Das Geheimnis von Karlsruhe. Bernd Hettlage
Читать онлайн книгу.Ihnen gerade erzählt habe.“
Birkenmeyer machte wieder eine Pause und ließ seine Worte wirken.
„Übrigens“, fuhr er dann fort, „um noch einmal zu den Geheimgesellschaften zu kommen, die diese Stadt gegründet haben: Thomas Jefferson, der spätere Präsident der USA, besuchte im Jahr 1788 Karlsruhe und schuf die Hauptstadt Washington nach dem Vorbild des Karlsruher Stadtgrundrisses. Und sehen Sie sich mal die Dollarnote an.“
Er zog tatsächlich eine aus seiner Tasche, sein Assistent hielt auf einmal ein DIN-A4-Blatt mit einer vergrößerten Kopie eines Dollarscheines in der Hand und schwenkte sie, beleuchtet von seiner Taschenlampe, von rechts nach links, sodass jeder sie sehen konnte.
„Eine solche Pyramide haben wir ja auch hier vor uns. Sie ist übrigens auch ein Illuminatensymbol. Und Jefferson war ebenfalls ein Freimaurer. Dito George Washington.“
Er schmunzelte und stieg schwungvoll vom Sockel der Pyramide herab.
„Weiter geht’s!“
Doch nach ein paar Metern stoppte er schon wieder.
„Schauen Sie sich noch einmal um in Richtung Schloss.“
Die Menge folgte ihm, als sei er ihr Dompteur.
„Wenn wir von sogenannten Geheimgesellschaften reden ... Ich sage Ihnen, die sind noch heute in Karlsruhe aktiv.“ Er winkte die Gesellschaft eng zu sich heran und senkte die Stimme, als ginge es jetzt um etwas besonders Geheimnisvolles oder gar Gefährliches. „Sehen Sie links das ‚m‘ des Hotels am Markt? Rechts prangte ein großes ‚V‘ am alten Volksbankgebäude. Am neuen ist es, warum auch immer, nicht mehr zu sehen. Zwei hervorstechende Embleme, die das Schloss bis vor wenigen Jahren einrahmten. Und wo finden wir diese beiden Buchstaben wieder?“
Er leuchtete die Gesichter der Umstehenden an, auch das von Arnold, der nah an ihn herangetreten war, um alles zu verstehen. Birkenmeyer beugte sich nach vorn und raunte: „Der berühmte und sagenumwobene MI 5, der britische Geheimdienst, führt die beiden Buchstaben M und V in seinem Wappen.“
Er richtete sich wieder auf. „Oh ja, meine Damen und Herren“, sprach er mit nun dröhnender Stimme. „Seien Sie vorsichtig, in Karlsruhe, da hatte die seltsame Dame vorhin gar nicht unrecht, ist bis heute so einiges im Gange, an dem man besser nicht rühren sollte.“
„Humbug“, sprach ihn da jemand von der Seite an. „Das ist doch Humbug, was Sie da erzählen.“ Es war der kleine Mann mit dem wirren Haar, der Arnold schon zu Beginn der Veranstaltung aufgefallen war. Ob er etwa auch zu den Schauspielern gehörte?
„Sie vermischen durchaus Ernsthaftes und Wahres mit völligem Blödsinn. Sie treiben hier Klamauk, das ist der Sache nicht angemessen. Das Geheimnis, um das es hier geht, ist viel größer, als Sie überhaupt ermessen können. Sie wissen gar nicht, was Sie tun, also lassen Sie es besser sein.“
Birkenmeyer lächelte, als sei er geradezu erfreut über den Protest.
„Guter Mann!“
Er hob beschwichtigend die Hände.
„Ach was!“
Der Mann wirkte wirklich zornig.
„Es ist wie immer: Halbwissen zu verbreiten ist viel schlimmer, als gar nichts zu wissen.“
„Aber Sie wissen wirklich Bescheid?“, fragte Birkenmeyer.
„Ja, allerdings“, antwortete der Mann.
Es sah aus, als wollte er noch etwas hinzufügen, doch dann schüttelte er den Kopf und entfernte sich. Birkenmeyer lächelte, sah aber gleichzeitig ein wenig unsicher aus.
Lukas Arnold folgte kurz entschlossen dem Mann, der schnellen Schrittes von der Menge weglief.
„Warten Sie!“
„Was?“ Der Mann drehte sich unwirsch um.
„Warten Sie bitte.“
Vor dem Eckhaus, in dem das Modehaus Schöpf untergebracht war, holte er ihn ein.
„Was meinten Sie damit, Sie wüssten wirklich Bescheid?“
Der Mann war schmal, trug ein Cordsakko und ein kariertes Hemd. Er sah aus wie jemand, der nicht übermäßig Wert auf sein Äußeres legte, doch wirkten seine Kleidungsstücke nicht unbedingt billig.
„Warum interessiert Sie das?“
Er zwinkerte mit den Augen.
„Sie gehören aber nicht zum Stück?“, fragte Arnold vorsichtshalber.
„Wie bitte?“ Der Mann wollte sich schon wieder abwenden.
„Entschuldigung. Ein Vorfahr von mir war ein wenig in die Stadtgründung involviert. Das ist auch der Grund, warum ich heute zu der Veranstaltung gekommen bin. Alles, was mit der Stadtgründung zusammenhängt, interessiert mich.“
„Wie ist Ihr Name?“
„Lukas Arnold.“
Irrte sich Arnold oder zuckte der andere wirklich kurz zusammen, als er seinen Namen nannte?
Der Mann reichte ihm die Hand.
„Klaus Peter Händler.“
Arnold war nicht groß, knapp 1,80 Meter, aber er konnte Händler auf den Kopf gucken.
„Ich bin kein gebürtiger Karlsruher, ich stamme aus Bremen. Aber ich lebe seit zwanzig Jahren hier und beschäftige mich schon lange und intensiv mit der Stadtgeschichte.“
„Machen Sie das beruflich?“
„Nein. Ich bin Chemiker und arbeite am hiesigen Forschungszentrum, neuerdings KIT genannt.“
Händler sprach die drei Buchstaben englisch aus und übertrieb die Betonung ein wenig. Er zeigte ein schmallippiges Lächeln, das eher einem Verziehen der Mundwinkel glich.
„Sie können jedoch gewiss sein, ich habe mich der Stadtgeschichte mit der gleichen wissenschaftlichen Vorgehensweise genähert, die ich von meinem Beruf gewöhnt bin. Ganz im Gegensatz zu den Herren da.“
Er wies auf die Theatergesellschaft, die sich jetzt am Brunnen vor dem Rathaus versammelt hatte.
„Sagt Ihnen der Name Richtenfels etwas?“
Händler sah Arnold an.
Der verzog das Gesicht, als dächte er nach.
„Ja, irgendwie schon. Wer war das nochmal?“
„Johann Georg Förderer Edler von Richtenfels ist eine bedeutende Figur der Stadtgeschichte, wird aber beinahe totgeschwiegen. Er war ein Alchemist und Naturwissenschaftler, ist viel gereist, bis in die Türkei und wohl sogar nach Ägypten, war ein Freund des Markgrafen Karl Wilhelm und hat ihm wahrscheinlich den Gedanken der Stadtgründung wie auch den Grundriss dieser Stadt eingegeben. Kurz: All das hier ...“ Händler machte eine weit ausladende Geste mit den Armen, fast wie vorher Birkenmeyer, „ ... geht auf Richtenfels zurück. Seine Herkunft liegt im Dunkeln, sein Ende ebenso. Aber ich bin ihm auf der Spur.“
Arnold nickte.
„Ja, ich erinnere mich vage.“
Händler nickte ebenfalls. „Herr Arnold, wir müssen uns unterhalten, aber nicht hier. Ich kann Ihnen viel erzählen, auch über Ihre Familie, die beileibe nicht nur in die Stadtgründung involviert war. Das müsste Ihnen doch bekannt sein, oder?“
Arnold bejahte es.
„Kommen Sie zu mir nach Hause. Freitagabend, wäre Ihnen das recht?“
Der Stadtforscher griff in die Innentasche seines Jacketts und holte ein Portemonnaie hervor, aus dem er eine Visitenkarte zog.
„Hier ist meine Adresse. Ich wohne in Grötzingen, im alten Ortskern. Passt Ihnen 20 Uhr?“
„Ja.“
Tag und Zeit waren Arnold mehr oder weniger egal. Er hatte nicht