrecht erschien. Bob hatte über solche Themen viel zu sagen, und er wurde recht »hitzig«, wenn er seine Überzeugungen vertrat. Ich glaube er war in seinem Herzen noch ein großes Kind, und das Leben im Allgemeinen war ihm sehr wichtig. »Niemand legt Wert darauf, wer du bist, Mann«, pflegte er zu sagen. »Was du tust, darauf kommt es an.« Jemand hat mich kürzlich gefragt, was für ein Mensch Bob Marley war. Er war einfach authentisch, ein auf Erden wandelndes, sprechendes musikalisches Genie und ein Prophet. Nach unserem letzten Konzert im Stanley Theatre in Pittsburgh, Pennsylvania, war er offensichtlich deprimiert über die Diagnose, die seine Ärzte gestellt hatten. Ich sah ihn danach noch einmal, als er in der Einfahrt seines Hauses


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