Arkadiertod. Thomas L. Viernau
Читать онлайн книгу.noch ein paar beherzte Männer geben, die so etwas zuwege brächten.
Stille herrschte im Raum. Sowohl Hardenberg als auch Knesebeck schauten sich an und wechselten vielsagende Blicke mit der Gräfin von Voß.
War das eine ernst zu nehmende Option?
Wenn ja, würde sie überhaupt durchführbar sein?
Und wenn sie durchführbar wäre, wer käme dafür in Betracht, sie erfolgreich zu Ende zu bringen?
Knesebeck räusperte sich. In Berlin jemanden zu finden, der in der Nähe Napoleons weilte und einen tödlichen Schuss auf ihn abzugeben, sei außerordentlich schwierig. Alle fähigen Offiziere wären entweder gefallen oder in Gefangenschaft. Das restliche Offizierskorps sei mit auf der Flucht und im Moment verfüge man einfach nicht über Leute, die genügend Herz und kühlen Kopf hätten, um so ein Vorhaben umzusetzen.
Hardenberg schien bei der Idee weniger pessimistisch zu sein. Auch er habe so etwas bereits in Erwägung gezogen. Allerdings habe er es aus demselben Grunde, wie Knesebeck erörtert habe, auch wieder verworfen. Dennoch, er glaube da gäbe es noch einen kleinen Hoffnungsschimmer. Morgen erwarte er die Ankunft seines Geheimen Kuriers aus Berlin. Ein ausgesprochen zuverlässiger Mann, der über recht brauchbare Kontakte verfüge und ihn stets auf dem Laufenden halte, was in der Residenz gerade so vor sich gehe.
Luise horchte gespannt auf Hardenbergs Ausführungen. Wer das denn sei, vielleicht kenne sie ihn ja auch?
Hardenberg schüttelte nur den Kopf. Im Interesse der Sicherheit des Kuriers und natürlich auch im Interesse des Königshauses wäre es ausgesprochen unratsam, zu viele Details eines solchen Plans zu wissen. Zum einen könne das Attentat ja auch schiefgehen und es wäre nicht auszudenken, wenn dann eine Verbindung der Attentäter zum Königshaus aufgedeckt würde. Es gezieme sich einfach nicht für das Haus Hohenzollern zu solchen Mitteln zu greifen. Darüber sei man sich wohl einig, dass eine solche Aktion die Auslöschung der Dynastie nach sich zöge und dass Napoleon da wohl kein Pardon mehr kennen würde.
Luise nickte. Was hier besprochen würde, bliebe in diesem kleinen Rahmen, nicht mal der König dürfe davon erfahren.
Dann wechselte die Königin abrupt das Thema und unterhielt sich mit Hardenberg über dessen leider viel zu früh verstorbenen Neffen, der einer von Luises Lieblingsautoren war.
Getrost das Leben schreitet
Zum ew’gen Leben hin;
Von innrer Glut geweitet
Verklärt sich unser Sinn.
Die Sternwelt wird zerfließen
Zum goldnen Lebenswein,
wir werden sie genießen
und lichte Sterne sein.
Novalis, aus »Hymnen an die Nacht«
IV
Liebemühl bei Osterode in Ostpreußen
Donnerstag, 6. November 1806
Das kleine Städtchen Liebemühl lag im dichten Nebel verborgen, der vom Eylingsee heraufgezogen war und wie ein dichtes weißes Tuch alles unter sich verbarg. Der Prinzenwald, ein dunkler Tannenforst, der sich um das Städtchen zog, war vom Nebel verschont geblieben. Von weitem konnte ein zufälliger Besucher denken, dass Liebemühl verschwunden sei. Da, wo es eigentlich sein sollte, war ein weißes Nichts.
Bogislav von Hummel ritt durch den Prinzenwald und hielt Ausschau. Er war es gewohnt, dass er nicht immer auf Anhieb die vereinbarten Orte fand, die er als Treffpunkte genannt bekam. In den letzten Wochen war von Hummel fast nur unterwegs zwischen Berlin und den diversen Orten der Flucht des königlichen Kabinetts. Seine Falten auf der Stirn waren noch tiefer geworden seit der Niederlage der preußischen Armeen. Er hatte genug gesehen, um von der Hoffnungslosigkeit seines gegenwärtigen Tuns überzeugt zu sein.
Aber Bogislav von Hummel war kein Mann, der so schnell aufgab. Seit über zehn Jahren war er schon im Dienste des Königs und hatte sich in vielerlei brenzligen Situationen bewährt.
Er war mit dabei, als der junge König mit der Cliquenwirtschaft seines Vorgängers aufräumte und die bis dato uneingeschränkt herrschenden Minister von Bischoffswerder und von Woellner in Ungnade davonjagte. Er hatte ebenfalls bei dem Prozess gegen die verruchte Maitresse des Vaters von Friedrich-Wilhelm, die Gräfin von Lichtenau, wichtige Beweise sichern können, die ihre Position bei Hofe zu Fall gebracht hatten.
Und er war zugegen, als Prinz Louis Ferdinand fiel. Er berichtete dem Königspaar über den Tod des Generals, der ein besonderer Freund Luises und ein Vertrauter des Königs gewesen war. Auf ihm ruhten die Hoffnungen Preußens. Er sollte den Eroberer Napoleon stoppen, ja vielleicht sogar in die Flucht schlagen. Doch schon im allerersten Gefecht fiel der Prinz.
Bogislav von Hummel war dabei. Er konnte es nicht verhindern.
Der Prinz floh vor einer Übermacht französischer Husaren. Als sein Pferd strauchelte, hatte ein hitzköpfiger Franzose, vielleicht ein Leutnant, so genau kannte sich Hummel nicht mit den Dienstgraden der Franzosen aus, ihm nachgesetzt und dem Prinzen mit seinem Säbel einen Schlag auf den Hinterkopf versetzt. Der Prinz stürzte und drei oder vier Franzosen stürzten sich auf ihn und bohrten ihre Degen in seine Brust.
Dann rissen sie ihm die Schulterstücke von der Uniform, stritten sich noch, wer welche Beutestücke bekommen sollte und brüsteten sich mit ihrer schändlichen Tat. Ohnmächtig musste von Hummel dieses Trauerspiel beobachten. Jede Hilfe wäre einem Selbstmord gleichgekommen. Es waren einfach zu viele Franzosen.
Seit diesem Tag war eine Wut in ihm, die er nur schwer unterdrücken konnte. Er hatte sich Rache geschworen für dieses schändliche Niedermetzeln seines Prinzen. Daher nahm er auch jede Schwierigkeit auf sich, um etwas zu tun gegen die verhassten Invasoren. Diese beschwerlichen Kurierdienste waren das Mindeste, was er machen konnte.
In Liebemühl sollte er auf den Vertrauten von Hardenbergs treffen, der ihm neue Orders geben würde und dem er die wichtigen Briefe mit den Informationen aus Berlin auszuhändigen hatte.
Es waren nur noch ein paar Meilen bis er endlich in Liebemühl eintreffen sollte.
Dort hatte bereits Major von dem Knesebeck Stellung bezogen. Er war Hardenbergs Vertrauter und kümmerte sich um alles, was man vage als Geheime Angelegenheiten umreißen konnte.
Knesebeck kannte von Hummel bereits seit geraumer Zeit. Er schätzte die Dienste dieses stillen und unauffälligen Mannes sehr. Hummel war stets loyal und erwies sich als überaus trickreich, wenn es darum ging, ein Ziel zu verfolgen, das nicht so leicht zu erreichen war. Böse Zungen behaupteten, dass Hummel ein Spion sei und daher nicht in einem Atemzug mit den ehrbaren Offizieren genannt werden dürfe. Aber Knesebeck machte sich aus diesen Gerüchten nichts und verkehrte mit Hummel ausgesprochen vertraulich.
Er blickte zu der kleinen Kirchturmuhr, konnte aber im dichten Nebel nichts erkennen. Vereinbart war der späte Nachmittag. Nun ja, es gab viele Dinge, die eine Verspätung des Kuriers entschuldigen würden. Aber bisher hatte von Hummel stets pünktlich die vereinbarten Treffpunkte erreicht.
Die Dämmerung setzte schon ein, als endlich der Hummels schwarze Rappe in Liebemühl zu hören war. Knesebeck lauschte erleichtert in den Nebel. Ein dunkler Schatten zeichnete sich ab. Der Zweispitz von Hummels war Knesebeck vertraut. Mit einem kurzen Nicken begrüßte er seinen Verbindungsmann.
Bogislav von Hummel berichtete knapp und sachlich über die Situation in Berlin. Er erzählte, dass Napoleon die Quadriga vom Brandenburger Tor abmontieren wollte, um sie nach Paris zu schicken. Als Beute, für seine neue Sammlung!
Das Sagen habe jetzt ein von ihm eingesetzter Verwaltungsausschuss, das »Comité administratif«, darinnen auch Berliner Bürger,