Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo

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Briefe über den Yoga - Sri Aurobindo


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an den Herrn unseres Lebens und unserer Werke haben, selbst wenn Er Sich für lange Zeit verbirgt; in dem von Ihm gewählten Augenblick wird Er Seine Gegenwart enthüllen.

      Du hast dich immer an Guruvada gehalten. Ich bitte dich daher, Glauben an den Guru und die Führung zu haben, dich zur Erfüllung auf den Ishvara zu verlassen, meiner dauernden Liebe und Zuneigung zu vertrauen, an die Zuneigung und das göttliche Wohlwollen der Mutter zu glauben und standhaft gegen alle Angriffe zu sein, auszuharren und ausdauernd vorwärtszuschreiten dem spirituellen Ziel entgegen sowie der alles erfüllenden, alles befriedigenden Berührung durch den All-Seligen, den Ishvara.

      *

      Ich schicke dir heute den versprochenen Brief; du wirst sehen, dass ich weniger auf die genauen Themen deines Briefes eingegangen bin, sondern vielmehr „die Lehre von der Vergöttlichung des Lebens“ gegen die Kritik des Mentals (oder mehr noch des Vitals) verteidigt habe, die es entweder missversteht oder vor der es zurückschreckt, oder aber sie missversteht, weil es zurückschreckt, und auch zurückschreckt, weil es sowohl mein Ziel als auch meine Methode missversteht. Es ist keine regelrechte Verteidigung, ich gehe vielmehr nur hier und dort auf eine hauptsächliche Frage ein oder beantworte sie. Das Übrige dann später.

      Doch alle Worte können missverstanden werden; daher will ich lieber gewisse Dinge klarstellen oder versuchen, sie klarzustellen.

      Ich habe die göttlichen Dinge hervorgehoben, um einer übermäßigen entgegengesetzten Betonung der menschlichen Dinge zu begegnen, doch darf dies nicht dahingehend gedeutet werden, dass ich alles Menschliche in diesem Yoga ablehne – sei es menschliche Liebe oder Anbetung oder irgendeine andere hilfreiche Form menschlicher Hinwendung. Ich habe dies nie getan, andernfalls könnte der Ashram nicht bestehen. Die Sadhaks, die den Yoga aufnehmen, sind menschliche Wesen, und würde man ihnen zu Beginn und lange Zeit nachher eine menschliche Hinwendung nicht erlauben, wären sie nicht fähig, den Yoga aufzunehmen oder ihn fortzusetzen. Die Frage entsteht nur deshalb, weil das Wort „menschlich“ in der Praxis als identisch sowohl mit dem menschlichen Vital (oder dem nach außen gerichteten Mental) als auch mit gewissen Formen der menschlich-vitalen Ego-Natur benützt wird. Doch das menschliche Vital enthält auch vieles andere und steckt voll von hervorragendem Stoff. Das einzige, was der Yoga fordert, ist, diesen Stoff in der rechten Weise zu nutzen, in der rechten spirituellen Einstellung, und außerdem die menschliche Hinwendung zum Göttlichen nicht fortwährend in menschlichen Aufruhr und Vorwurf gegen das Göttliche zu verkehren. Und selbst das fordern wir nur um des Erfolgs der Hinwendung willen und nur von jenen Menschen, die sich tatsächlich hinwenden.

      Vergöttlichung bedeutet nicht die Zerstörung der menschlichen Elemente; es bedeutet vielmehr, diese aufzunehmen und ihnen den Weg zur Vollkommenheit zu weisen, sie durch Läuterung und Vervollkommnung zu ihrer vollen Macht und Ananda zu erheben – das heißt die Erhebung des gesamten Erdenlebens zu seiner vollen Macht und Ananda. Wenn es nicht den Widerstand in der vitalen menschlichen Natur gäbe, einen Druck von Kräften, die der Veränderung entgegenwirken, Kräfte, die sich an Unvollkommenheit, ja an Perversion entzücken, würde sich diese Veränderung mühelos in einem natürlichen und schmerzlosen Aufblühen vollziehen; dies zeigt dein eigenes Beispiel, wie deine Fähigkeiten zu dichten und zu musizieren hier unter dem Licht und dem Regen eines spirituellen und seelischen Einflusses voller Leichtigkeit sich entfalteten, da alles in dir diese Veränderung wollte und dein Vital bereit war, die Unvollkommenheiten zu erkennen und jede falsche Einstellung aufzugeben – wie zum Beispiel den Wunsch nach bloßem Ruhm – und pflichtbewusst und vollkommen zu sein. Die Vergöttlichung des Lebens bedeutet tatsächlich eine höhere Kunst des Lebens; gegenwärtig ist die Lebenskunst, die von Ego und Unwissenheit geprägt ist, etwas verhältnismäßig Gemeines, Rohes und Unvollkommenes (ähnlich den niederen Formen der Kunst, der Musik und Literatur, die dennoch eine große Anziehungskraft für die gewöhnliche menschliche Mentalität und Vitalität haben); ihre wahre Vollkommenheit muss sie erst durch ein spirituelles und seelisches Öffnen und Verfeinern erreichen. Dies kann aber nur geschehen, indem man sie in das göttliche Licht, die göttliche Flamme taucht, wo ihr Stoff von allen schweren Schlacken befreit und in das echte Metall verwandelt wird.

      Doch unglücklicherweise ist ein Widerstand vorhanden, ein sehr dunkler und hartnäckiger Widerstand. Dies macht ein negatives Element im Yoga notwendig, ein Element der Zurückweisung von Dingen, die im Wege stehen, und auch einen Druck auf jene Erscheinungen, die roh und nutzlos sind, damit sie sich auflösen, sowie auf jene, die zwar nützlich, doch unvollkommen oder entstellt sind, damit sie ihre wahre Bewegung zurückerhalten oder wiederentdecken. Für das Vital ist dieser Druck schmerzhaft, erstens, da es dunkel ist und nicht versteht, und zweitens, da es Teile gibt, die ihre Rohheit beibehalten und sich nicht ändern wollen. Daher ist der Einfluss der Seele so hilfreich. Denn die Seele besitzt das glückliche Vertrauen, das bereitwillige Verstehen und Reagieren, die spontane Hingabe; sie weiß, die Berührung durch den Guru soll helfen und nicht verletzen, sie weiß – wie Radha in dem Gedicht –, was auch immer der Geliebte tut, dazu dient, zum Göttlichen Entzücken zu führen.

      Und dennoch darfst du den Yoga nicht von der negativen Seite her beurteilen, sondern von seiner positiven, denn die negative Seite ist etwas Vorübergehendes, ein Übergang, sie wird schwinden; und allein die positive zählt für das Ideal und die Zukunft. Wenn du die Umstände, die zur negativen Seite, zu einer Art Übergangsbewegung gehören, als das Gesetz der Zukunft und als Merkmal des Yogaweges ansiehst, beurteilst du die Dinge ganz falsch und unterliegst einem schwerwiegenden Irrtum. Dieser Yoga besteht nicht aus einer Zurückweisung des Lebens oder einer Zurückweisung der Nähe und Intimität zwischen dem Göttlichen und dem Sadhak. Sein Ideal ist die größtmögliche Nähe, das größtmögliche Einssein sowohl auf der physischen als auch auf anderen Ebenen, es ist auf die göttlichste Weite und Fülle und Freude des Lebens ausgerichtet.

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