Maria - Fräulein der Friesen. Andreas Scheepker

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Maria - Fräulein der Friesen - Andreas Scheepker


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wirklich in Ubbo Scriver vorgegangen ist, weiß ich nicht. Ich glaube, dass es kein Zufall ist, dass mein Onkel gerade jetzt der Burg und den Fräulein seinen Besuch abstattet.«

      »Was wollt Ihr damit andeuten?«

      »In den Unterlagen, die Scriver entwendet hat, sind viele Verträge und Besitzurkunden enthalten. Und man kann gewiss auch ersehen, welche Steuern und Dienste die Häuptlinge ihrer Herrschaft schuldig geblieben sind in über 20 Jahren. Die Deiche sind nicht wieder aufgebaut worden nach der großen Antoniflut, und die wenigen Flächen, die wiederhergestellt wurden, hat man untereinander aufgeteilt. Vielleicht hätte es dem neuen Drosten nicht gefallen, diese Dinge zu lesen.«

      »Ihr betreibt den Zusammenschluss Eurer Herrschaft mit den ostfriesischen Grafen?«

      »Eigentlich wäre er schon erfolgt, wenn nur Enno Cirksena und seine Brüder die Eheversprechen erfüllt hätten. Nur einer von ihnen hätte das tun müssen. So hätten wir eine große Herrschaft begründet. Aber Männer wie mein Onkel wollen das verhindern. Bis zum letzten Atemzug.«

      Spät am Abend stolperte der Burgschreiber Aimo Herkens ins Haus. Er bemühte sich, leise zu sein. Das alte Ehepaar, das ihm die beiden oberen Kammern vermietete, hatte sich schon öfter darüber beklagt, dass er zu laut sei, wenn er so spät und so angetrunken nach Hause kam.

      So leise wie möglich schloss er die Tür hinter sich. Als Schreiber verdiente er, genauso wie sein Vorgesetzter, nicht schlecht für das, was er tat, und besonders für das, was er nicht tat. So konnte er sich zwei große möblierte Kammern in einem Haus in der Nähe des Marktplatzes leisten. Vorsichtig trat er auf, als er die Treppe nach oben stieg. Sie schien ihm heute noch steiler als sonst.

      Vielleicht hätte er weniger trinken und ausgeben sollen in der Schänke. Aber die meisten Münzen, die Scriver ihm vor seiner plötzlichen Abreise zugesteckt hatte, waren oben sicher verwahrt.

      Oben angekommen, tastete er nach seiner Tür. Plötzlich trat jemand aus dem Dunkel und stand dicht vor ihm. Er stieß ihn heftig vor die Brust. Herkens taumelte zurück. Seine Füße traten ins Nichts. Er ruderte mit seinen Armen, und seine Hände griffen ins Leere.

      7

      Als Rimberti die Augen öffnete, stand ein Mann mit einer brennenden Kerze vor seinem Bett. Junker Boing.

      »Verzeiht, dass ich Euch störe«, begann dieser. »Aber ich glaube, Ihr solltet mitkommen.«

      Kurze Zeit später standen die beiden im Flur eines Hauses unweit des Marktplatzes. Am Fuß der Treppe lag der Burgschreiber. Arme und Beine lagen verdreht am Körper. Eine kleine Blutlache hatte sich neben dem Kopf gebildet.

      »Das musste ja so kommen«, stellte die Frau des Hauses fest. Neben ihr stand ihr Mann und nickte.

      »Mein Mann hat Herkens so oft gesagt, dass er das mit dem vielen Trinken lassen sollte«, fuhr sie fort. »Das konnte ja nicht gut gehen.« Ihr Mann schüttelte den Kopf.

      »Wir müssen die beiden Kammern oben vermieten«, erklärte die Frau weiter. »Die Geschäfte meines Mannes gehen nicht gut. Wir brauchen das Geld.« Der Mann nickte verhalten.

      »Wir hörten nur, wie er nach Hause kam. Es war schon nach dem Läuten. Wenn man so besoffen ist, kann man nicht leise sein.« Ihr Mann schüttelte wieder den Kopf.

      »Und dann kam lautes Gepolter. Darauf war es ruhig. Wir warteten einen Moment, ob er die Treppe wieder hochgehen würde. Aber es war ganz still. Da wussten wir, dass er nicht wieder aufstehen würde. Und dann sind wir sofort aufgestanden, um ihm zu helfen.« Ihr Mann nickte.

      »Mausetot!«, fuhr die Frau fort. »Ihr seht ja selbst, wie er hier liegt. Sicher hat er alle Knochen und auch noch das Genick gebrochen. Das sahen wir gleich, dass wir nicht mehr helfen konnten. Darum habe ich meinen Mann geschickt, dass er die Wache holt.«

      Bevor ihr Mann nicken konnte, zeigte Rimberti auf dessen Schuhe. »Die muss ich mir einmal ansehen.« Der Mann nickte und zog seine Schuhe aus.

      »Kein Blut«, stellte Rimberti fest. Er wies Boing auf die Türschwelle hin. »Dort ist ein Teil eines blutigen Schuhabdrucks. Aber diese Schuhe waren es nicht.« Er wandte sich wieder an das Paar. »Stand die Tür auf?«

      »Ja«, erklärte die Frau. »Die muss mit einem tüchtigen Ruck geschlossen werden. Und der als Letzter nach Hause kommt, muss den Balken einlegen, damit man die Tür nicht von außen öffnen kann. Vielleicht hat er, Gott sei ihm gnädig, in seinem Zustand vergessen, die Tür zu schließen. So ist es wohl gewesen.«

      »Habt ihr sonst etwas Ungewöhnliches mitbekommen? Geräusche?«, fragte Rimberti weiter.

      »Nein«, sagte die Frau.

      Der Mann aber nickte. »Ja. Wir legen uns immer früh hin. Einmal bin ich aufgewacht, weil ich dachte, dass der Schreiber gerade die Treppe in seine Wohnung geht. Ich muss mich wohl verhört haben.« Seine Frau nickte.

      »Ihr denkt auch, was ich denke«, stellte Boing von Oldersum fest, als er mit Rimberti im Wohnraum des toten Burgschreibers stand. Beide hielten eine brennende Kerze in der Hand, um den Raum durchsuchen zu können.

      »Entweder hat der Einbrecher etwas gesucht und wurde überrascht …«, überlegte Rimberti.

      »… oder es war ein Mörder, und der unglückliche Herkens wurde überrascht«, beendete Boing den Satz.

      »Was aber nicht ausschließt, dass man bei dem Burgschreiber wirklich etwas gesucht hat. Vielleicht hängt es mit der Flucht des Rentmeisters zusammen?«

      »Scriver?« Boing lacht grimmig. »Das war wohl eher Verrat. Keno Middens hat mir vertraulich erzählt, dass die Fräulein Maria und Anna den Rentmeister überredet hätten, vertrauliche Dokumente außer Landes zu bringen.«

      »Mir hat er verraten, dass sein Onkel und die alten Häuptlinge Scriver angestiftet hätten. Er sollte alle Verträge und Dokumente verschwinden lassen, die ihre Rechte und Besitzungen zugunsten der Landesherrschaft beeinträchtigen.«

      »Vielleicht steckt noch etwas anderes dahinter. Doktor Rimberti, wo würdet Ihr hier etwas Wertvolles verbergen?«

      »Ich schlage vor, dass wir erst einmal alle Schränke und Schubladen durchsuchen, bevor wir uns entlegeneren Verstecken zuwenden.«

      Unter einem Stapel Kleidung fand Boing einen Beutel mit einigen Münzen, auf die das Porträt von Graf Enno von Ostfriesland eingeprägt war. Das war vermutlich das Geld, das der unglückliche Herkens von Scriver erhalten hatte, um dessen Flucht möglichst lange zu verschweigen.

      Rimberti entdeckte auf dem Fußboden bei der Tür einen winzigen Rest verschmiertes Blut. Rückwärts stieg er mit einer Kerze die Treppe hinunter und nahm jede Stufe konzentriert in Augenschein. Auf einer Stufe in der Mitte entdeckte er einen weiteren Blutspritzer. Der Gast von Burgschreiber Herkens musste nach seiner Bluttat noch einmal nach oben gekommen sein. Vielleicht hatte er seine Suche fortgesetzt.

      Boing und Rimberti suchten den Schrank nach Geheimfächern ab und betasteten den Fußboden, ob unter einer Diele noch etwas versteckt war. Ein Dielenbrett unter Herkens’ Bett war locker. Der Drost nahm seinen Dolch und schob ihn vorsichtig in die kleine Spalte. Mühelos hob er das Brett an und zog es heraus. Auch das daneben liegende Brett konnte man nun wegnehmen.

      Die beiden Männer schoben das Bett beiseite. Das Fach war leer.

      »Hier hat jemand gefunden, was er gesucht hat«, bemerkte der Drost. Sie setzten ihre Suche fort. Eine weitere Diele war etwas locker, aber der Drost konnte sie nicht weiter bewegen.

      Rimberti sah, dass über dem Bett ein kleines holzgeschnitztes Kruzifix hing. Er nahm es vorsichtig ab und drehte es um. Auf der Rückseite war mit Wachs ein Schlüssel befestigt.

      Rimberti vergewisserte sich, dass der Drost noch mit den Fußbodenbrettern beschäftigt war, und steckte den Schlüssel ein. Er hatte einen guten Eindruck von Junker Boing, aber er war immerhin der von den ostfriesischen Grafen eingesetzte Drost, der seinen Herren gegenüber loyal sein musste. Er entschied, den Fund


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