Arkadiertod. Thomas L. Viernau

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Arkadiertod - Thomas L. Viernau


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die Reste des Preußischen Kabinetts und dessen Oberhaupt, König Friedrich Wilhelm III., die hier tagten.

      Einziger Tagesordnungspunkt war ein möglicher Waffenstillstand mit den Franzosen.

      Hardenberg, der hochgewachsene, elegante Mann an der Spitze des Kabinetts, wies darauf hin, dass es im Moment sehr schwierig sei, überhaupt nur ein paar der grundlegendsten Forderungen durchsetzen zu können. Da waren vor allem die Schicksale der vielen gefangenen preußischen Offiziere und Soldaten und das Verhindern von Plünderungen seitens der Franzosen.

      Der König lauschte seinem Staatsminister ohne eine Regung zu zeigen. Letztlich hinge alles von der Rolle Russlands ab. Vorausgesetzt, dass der Zar zu seiner Bündnistreue stehe, wären die Chancen für einen halbwegs respektablen Waffenstillstand nicht ganz so schlecht. Man solle also unbedingt einen Kurier nach Petersburg schicken, um sich der Hilfe des Zaren zu versichern.

      Eine Diskussion entbrannte, welche Schritte die dringlichsten seien. Ob es überhaupt Sinn machen würde, Napoleon einen Waffenstillstand anzubieten, da dieser doch keinerlei Vorteile von einer solchen Vereinbarung habe. Schließlich sitze er in Berlin und kontrolliere den größten Teil des Königreichs.

      In einem Zimmer über dem zum Versammlungsraum umfunktionierten Gastraum saßen die Königin Luise und ihre beiden Kammerjungfern. Sie spürten, dass es hier um Wichtiges ging. Luises Unwohlsein, das der Leibarzt Hufeland als Nervenfieber bezeichnete, hatte dazu geführt, das die Königin den ganzen Tag im Bett verbrachte.

      Zwei Mal war schon ihr Mann zu ihr gekommen. Er berichtete ihr kurz über die Versammlung, schien aber wenig Zuversicht zu haben. In seinem kurzen, etwas lapidaren Sprachstil klang das Ganze noch viel deprimierender.

      Luise hatte in einer schlaflosen Nacht in den fiebrigen Phasen immer wieder ein und dasselbe Bild vor ihrem inneren Auge gehabt. Ein toter Napoleon!

      Wenn er tot wäre, dann wäre die gesamte Armee der Franzosen ohne Kopf und damit leicht zu schlagen. Nur die geniale Feldherrnstrategie des Korsen hätte doch letztendlich die vielen Siege zu verantworten. Die meisten Schlachten gingen allein durch seine Anwesenheit verloren. Die Gegner schienen wie von einem Fluch belegt zu sein. Napoleon galt als unbezwingbar.

      Der König sah auf seine kranke Frau im Bett, nickte nur und bemerkte kurz, dass es unmöglich sei, überhaupt nur in die Nähe des Franzosenkaisers zu gelangen. So schön die Idee auch sei, aber leider undurchführbar.

      Am Abend erreichte eine Depesche mit einem persönlichen Brief des Zaren Alexander I. den König. In dem Brief versicherte der Zar seinem Bündnispartner und Freund König Friedrich Wilhelm III. seine immerwährende Treue und Beistand.

      Eine gewisse Welle der Erleichterung ging daraufhin durch die versammelten Männer. Noch war Preußen nicht verloren!

       Luise … ist eine Frau mit hübschen Zügen, aber wenig Geist… Schrecklich muss sie von den Gewissensbissen geplagt werden wegen der Leiden, die sie über ihr Land gebracht hat.

      

       Napoleon Bonaparte in einem Brief an seine Frau Josephine, 1806

      III

      Osterode bei Königsberg in Ostpreußen

      Mittwoch, 5. November 1806

      Die Königin hatte sich von ihrem Nervenfieber etwas erholt. Hufeland gestattete ihr bereits ein paar Erholungsspaziergänge an frischer Luft. Sie war nicht mehr bettlägerig und dinierte wieder mit ihrem Mann.

      Der neblige Novembertag bot allerdings nicht viel an Abwechslung. Ein Spaziergang durch die kleine Innenstadt von Osterrode war kurz und unergiebig. Die Fassaden der Häuser waren nur als dunkle Schatten zu erahnen und das holprige Pflaster erwies sich als überaus störend für die feinen Schuhe der Königin.

      Ihre Begleiterin zur Rechten, die Gräfin Julie von Voß, eine ältere Hofdame, die der Königin schon seit Jahren zugetan war und sie hilfreich in ihrer Prinzessinnenzeit beraten hatte, war ebenfalls nicht sehr begeistert von diesem tristen Spaziergang. Schon nach einer halben Stunde hatten sie es aufgegeben, die Stadt zu erkunden.

      Erleichtert nahmen es ihre anderen Begleiterinnen zur Kenntnis, schließlich erging es ihnen ebenso.

      Wieder im »Schwarzen Adler« angekommen, sah Luise den Staatskanzler von Hardenberg im Gespräch mit dem ebenfalls hochgewachsenen Major von dem Knesebeck. Beide schienen vertieft in ihr Gespräch zu sein und bemerkten die Ankunft der Königin erst, als sie direkt vor ihnen stand.

      »Majestät, Sie belieben zu scherzen und uns überraschen zu wollen.«

      Elegant hatte Hardenberg den Fauxpas überspielt und die offensichtliche Nichtbeachtung der Königin als einen gelungenen Scherz deklariert.

      Luise war sichtlich beeindruckt von dieser Option. Ihr momentanes Gekränktsein war verschwunden und sie wandte sich wohlwollend Hardenberg und dessen Gesprächspartner zu.

      »Nun, die Herren sind offensichtlich sehr vertieft in ihr Gespräch. Da will ich denn auch nicht weiter stören.«

      »Aber Majestät«, Knesebeck meldete sich zu Wort, »Majestät stören niemals!«

      »Danke, Herr Major. Freut mich, dass ich nicht störe. Vielleicht kann ich die beiden Herren ja zu einer Tasse Chocolate einladen?« Mit einer Handbewegung hatte sie ihre Kammerzofe bereits Order erteilt, sich um das köstliche Getränk zu kümmern.

      »Setzen wir uns doch«, damit lud sie die beiden Herren an einen großen Tisch direkt am Fenster mit Blick zum Markt. Auch die Gräfin von Voß, immerhin Oberhofmeisterin und Trägerin des Schwarzen-Adler-Ordens war bei dieser kleinen Runde mit dabei.

      Einen winzigen Moment herrschte ein höfliches Schweigen. Die Chocolate wurde serviert und alle nippten kurz an dem Getränk.

      Dann fuhr die Königin fort. »Mein lieber Hardenberg, Sie wissen ja, was es im Moment für eine Malaise mit unserem Königreich ist. Sonst würden wir wohl nicht hier sitzen. Nun ja, ich habe da so eine Idee, mit der bin ich nun schon seit einigen Tagen in meinem Kopf unterwegs.«

      Hardenberg und auch Knesebeck schauten gespannt auf Luise. Nur die Gräfin von Voß blickte etwas gelangweilt aus dem Fenster. Sie kannte die skurrilen Ideen ihrer Königin zur Genüge. Oft genug hatten sie und ihre ebenfalls quirlige Schwester Friederike die Geduld der Gräfin strapaziert mit ihrem Gekichere und dem dauernden Schabernack. Für die Gräfin von Voß war Luise ein liebenswürdiges, aber dennoch etwas oberflächliches, eitles Wesen.

      Die große Politik sei einfach eine Nummer zu groß für die Königin. Soll sie sich doch mehr um die Erziehung ihrer Kinder kümmern und das Intrigieren und Manövrieren den Leuten überlassen, die davon etwas verstehen.

      Hardenberg schien jedenfalls von seiner Königin recht angetan zu sein. Zumal sein Neffe Friedrich, der unter dem eigenartigen Pseudonym Novalis in Berlin bekannt geworden war, eine große Lobeshymne über Luise verfasst hatte, die auch bei Hofe bekannt war.

      Was der Major dachte, wusste die Gräfin nicht. War er ein Vertrauter von Hardenberg? Wieso waren Hardenberg und Knesebeck so oft zusammen? Gab es da vielleicht schon so etwas wie einen Plan?

      War es unvorsichtig von der Königin, sich mit den beiden Herren zu unterhalten? Was ging in diesem schönen Köpfchen gerade vor sich?

      Eigentlich war Luise bisher nicht gerade durch geistreiche Ideen aufgefallen. Ihr Temperament hatte es stets geschafft, sich gegen ihren Geist durchzusetzen. Sie liebte glänzende Bälle, schöne Kleider, die Gärten und Parks und mochte Scherze und nette Bonmots. Aber doch nichts mit Tiefgang oder einer gewissen Ernsthaftigkeit.

      Jedenfalls saß sie nun hier und schien mit Hardenberg und Knesebeck etwas wirklich Wichtiges erörtern zu wollen.

      Dann traute die Voß ihren Ohren nicht, was sie aus Luisens Munde zu hören bekam.

      Was wäre, wenn der Franzosenkaiser einem Attentat zum Opfer fiele? Würde das die Situation nicht grundlegend verändern? Ganz Frankreich stehe und falle doch mit diesem


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