Das Geheimnis von Karlsruhe. Bernd Hettlage

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Das Geheimnis von Karlsruhe - Bernd Hettlage


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Arnold ging zurück zu der Gruppe um Birkenmeyer, die jetzt schon auf dem Weg zum Obelisken war. Die Menge hatte sich auf dem Bürgersteig vor dem Hotel Kaiserhof zu einer langen Schlange auseinandergezogen. Wieder meinte Arnold, ein Klicken wahrzunehmen, das jetzt sogar etwas stärker schien. Aber sie liefen ja nun auch auf Pflastersteinen. Trotzdem, ein seltsames Geräusch.

      Er blickte auf die Uhr am Rathausturm. Schon zwanzig vor elf. Mehr als anderthalb Stunden waren seit Beginn der Veranstaltung vergangen.

      Rund um den Obelisken sammelte man sich wieder. Das Monument, zu Ehren der badischen Verfassung in den 1820er-Jahren errichtet, wurde ebenfalls bei Nacht angestrahlt. Zwei grimmige Greife, die den Sockel auf beiden Seiten flankierten, schienen den Obelisk zu bewachen. Der Greif, ein Fabelwesen aus der Antike, halb Löwe und halb Adler, war seit jeher das Wappentier der badischen Markgrafen wie auch des heutigen Bundeslandes Baden-Württemberg.

      „Ein Obelisk stellte – genauso wie eine Pyramide – im alten Ägypten die zu Stein gewordenen Strahlen der Sonne dar“, erzählte Birkenmeyer. „Er galt als Verbindung zwischen der irdischen Welt und der Götterwelt. Ein Tor zum Himmel, wenn Sie so wollen.“

      Arnold hatte auf einmal keine Lust mehr, dem Regisseur noch weiter zuzuhören. Er ließ seinen Blick über die Gruppe schweifen, aber auch die Frau mit dem roten Schal war nirgendwo mehr zu entdecken. Er zuckte die Achseln und machte sich nachdenklich in Richtung Theater und Südstadt davon.

      II.

      Aus dem Tagebuch des Johann Christoph Arnold

      17. Juni 1715

      Heute wurde der Grundstein für die neue Residenz unseres Markgrafen im Hardtwald gelegt. Ich lernte dabei auch den Cammer-Procurator Richtenfels kennen, als dessen Assistent ich ab sofort abkommandiert bin. Ein seltsamer Mensch. An Bewunderern wie an Feinden scheint er keinen Mangel zu leiden. Was das wohl werden wird?

      Aber der Reihe nach.

      Es war ein garstiger Tag, Regen fiel schon vom Morgen an. In der Früh tagten sämtliche Hofgremien, auch das Geheime Kabinett, dessen Sitzung kein Ende nehmen wollte. Ich wartete mit den anderen Zimmermannsgesellen, Heinrich Batzler und Carl Adam, in der Hofzimmerei in Durlach. Wir hatten nicht viel zu tun, unser Meister, mein Herr Vater, war auswärts. Er hatte uns aufgetragen, aufzuräumen und sauber zu machen, was wir mehr oder weniger lustlos taten. Gegen Mittag saßen wir nur noch herum und verzehrten unser Vesper. Am frühen Nachmittag kam dann der Baumeister Schwartz an und forderte uns in seinem näselnden Hamburgerisch auf, sofort zur Baustelle in den Hardtwald aufzubrechen. Die Zeremonie der Grundsteinlegung finde in einer Stunde statt. Wir sollten uns beeilen. Keinesfalls dürfe auch nur eine Person nach dem Markgrafen erscheinen.

      Das war wieder typisch: Erst vergaß man uns fast, aber dann auf einmal sollten wir uns eilen, um irgendwo anwesend zu sein, wo uns wieder keiner brauchte und beachtete, es sei denn, wir wären nicht dort.

      Doch Schwartz war noch nicht fertig. Zu meiner Überraschung nahm er mich am Arm und zog mich von den anderen fort.

      „Ihr, junger Bursche, werdet unserem Cammer-Procurator, dem Förderer von Richtenfels, ab sofort zur Hand gehen. Er hat nach Euch verlangt, weil er Kunde von Eurem außerordentlichen Zeichentalent erlangt hat. Das ist die Chance, auf die Ihr doch gewartet habt, Arnold, oder?“

      Schwartz sah mich abschätzig an.

      „Ihr wollt doch auch einmal Baumeister werden, nicht wahr? Nun zeigt dem Herrn Cammer-Procurator, was Ihr könnt. Er wird mit Euch wohl nicht weniger gestreng als mit den Herren Geheimen Räten umgehen.“

      Er lächelte böse und entließ mich mit einem barschen Wink.

      Mir ist bekannt, was sie bei Hofe reden: „Der Sohn des Hofzimmermeisters will Baumeister werden. Ridicule!“

      Aber ich weiß, daß ich mehr Talent als die Assistenten des Baumeisters Schwartz habe. Und es wird ja wohl nicht von ungefähr kommen, daß der Markgraf sämtliche Planungen an der neuen Residenz dem neuen Cammer-Procurator überlassen hat und nicht dem Baumeister Schwartz und dem Ingenieur von Bazendorff. Und Richtenfels bestellt mich als seinen Assistenten. Ich kann nicht verleugnen, daß das mein Herz höher schlagen ließ.

      Heinrich schlug mir von hinten derb auf die Schulter, so daß ich zusammenzuckte.

      „Na, demnächst wirst du wohl kein Bier mehr mit uns trinken gehen, Euer Hochwohlgeboren.“

      Er feixte.

      „Hör doch auf“, gab ich zurück.

      Im Hardtwald haben die fremden Arbeiter schon eine große Lichtung gerodet, wo die Residenz entstehen soll. Wir Handwerker vom Hofe haben ja nicht viel zu tun dabei. Als Richtenfels dem Markgrafen seine Pläne vorgelegt und der sie genehmigt hatte, erschien schon wenige Wochen darauf ein ganzer Troß von Bauhandwerkern aus dem fernen Südosten. Manche sagen sogar, es seien in der Mehrheit Osmanen. Auch einige Neger sind dabei, Ägypter, heißt es, die Kulten anhängen, die ebenso dunkel wie ihre Hautfarbe sind, und noch mehr Fremde.

      Richtenfels ist wohl auch in diesen Ländern gewesen. Unser Landesvater, so wird gemunkelt, ebenso. Und daß die beiden sich dort kennengelernt hätten, ja daß sie sogar entfernt miteinander verwandt seien und deshalb der Markgraf dem Cammer-Procurator alle Amtsgeschäfte anvertraut habe.

      „All unsere Berichte müssen wir ihm vorlegen“, habe ich den Geheimrat Stadelmann letzte Woche im Pferdestall mit einer Stimme voller Haß zum Hofkammerrat Müller sagen hören. „Und er versieht sie dann mit Kommentaren, bevor er sie dem Markgrafen vorlegt.“

      Müller ließ nur ein verächtliches Schnauben hören. Vielleicht war das aber auch eins der Pferde gewesen. Ich konnte es ja nicht sehen, weil ich nebenan im Alkoven kauerte, wo die Sättel und das Zaumzeug aufbewahrt werden. Schweiß rann mir übers Gesicht und unter dem Hemd den Rücken hinab. Draußen war ein heißer Sommertag und hier drinnen war die Luft schwül und stickig. Fliegen plagten mich. Dicke Bremsen setzten sich auf meinen Kopf, gierig nach meinem Blut. Widerlich! Außerdem sind ihre Stiche höchst schmerzhaft. Ich wedelte in einem fort mit den Händen, um sie zu verscheuchen, und mußte dabei doch aufpassen, keinen Lärm zu machen.

      Hoffentlich, so dachte ich, kommen die beiden Herren nicht herein. Ich hatte schon zu viel mit angehört, um jetzt noch so ohne weiteres vor ihnen auftauchen zu können. Und einen anderen Ausgang als den durch den Stall gab es nicht.

      „Mein Schreiber hat zwischen zwei Absätzen einen schwungvollen Federstrich eingefügt, wie er es immer macht“, sagte Stadelmann. „Und wißt Ihr, was Richtenfels dazu an den Rand geschrieben hat?“

      Der Hofkammerrat schwieg.

      „Wozu dient diese unbestellte Kunst-Mahlerey?“ Stadelmann wurde laut. „Das muß man sich einmal vorstellen. Unbestellte Kunst-Mahlerey. So eine Frechheit! Was bildet sich dieser Mensch nur ein?“

      „Aber was sollen wir tun?“, antwortete Müller jetzt endlich in einem raunenden Ton, als wollte er Stadelmann anhalten, ebenfalls etwas leiser zu sprechen. „Der Markgraf vertraut ihm völlig. Er hat ihm ja nicht nur alle finanziellen Angelegenheiten in die Hände gegeben. Auch die Idee zu dieser unseligen Residenz hat ihm erst der Cammer-Procurator eingegeben. Was glauben Sie, Stadelmann, was die Markgräfin dazu sagt?“

      „Der wird es doch egal sein, wo Carl Wilhelm sich mit seinen Tänzerinnen amüsiert. Ob in einem Jagdschloß im Hardtwald oder in einer neuen Residenz.“

      Der Geheimrat lachte anzüglich.

      „Sie wird nicht dorthin mitgehen“, sagte Müller.

      „Ich weiß“, erwiderte Stadelmann. „Und was das Ganze kosten wird! Wir müssen ihn stoppen.“

      „Wen, den Markgrafen?“

      „Nein, Richtenfels natürlich!“, gab Stadelmann unwirsch zurück.

      „Aber wie?“

      „Ich bin schon dabei, mir mit den Herren von Loewencron und von Bazendorff etwas auszudenken. Der gute Herr Cammer-Procurator wird sich noch umschauen. Ich bin sicher, am Ende wird man ihn


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