Erinnerungen an Kurt Cobain. Danny Goldberg M.

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Erinnerungen an Kurt Cobain - Danny Goldberg M.


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stellte sie in seinem Artikel ausgiebig vor. Es war das erste Mal, dass der Indie Rock, der später Grunge genannt werden sollte, in den internationalen Medien Erwähnung fand.

      Kurz nach dem Erscheinen von Bleach erkannte Poneman, dass Nirvana auf Tournee jemanden brauchten, der sich um ihren Sound kümmerte, und er vermittelte ihnen den Tontechniker Craig Montgomery, der schon für verschiedene andere Bands des Labels gearbeitet hatte. Montgomery erinnert sich: „Als erstes fiel mir auf, wie eingängig ihre Musik war. Sie hatten tolle Songs und einen Typen, der echt singen konnte, was bei vielen der sogenannten Grunge-Bands nicht der Fall war. Noch bevor ich Nirvana je live gesehen hatte, erzählten mir Leute in Seattle schon, dass er singen konnte wie John Fogerty von Creedence Clearwater Revival. Es war mein Job, eine Verbindung zwischen Kurts Stimme und dem Publikum zu schaffen.“

      Kurt war von Anfang an begeistert davon, den Toningenieur auf Tour dabei zu haben, und in den nächsten Jahren betreute Montgomery jede Nirvana-Show. „Zu Anfang saßen wir vier in Krists Dodge-Transporter und fuhren von einem Provinz-Punk-Club zum nächsten“, berichtet er. Und schon in diesen frühen Tagen, als Nirvanas Fans ausschließlich aus der Punk-Szene stammten und die Band auf ihren Singles noch laut und aggressiv daherkam, waren die ersten Anzeichen dafür zu entdecken, dass Kurts Vision auf die Verschmelzung von Punk und Pop abzielte. Krist zufolge hörten sie nicht nur Punk, sondern auch „Cassetten mit Roy Orbison, den Smithereens oder den Beatles“, und Montgomery stellt fest: „Häufig lief bei ihnen kitschige Popmusik.“

      Der Toningenieur erkannte schnell, dass die Bandmitglieder nicht nur ihren Musikgeschmack teilten, sondern auch denselben Humor. „Bei den Konzerten machten sie sich oft über die gängigen Rock-Klischees lustig. Manchmal tauschten sie dazu nur einen Blick aus, oder es genügte eine kleine Bewegung – aber sie ließen das Publikum immer an diesen Privatwitzen teilhaben.“ In dieses Muster passte auch das Zerschlagen ihrer Instrumente, das gleichzeitig als Hommage und Kritik verstanden werden kann. Montgomery erinnert sich wehmütig an Kurt: „Er war ein lustiger, kluger, schlagfertiger, sarkastischer Typ, mit dem man meistens jede Menge Spaß haben konnte. Manchmal war er natürlich auch still und brauchte Zeit für sich, aber er liebte nichts mehr, als auf der Bühne zu stehen.“

      Der Vertrieb der Sub-Pop-Veröffentlichungen lief damals über Caroline Records in New York. Janet Billig (heute Janet Billig-Rich) hatte als Punk-Fan noch während ihres Studiums an der New York University bei Caroline als Promoterin und A&R-Managerin angefangen. Da Sub Pop an der Ostküste kein Büro hatten, kümmerte sie sich um die Bands des Labels, wenn sie in New York spielten. Da sich keiner der Musiker ein Hotel leisten konnte, übernachteten viele in Janets Apartment in der Lower East Side, Ecke Seventh Street und Avenue C. „Die Wohnung hatte nur 45 Quadratmeter, aber es gab ein Hochbett und ein paar Futons, und mit etwas gutem Willen konnte ich dort acht Leute hineinquetschen.“ Von daher war es kein Problem, die drei Nirvana-Musiker sowie den Tonkutscher Montgomery bei ihren ersten New-York-Aufenthalten Anfang 1988 dort unterzubringen.

      Janet merkte gleich, dass Kurt eine Sonderstellung innehatte. Da die Gegend nicht die beste war und Kleintransporter häufig aufgebrochen wurden, war es besser, wenn die Bands ihr Equipment über Nacht in der Wohnung unterstellten, und als Nirvana das erste Mal bei ihr übernachteten, mussten auch noch einige Matratzen zum Schlafen besorgt werden. Kurt erklärte ihr mit leichtem Lächeln, dass Krist und Chad Channing, der damalige Nirvana-Drummer, die Schlepperei erledigen würden. „Kurt legte sich auf mein Bett und aß ein paar Kekse. Krist und Chad wussten schon, wie das lief – Kurt fasste nicht mit an.“ (Als ich Krist die Geschichte erzählte, verteidigte er Kurt sofort: „Wenn es sein musste, trug er sein ganzes Equipment durchaus selbst. Wir nannten das immer die gequälte Prozession.“)

      Janet ging es ähnlich wie mir einige Jahre später – auch sie erkannte Kurts besonderes Talent in dem Augenblick, als sie Nirvana erstmals live erlebte. Sie war völlig überwältigt von dem Einsatz, den die Band zeigte. „Ich war bei einem Gig in Philadelphia und bei einem weiteren an einem College in Amherst. Danach behaupteten sie jedes Mal, es sei der beschissenste Gig aller Zeiten gewesen. Sie nahmen jede Kleinigkeit auseinander und redeten nur darüber, wie scheiße sie gewesen waren, auch wenn lauter Leute zu ihnen hinter die Bühne kamen und sie abfeiern wollten. Mir erschien jede ihrer Shows sehr emotional und sehr rau, aber sie wollten immer noch besser sein.“

      Sie verstand sofort, warum Kurt von der Punk-Gemeinde so verehrt wurde: „Er kam aus dem Nichts und hatte nichts. Deswegen fühlte er sich dem Punk-Ethos auch so verbunden.“ Aber sie merkte auch schon früh: „Kurt war sehr ehrgeizig. Er versuchte, in beiden Welten zuhause zu sein.“ Die College-Sender spielten Nirvana von Anfang an, und das kleine Grüppchen Punk-affiner Kritiker schwärmte so sehr von der Band, dass es nicht lange dauerte, bis Nirvana auch außerhalb der eigenen Szene im amerikanischen Nordwesten eine kleine Fangemeinde aufgebaut hatten.

      Da Indie-Labels wie SST oder Sub Pop weniger Geld investieren und sich meist auch keine Anwälte leisten konnten, boten sie den Bands normalerweise keine langfristigen Verträge an. Kurt und Krist hingegen beschlossen Anfang 1989 während der Arbeit an Bleach, dass sie eine schriftliche Vereinbarung mit ihrem Label wollten. Bevor er viel über geschäftliche Dinge wusste, symbolisierte ein Papier mit Unterschrift für Kurt offenbar, dass alles mit rechten Dingen zuging. Poneman hatte nicht einmal eine Vorlage für ein solches Dokument, weil ihn noch nie einer seiner Künstler danach gefragt hatte, aber er schusterte schnell etwas zusammen. Damals hatte Kurt das Gefühl, dass ihm ein solcher Vertrag ein größeres Engagement seitens des Labels garantierte, aber wie sich später herausstellte, sollte letztlich Sub Pop in weitaus größerem Maße davon profitieren. Ohne diesen Vertrag hätten Sub Pop nichts von den vielen Millionen Dollar gesehen, die ihnen Nirvanas Wechsel zu Geffen einbrachte.

      Heute bedaure ich, dass ich aufgrund der Rolle, die ich in der Karriere der Band spielte, nicht die Gelegenheit bekam, Poneman und Pavitt etwas besser kennenzulernen. Kurt gönnte ihnen das Geld, das sie letztlich mit Nirvana verdienten, stets von Herzen. (Zum einen verkaufte sich Bleach, nachdem Nirvana den kommerziellen Durchbruch geschafft hatten, viele hunderttausend Mal, zum anderen erhielt Sub Pop eine Tantiemenvergütung für Nevermind, die sich auf mehrere Millionen Dollar belief, und die Profite aus Nirvanas Aufnahmen gestatteten es den beiden Eignern zudem, die Hälfte ihres Unternehmens 1995 für angeblich 20 Mio. Dollar an Warner zu verkaufen.) Sub Pop veröffentlichten Nirvanas erste Singles und das erste Album. Sie kauften Kurt neue Gitarren, nachdem er sein Equipment auf der Bühne in Stücke geschlagen hatte. Sie vermittelten ihm den Kontakt zu Craig Montgomery, Janet Billig, Everett True und anderen, und gegenüber Journalisten und Musikern äußerte Poneman oft seine Überzeugung, dass Nirvana eines Tags die größte Band auf Sub Pop sein würde.

      Allerdings waren die beiden Sub-Pop-Partner gleichzeitig stark dem Geist der Independent-Kultur verhaftet. In der ersten Ausgabe seines Fanzines hatte Pavitt noch geschrieben: „Wenn jemand eine Platte kauft, dann unterstützt er damit nicht nur die Musik, sondern auch die Werte und den Lifestyle des betreffenden Künstlers. Wenn ihr (ja, ihr!) euer Geld den großen Hollywood-Konzernen in den Rachen schmeißt, dann tragt ihr nicht nur dazu bei, dass abgefuckte Kapitalisten bestimmen, was im Radio gespielt wird, sondern ihr befürwortet indirekt, dass sie Macho-Arschloch-Bands promoten, deren Lifestyle aus Kokain, Sexismus, Kohle und noch mehr Kohle besteht. Die Achtziger brauchen neue Sounds, und sie brauchen auch neue Helden.“ Solche Einstellungen hatten letztlich keinen Einfluss auf die Richtung, in die Kurt seine Karriere trieb, aber für viele andere Künstler waren sie entscheidend. In ihrer Autobiografie Hunger Makes Me A Modern Girl schrieb Carrie Brownstein (deren Band Sleater-Kinney ihre Platten bei Kill Rock Stars veröffentlicht hatte), dass „ausführliche Traktate über den Ausverkauf in Fanzines wie Punk Planet oder Maximum Rocknroll gang und gäbe“ waren.

      Nach einer ersten Europa-Tournee nahmen Nirvana die Demos für „Lithium“, „In Bloom“ und „Polly“ auf, die später zu den herausragenden Songs auf Nevermind zählten. Nach dem phänomenalen Erfolg der Platte wiesen einige Kritiker darauf hin, schon weit vorher hätten ältere Indie-Bands wie die Pixies, die Replacements oder Hüsker Dü die Punk-Attitüde mit traditionelleren Refrains und Melodien verquickt, aber für mich trafen diese Vergleiche nie den Kern. Im Gegensatz zu Kurt hatten diese Bands keine Songs geschrieben, aus denen echte Hits wurden, die bei den kommerziellen Sendern ebenso liefen wie im Rock-Radio.


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