Kranichtod. Thomas L. Viernau

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Kranichtod - Thomas L. Viernau


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sofort aufgefallen. So ein Überflieger war selten anzutreffen und schon gar nicht bei den Leuten vom Fiskus.

      Die beiden waren auf dem Weg zum Steuerberatungsbüro »Knurrhahn & Partner«, die hier in einem modernen Glaspalast, direkt an der Havel residierten wie moderne Könige.

      Gestern hatte Linthdorf in Potsdam den ganzen Tag mit Nachforschungen über die drei Firmen der Herren Müller, Schulze und Meier verbracht. Er hatte ein weitverzweigtes Netzwerk an Firmen entdeckt, die in ganz Europa tätig zu sein schienen. Verbindungen zu Firmen in Liechtenstein, Bremen, Düsseldorf, Wien, Sankt Petersburg, Luxemburg, Mailand, Stockholm und Malta konnte er nachweisen und zahlreiche Bankverbindungen hatte er ebenfalls ermittelt.

      Ominös blieben die Tätigkeitsfelder dieser Firmen. Meist stand da etwas über Grundstücksmakelei, Projektentwickung im suburbanen Raum, Vermittlung, Beratung, Consulting – alles nicht direkt nachvollziehbar in seiner wirtschaftlichen Entwicklung. Die Summen, die hier im Spiel waren, erschienen Linthdorf exorbitant hoch. Konnten so ein paar Leute mit solchen Vermögen spielen?

      Linthdorf hatte sich gestern mit dem Computerspezialisten unterhalten über die Aktivitäten von Müller-Schulze-Meier. Der Mann hatte ihn lächelnd angesehen und eine etwas eigenartige Bemerkung gemacht, was die Häufigkeit der drei Namen anging. Linthdorf war sich in diesem Moment sicher, dass da etwas nicht stimmen konnte. Zu offensichtlich waren diese drei Namen gewählt worden. Der Computermensch hatte zig Millionen Trefferanzeigen bei der Eingabe bekommen.

      Natürlich, man konnte diese Anzeigen eingrenzen. Immerhin hatte er ja auch die Adressen und andere wichtige Eckdaten. Trotzdem verblieb noch eine Unmenge an Daten, die gesichtet und hinsichtlich ihrer Aussagekraft geprüft und als relevant zugeordnet werden mussten. Doch dafür war ja dieser Experte da. Linthdorf gab ihm noch ein paar Informationen, die er am Montag bereits in Oranienburg herausgefunden hatte. Am Nachmittag traf er sich noch mit den Teamleitern um einen ersten Überblick zu bekommen, was die anderen bereits angeschoben hatten.

      Außerdem freute er sich darauf, Louise Elverdink wieder zu sehen. Was die anderen berichteten, war alles in allem nicht erwähnenswert. Bisher hatten sie damit zu tun, Kompetenzbereiche abzustecken und so etwas wie Systematik in die Arbeit hineinzubringen. Bei einer Tasse Kaffee kam er endlich dazu, ein paar persönliche Worte mit der Brandenburger Ermittlerin zu wechseln.

      Sie berichtete ihm über einen Besuch bei Stahlmanns Witwe und über die Renovierung des »Alten Fährhauses“ in Plaue.Sie war im Sommer mit ihrem Sohn an der Küste gewesen, zwar nur vierzehn Tage, aber es war lang genug, um die Ereignisse des letzten Winters endlich ad acta legen zu können. Dreimal hatte sie auch Griseldis Blofink besucht. Die war nach der wilden Verfolgungsjagd am

      Finowkanal traumatisiert und musste sich in ärztliche Betreuung begeben. Inzwischen sei sie aber wieder recht gut beieinander. Dank der Vermittlung von Dr. Haberer war sie aufs Land gezogen und arbeitete jetzt als Buchhalterin bei einem landeseigenen Kulturprojekt.

      Linthdorf nickte und atmete tief durch. Immerhin hatte er ja einen großen Anteil an dieser ganzen dramatischen Entwicklung gehabt und war bis vor kurzem noch damit beschäftigt, die ganze Angelegenheit selber zu verarbeiten.

      Dann nahm er all seinen Mut zusammen und fragte die ihn etwas ratlos anschauende Frau, ob sie es sich vorstellen könne, einmal abends mit ihm hier in Potsdam essen zu gehen. Er kenne ja schließlich die Stadt ziemlich gut und überhaupt, er würde sich freuen, sie auch mal außerdienstlich zu sprechen.

      Louise war einen Moment lang irritiert. Hatte der Riese sie da allen Ernstes soeben eingeladen?

      So etwas war ihr schon lange nicht mehr passiert. Sie hatte sich aber sofort wieder unter Kontrolle, nur ein flüchtiges Lächeln deutete an, dass sie sich darüber freute.

      Nach endlosen Sekunden, die für Linthdorf verstrichen wie Stunden, antwortete sie kurz und bündig: »Ja, warum nicht? Aber bitte kein Thai-Restaurant. Das ist mir zu scharf.«

      Linthdorf schluckte. »Nein, nein, keine Sorge. Ich dachte da eher an etwas Unspektakuläres. Lassen Sie sich überraschen. Nach Dienstschluss hole ich Sie hier ab.«

      Louise nahm ihre Brille ab und schaute den großen Mann ihr gegenüber an, als ob sie ihn soeben das erste Mal sah.

      Linthdorf reagierte leicht verunsichert. »Sie sind hier in Potsdam untergebracht? Oder fahren Sie abends noch nach Brandenburg?«

      Louise schüttelte den Kopf. »Diese Woche bin ich hier. Ab nächsten Montag dann in meiner Dienststelle in Brandenburg. Von da kann ich die Ermittlungen im Havelland besser koordinieren und auf unser eigenes Netzwerk zurückgreifen. Die anderen Teams wollen es übrigens ähnlich machen. Und immer freitags kommen wir hierher nach Potsdam zum Rapport.«

      Linthdorf nickte. Natürlich, man hatte sich gestern auf diesen Modus geeinigt. Er hoffte, dass die Teams es bereits in den ersten Tagen schafften, die Spreu vom Weizen zu trennen und die weiteren vertiefenden Ermittlungen jeweils vor Ort in den Einsatzgebieten vorzunehmen.

      Ja, und das war es dann auch schon mit dem Gedanken an ein Rendezvous mit Louise Elverdink. Ein Telefonat von Dr. Nägelein machte alles zunichte. Er wollte Linthdorf dringend am Abend sprechen. Wichtige Informationen machten es erforderlich, dass er bei einem Treffen mit Dr. Knipphase anwesend war.

      Seine gesamte Wochenplanung war nach diesem Treffen durcheinander. Linthdorf rief spätabends noch Aldo Colli an und verabredete sich mit ihm für den nächsten Morgen.

      Das Steuerberatungsbüro »Dr. Knurrhahn & Partner« war kein Unbekannter im Zentralspeicher der Steuerfahndung. Ein Klick ließ eine lange Reihe von Verfehlungen, Steuerdelikten von Klienten des Büros und hart am Rande zur Kriminalität befindlichen Winkelzügen auf dem Monitor aufleuchten.

      In Charlottenburg hatten »Knurrhahn & Partner« lange Zeit in bester Lage ein großes Büro. Dann musste das Büro seine Tätigkeit einstellen aufgrund einer unglücklichen Insolvenz des größten Kunden von »Knurrhahn & Partner«. Die teuren Räumlichkeiten konnte sich die Firma nicht mehr leisten. Auch den größten Teil der Mitarbeiter mussten die beiden Geschäftsführer, Werner Knurrhahn und Klaus Brackwald, entlassen. Danach war das Büro vom Berliner Markt verschwunden.

      Tja, und plötzlich tauchten die Steuerberater wieder auf. Ganz unschuldig und mit gutem Leumund hatten sie sich im benachbarten Oranienburg ein neues Betätigungsfeld geschaffen. Auf dem großen Schild gleich neben der Eingangstür standen unter dem etwas größer geschriebenen Firmennamen »Knurrhahn & Partner Co. GmbH« die für ökonomisch denkende Leute wohlklingenden Worte Finanzoptimierung, Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Unternehmensplanung und Geschäftsvermittlung.

      Linthdorf lächelte süffisant beim Studieren des Schildes. Sein Begleiter Colli rümpfte die Nase und murmelte etwas von provinziellen Stümpern, die im Nebel stochern um einen dicken Fisch an die Leine zu bekommen. Linthdorf schaute etwas irritiert auf seinen jüngeren Kollegen, grübelte einen Moment, ob er damit gemeint war, der da im Nebel stochere oder ob es eine Anspielung auf die Methoden der hier ansässigen Geldoptimierer sein sollte.

      In dem Glaspalast bewegten sich jung dynamische Schlipsträger und schlank gehungerte Dämchen in perfekt sitzenden Kostümen sehr schnell hin und her, als ob eine unsichtbare Feder unter ihrer gestylten Oberfläche sie am Laufen halten würde. Telefone schrillten im Sekundentakt. Es roch nach etwas undefinierbar Sauberem.

      Erstaunlicherweise waren auf der gut dämmenden Auslegware keine Schritte zu hören. Lautlos bewegten sich der Ermittler und sein smarter Begleiter durch das Gebäude. Sie waren auf der Suche nach dem Raum mit dem Namensschild »Knurrhahn«.

      Am Eingang hatte eine unnatürlich freundliche Mitarbeiterin ihnen den Weg gewiesen. Mit einer hohen, quieksenden Stimme und einem künstlichen Lächeln wie aus der Joghurtwerbung textete sie die beiden Beamten mit einem Redeschwall voll. Dabei klickerten ihre Augenlider ohne Unterlass auf und ab. Linthdorf musste sich abwenden um nicht nervös zu werden, Colli hingegen zeigte keinerlei Regung, starrte der Barbiepuppe direkt ins Gesicht und nickte dauernd.

      Endlich, aus dem etwas unterkühltem Ambiente drang ein joviales »Kommen se mang ruhig rein!«

      Knurrhahn


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