Kommentar zum Briefe des Heiligen Paulus an die Römer. Johannes Chrysostomos

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Kommentar zum Briefe des Heiligen Paulus an die Römer - Johannes Chrysostomos


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der Propheten. Er führt Habakuk an, der uns zuruft, wer da leben wolle, könne dies nicht anders als durch den Glauben. Denn „der Gerechte“, sagt er, „wird leben aus dem Glauben“; er meint das zukünftige Leben im Jenseits. Da die Gnadengeschenke Gottes alle unsere Begriffe übersteigen, bedürfen wir freilich dazu des Glaubens 56. Aber der stolze und eingebildete Mensch, der Dünkelhafte wird niemals dazu gelangen. Die Ketzer sollen nur auf die Stimme des Geistes hören. Das Um und Auf ihrer kunstgerechten Schlüsse ist das: Sie gleichen Irrgängen und Rätseln, sie haben nirgends einen Ausgang, sie bieten dem Denken keinen festen Untergrund und haben ihren Ursprung im Dünkel. Den Glauben mögen solche Weltweise nicht annehmen, damit sie sich nicht den Anschein geben, als hätten sie kein Wissen von himmlischen Dingen, und dabei verlieren sie sich in tausenderlei Vernünfteleien. Du Armer, Unglücklicher und tausendmal Beweinenswerter! Wenn dich jemand fragt, wie Himmel und Erde geworden sind — doch was sag’ ich Himmel und Erde —, wie du selbst geworden bist, wie du aufgewachsen und groß geworden bist, da schämst du dich nicht, nichts darüber zu wissen? Wenn aber vom Eingeborenen die Rede ist, stürzest du dich in den Abgrund des Verderbens, bloß deswegen, weil es deiner unwürdig zu sein scheint, nicht alles über ihn zu wissen. Unwürdig ist vielmehr deine Disputiersucht, deine unangebrachte Wißbegierde. Doch was spreche ich von übersinnlichen Lehren? Auch von den Übeln des irdischen Lebens werden wir nicht anders befreit als durch den Glauben. Dadurch leuchteten alle jene Männer der Vorzeit hervor, ein Abraham, ein Isaak, ein Jakob. Dadurch ist auch die Hure gerettet worden, die im Alten und die im Neuen Testamente. „Durch den Glauben“, heißt es, „ging Rahab, die Hure, nicht zugrunde zugleich mit den Ungläubigen, da sie die Kundschafter aufgenommen hatte“ 57. Sie sprach nicht etwa bei sich selbst: Wie können diese der Gefangenschaft eben Entronnenen, diese herumziehenden Nomaden uns besiegen, die wir im Besitz einer Stadt mit Mauern und Türmen sind? Hätte sie so bei sich gesprochen, so hätte sie sich selbst und jene andern ins Verderben gestürzt, ein Schicksal, welches die Voreltern derer erlitten hatten, die damals durch sie gerettet wurden. Denn jene hatten, als sie riesenhaft große Männer erblickten, ungläubig gefragt, wie es möglich sein werde, diese zu besiegen, und sie kamen dafür um ohne Krieg und ohne Schlacht. Siehst du daraus, was für ein Abgrund der Unglaube und was für eine Schutzwehr der Glaube ist? Jener hat Hunderttausende ins Verderben gestürzt, dieser hat ein Hurenweib nicht bloß selbst gerettet, sondern auch zur Retterin eines großen Volkes gemacht.

      Da wir nun dieses und noch mehr als dieses wissen, so laßt uns niemals von Gott Rechenschaft verlangen für das, was er geschehen läßt, sondern annehmen, was immer er anordnet. Laßt uns auch dann nicht herumklügeln und viel hin und her überlegen, wenn sein Befehl dem menschlichen Denken nicht am Platz zu sein scheint. Was scheint weniger am Platz zu sein, als daß ein Vater seinen einzigen rechtbürtigen Sohn schlachten soll? Und doch klügelte der Gerechte, dem dies befohlen wurde, nicht an dem Befehl herum, sondern nahm ihn an im Vertrauen auf die hohe Würde dessen, der ihn gegeben hatte, und gehorchte ihm. Ein andermal ward einem von Gott befohlen, einen Propheten zu schlagen. Weil es ihm vorkam, als sei so etwas nicht am Platze, klügelte er daran herum, anstatt einfach zu gehorchen, und erlitt dafür die schwerste Strafe 58, der andere aber, der ihn schlug, machte sich Gott gefällig. Und Saul, der dem Willen Gottes entgegen Menschen das Leben rettete, kam um den Thron und erlitt unerträgliches Leid. So ließen sich noch mehr Beispiele auffinden, die alle die Lehre enthalten, daß man bei den Anordnungen Gottes nicht nach dem Grund fragen dürfe, sondern sich ihnen einzig und allein fügen und gehorchen müsse. Wenn es aber schon gefährlich ist, an Befehlen Gottes herumzuklügeln, und es denen, die sie hin- und herüberlegen, die schwerste Strafe zuzieht, was werden die für eine Entschuldigung haben, welche sich über viel geheimnisvollere und mit heiliger Scheu zu behandelnde Dinge den Kopf zerbrechen, z. B. wie Gott Vater den Sohn gezeugt habe, auf welche Weise, was seine Wesenheit sei?

      Mit diesem Wissen bereichert, laßt uns denn den Glauben, diese Wurzel alles Guten, bereitwillig annehmen, damit wir wie in einem windstillen Hafen dahinsegeln, uns die richtigen Glaubenslehren bewahren, den Lauf unseres Lebens dahin richten, wo uns keine Gefahr droht, sondern ewige Güter erwarten durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, mit welchem dem Vater sei Ruhm, Herrschaft, Ehre und Anbetung zugleich mit dem Hl. Geiste von Ewigkeit zu Ewigkeit Amen.

      VIERTE HOMILIE. * Kap. I, V. 18—25. *

       1.

       Kap. I, V. 18—25.

       V. 18: „Denn es offenbart sich Gottes Strafgericht vom Himmel her über jede Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit von Menschen, die die Wahrheit im Banne der Ungerechtigkeit gefangen halten.“

      Beachte das kluge Vorgehen des Paulus, wie er mit heil- und segenverheißenden Worten beginnt und dann die Rede hinüberleitet auf Gedanken, die Furcht einflößen sollen. Er hat oben davon gesprochen, daß das Evangelium Heil und Leben bringe, daß es eine Kraft Gottes sei, daß es Heil und Gerechtigkeit wirke; nun kommt er mit Gedanken, die geeignet sind, bei denen Furcht zu erregen, die es nicht halten. Da nämlich die Mehrzahl der Menschen sich nicht so sehr durch Verheißung von Heil und Segen als durch die Furcht vor Unheil zur Tugend leiten läßt, so sucht der Apostel seine Leser von beiden Seiten her zu gewinnen. Aus demselben Grunde hat auch Gott nicht bloß das Himmelreich verheißen, sondern auch mit der Hölle gedroht. Auch die Propheten haben in derselben Weise zu den Juden gesprochen. Sie mischen beständig Verheißungen und Drohungen untereinander. So schlägt denn auch Paulus in seiner Rede verschiedene Töne an, und zwar nicht beliebig, sondern das Heil- und Segenverheißende stellt er voran, das Unheilvolle läßt er nachfolgen. Dabei bringt er zum Ausdruck, wie jenes der vorgefaßten Absicht Gottes entspringe, dieses aber eine Folge schuldbaren Leichtsinnes der Menschen sei. So stellt auch der Prophet das Gute voran, wenn er spricht: „Wenn ihr willig seid und mir gehorcht, sollt ihr des Landes Gut genießen; wenn ihr euch aber weigert, und euch zum Zorne neigt, soll das Schwert euch fressen“ 59. Auf dieselbe Weise geht Paulus hier in seiner Rede vor. Gebt acht! Christus, sagt er, ist gekommen und hat Sündenvergebung gebracht, Gerechtigkeit und Leben; aber nicht so ohne weiteres, sondern durch das Kreuz. Das Große und Staunenswerteste dabei ist nicht, daß er uns so reichen Segen gebracht, sondern daß er so viel gelitten hat. Mißachtet ihr seine Geschenke, dann bricht das Unheil über euch herein. „Denn es offenbart sich“, sagt er, „Gottes Strafgericht vom Himmel her.“ Wieso läßt sich das erweisen? Wenn ein Gläubiger so fragt, dann führen wir ihm die Aussprüche Christi an; ist es aber ein Ungläubiger, ein Heide, dann macht ihn Paulus mundtot mit dem nun folgenden Hinweis auf das Gericht Gottes. Er führt so den unwiderleglichen Nachweis aus der Geschichte der Heiden selbst. Das ist nämlich das ganz Sonderbare bei Paulus, daß er den Bestreitern der christlichen Wahrheit nachweist, wie sie selbst durch das, was sie Tag für Tag tun und reden, ihre Übereinstimmung mit derselben bekunden. Doch davon später; jetzt wollen wir uns an den vorliegenden Text halten. Also:

      „Denn es offenbart sich Gottes Strafgericht vom Himmel her.“ Jawohl, das ist gar oft schon hier auf Erden der Fall, z. B. bei Hungersnot, Pest und Krieg. Da erleidet jeder im besondern und alle zusammen gemeinsam Strafe. Was ist aber das Befremdliche an der Strafe, die dann (im Jenseits) kommen wird? Daß sie größer ist (als alle irdische Strafe), daß sie alle trifft und daß sie nicht denselben Zweck hat: die diesseitige Strafe hat nämlich den Zweck der Besserung, die jenseitige den der Wiedervergeltung. Das bringt auch Paulus zum Ausdruck, wenn er spricht: „Wir werden nun gezüchtigt wie Kinder, damit wir nicht mit der Welt verdammt werden“ 60. Jetzt kommt ja gar manchen vieles nicht als ein Strafgericht von oben vor, sondern als Verschulden von Menschen; dann aber wird es offenkundig sein, daß die Strafe von Gott kommt, wenn er nämlich als Richter auf dem schrecklichen Throne sitzen und die einen in den Feuerofen, die andern in die äußerste Finsternis und wieder andere zu andern unentrinnbaren, unerträglichen Strafen abführen lassen wird. Warum sagt er aber nicht offen so: „Der Menschensohn wird kommen mit Zehntausenden von Engeln und Rechenschaft fordern von einem jeden“, sondern: „es offenbart sich das Strafgericht Gottes“? — Seine Zuhörer waren erst Neugetaufte; darum sucht er sie zunächst durch etwas zu gewinnen, was von ihnen ohne Schwierigkeit zugestanden wurde. Außerdem scheint es mir, daß er mit Rücksicht


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