Maria - Fräulein der Friesen. Andreas Scheepker

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Maria - Fräulein der Friesen - Andreas Scheepker


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Maria. »Darin ist alles genau geregelt.«

      »Könnt Ihr es vorlegen?«, fragte Graf Enno lauernd.

      »Natürlich nicht«, antwortete Maria mit leiser, aber klarer Stimme. »Euer Vater hat uns das Dokument vor einigen Jahren weggenommen.«

      »Es war eher ein Brief«, wollte Enno richtigstellen und wandte sich wieder an Rimberti. »Ein Brief, in dem mein Vater seine Wünsche für eine gemeinsame Zukunft unserer Familien formuliert. Er wollte nicht, dass er in falsche Hände gerät und gegen ihn verwendet wird.«

      Enno fasste Fräulein Anna in den Blick, die so damit beschäftigt war, mit einem kleinen Messer zu großes Stück Ingwer in winzige Stücke zu zerschneiden, dass es den Anschein hatte, dass sie von dem Gespräch nicht viel mitbekam. »Das wollt Ihr doch auch nicht, oder Fräulein Anna?«, fragte er mit Nachdruck.

      »Maria und Ihr sollt ein Paar werden«, sagte Fräulein Anna, ohne ihren Blick von dem Teller vor sich zu nehmen. »Ihr beide seid die zweitältesten Geschwister. Ihr seid füreinander bestimmt. Enno, Ihr seid Marias rechtmäßig versprochener Ehemann.«

      Für einen Moment wurde es still. Ennos Offizier sah betreten auf seinen Teller.

      Enno sah Fräulein Anna scharf an. Dann drehte er sich zu Fräulein Maria hin. »Das schwere Essen und der süße Wein am frühen Morgen bekommen Eurer Schwester nicht. Ihre Rede ist genauso wirr wie ihr Blick. Lasst sie in ihre Räume begleiten.«

      »Ich finde meinen Weg allein«, sagte Anna. Sie nahm ihren kleinen Teller mit den Ingwerstücken und verließ den Raum.

      »War das nötig?«, fragte Maria verhalten.

      »War das nötig?«, polterte Enno und fegte mit einer Handbewegung seinen Pokal und die Reste seiner Mahlzeit von Tisch. »Muss ich mich von dieser Irren beleidigen lassen?« Er sah beiläufig zu Rimberti. »Das könnt Ihr auch Eurer Königin melden, was ich mir hier bieten lassen muss.«

      Der ältere Mann neben Maria schnappte nach Luft und wollte sich erheben, aber Maria umfasste sein Handgelenk, und er blieb auf seinem Platz.

      Rimberti saß weiter unbeweglich aufrecht. »Euer Durchlaucht, ich werde der Stellvertreterin Eures Kaisers und Lehensherrn alles berichten, was ich höre und sehe. Die Sache mit dem Eheversprechen lässt sich ja überaus leicht klären.«

      Enno sah ihn misstrauisch an, und aus Marias Blick war alle Skepsis verschwunden.

      »Nun«, fuhr Rimberti fort, »wenn ich die Sache richtig verstanden habe, ist es etwa 14 Jahre her, dass Euer Vater dieses Heiratsversprechen …«

      »Dieses vorgebliche Heiratsversprechen!«, unterbrach ihn der Graf.

      »Umso besser«, erwiderte Rimberti. »Dann steht ja nichts zu befürchten. 14 Jahre sind eine lange Zeit, aber auch nicht so lang, dass sich niemand mehr finden lassen würde, der diese Ereignisse miterlebt und bezeugen kann. Es muss doch eine ganze Reihe von Personen geben, die dieses Schriftstück gesehen haben oder dabei waren, als alles so abgesprochen wurde. Diese Zeugen werde ich finden und befragen. Und dann werden alle Missverständnisse aus dem Weg geräumt sein.«

      Graf Enno sah ihn verdutzt an, und der finstere Blick des älteren Mannes neben Maria erhellte sich für einen Moment.

      »Verzeiht mir«, sagte Rimberti, »nun muss ich mich an meine Geschäfte begeben.«

      Maria schenkte ihm die Andeutung eines sanften Lächelns.

      6

      »Der Rentmeister ist heute nicht mehr zu sprechen«, teilte der Schreiber der Burg kurz mit, als Rimberti zum zweiten Mal im Vorzimmer des Rentamtes stand. Diesmal hatte er seinen Schreiber Kobus dabei. Der Burgschreiber wandte sich gleich wieder einem Stoß Papiere zu, der vor ihm auf dem Tisch lag.

      »Das bedeutet immerhin, dass er heute da ist«, antwortete Rimberti und bemühte sich, höflich zu bleiben.

      »Gewiss«, erwiderte der Burgschreiber etwas herablassend, »der Herr Rentmeister ist wohl da. Aber er ist nicht für Euch da, wenn Ihr versteht, was ich meine.«

      »Das ist wohl ein großer Unterschied«, entgegnete Rimberti. »Aber das Beste wird sein, wenn der Herr Rentmeister mir diese Entscheidung selber mitteilt.«

      Der Schreiber blickte nicht von seinen Papieren auf. »Der Herr Rentmeister weiß das durchaus. Darum hat er schon heute früh entschieden, dass dieser Tag seinen Amtsgeschäften gehört und nicht Besuchern oder Bittstellern.«

      Rimberti war für einen Moment sprachlos. Als er noch in gräflichen Diensten gestanden hatte, war es durchaus vorgekommen, dass er von Adeligen oder reichen Bürgern wie ein Hausbedienter behandelt worden war. Aber dass ein Schreiber so mit ihm redete, verunsicherte ihn für einen Augenblick.

      »Er lügt«, stellte Kobus lakonisch fest.

      Rimberti sah ihn fragend an, und sein Schreiber erklärte lakonisch: »Wäre sein Dienstherr anwesend, würde er sich als Schreiber so etwas nie herausnehmen. Also lügt er, vermutlich sogar im Auftrag seines Vorgesetzten.«

      Rimberti war verblüfft über die Ausführlichkeit, in der sich sein Schreiber ausgelassen hat, noch mehr aber über den Inhalt.

      »Stimmt das?«, fragte er nun den Burgschreiber unwirsch.

      Der wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, da stockte er.

      Der ältere Mann, der vorhin an der Tafel neben Fräulein Maria gesessen hatte, stand plötzlich in der Tür. »Was fällt dir ein, Aimo Herkens?«, fragte er mit harscher, befehlsgewohnte Stimme.

      Der Burgschreiber Herkens sprang auf, als er den Mann sah. »Verzeiht, Herr, ich habe …«, stotterte er, aber der Alte war mit wenigen schnellen Schritte schon bei ihm und packte ihn am Kragen.

      »Weißt du, dass du einen Hofrat des Kaisers vor dir hast?«, sprach der Alte auf einmal mit bebender Stimme. Dann ließ er ihn plötzlich los, und der Burgschreiber taumelte zurück.

      »Ich will jetzt sofort wissen, was hier los ist. Wo ist Rentmeister Scriver?« Die Stimme des Alten klang bedrohlich.

      Der Burgschreiber sah zu Boden. »Es stimmt. Scriver ist nicht hier. Er ist schon im Morgengrauen aufgebrochen. Ich sollte alle hinhalten, bis es zu spät ist, ihm zu folgen. Er hat mir diesen Befehl im Auftrag von Graf Enno gegeben.«

      »Graf Enno hat hier nichts zu befehlen!«, herrschte ihn der Mann an.

      Der Schreiber wich noch einen Schritt zurück.

      Die Stimme des Alten wurde wieder ruhig. »Du führst uns jetzt sofort in Scrivers Amtsstube. Und du erzählst alles, was hier passiert ist. Und mit ›alles‹ meine ich auch ›alles‹. Wenn du nur ein Wort zurückhältst, wirst du das bereuen.«

      Der Burgschreiber nickte. Er öffnete ein Schubfach, holte einen schweren Schlüssel heraus und öffnete die Tür zur Amtsstube des Rentmeisters. Der Alte schob Rimberti vor und folgte ihm mit dem Schreiber. Am Fenster stand ein großer Tisch. Darauf befanden sich nur Schreibfeder, Tintenfass, ein sorgfältig gestapelter Stoß Papier und zwei Bücher. Zwei Schränke waren verschlossen, und in einem Regal lagen ebenso sorgfältig geordnet Stapel von Urkunden und Papieren.

      Der ältere Mann nickte ihm zu.

      »Der Rentmeister schickte mich gestern Abend fort«, entschuldigte sich der Burgschreiber. »Er gab mir frei. Im Morgengrauen weckten mich meine Wirtsleute. Rentmeister Scriver wartete vor der Tür und wollte mich sprechen. Er hatte zwei Satteltaschen mit Akten gepackt. Ich konnte nicht erkennen, was er mitnehmen wollte. Es war schon alles verpackt. Er sagte, dass er im Auftrag von Graf Enno und den Fräulein diese Unterlagen unbedingt wegbringen müsse. Und dass niemand wissen dürfe, dass er fort sei. Ich sollte allen Besuchern sagen, dass er heute ungestört arbeiten müsse. Das tat ich auch auf seinen Befehl. Verzeiht mir …«

      Der Alte schnitt ihm das Wort ab. »Was hast du noch zu erzählen?«

      »Ich sah mir den Schreibtisch des Rentmeisters an. Und ich warf auch einen Blick in die


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