Harzkinder. Roland Lange
Читать онлайн книгу.lächelte sein maskenhaftes Lächeln. „Der Beruf.“
„Lass mich raten. Du bist in der Tourismusbranche tätig. Suchst interessante neue Highlights, richtig?“ Sie zwinkerte ihm neckisch zu. „Na ja, mein Saloon läuft zwar wie geschmiert, kann nicht klagen. Ist aber trotzdem immer noch ein Geheimtipp. Ein bisschen zusätzliche Werbung wäre nicht schlecht.“
„Da liegen Sie leider komplett falsch“, erwiderte Blume, „mit Tourismus habe ich nichts am Hut ... also Ihnen gehört der Laden? Donnerwetter!“
Sie nickte stolz. „Kannst ruhig Jenny zu mir sagen. Wir duzen uns alle hier. Personal, Gäste, meine Musiker, eben alle. Wie eine große Familie. Wie heißt du eigentlich?“
„Mich nennen die Leute Stefan“, raunte er ihr zu. „Aber eigentlich heiße ich Matthias. Erinnerst du dich nicht ... Katja?“
Sie zuckte zusammen. Wich einen Schritt vom Tresen zurück. Ihre Gesichtszüge verhärteten sich. „Was soll das?“, schnappte sie. „Willst du mich verarschen, Mann?“
Blume beugte sich vor. „Hör zu, Katja, ich will niemanden verarschen“, raunte er, in der Hoffnung, keinen unliebsamen Zuhörer zu haben. „Ich bin’s, Matthias Wagenfeld. Ich habe nach dir gesucht.“
Katja wandte sich dem Barkeeper zu. „Sam!“ Sie schnippte mit den Fingern, ließ sich von dem Mann am Zapfhahn das Bier herüberreichen, knallte es vor Blume auf den Tresen. „Ihr Pils! Macht zweifuffzig. Trinken Sie aus und dann verschwinden Sie.“
„Katja, bitte“, flehte Blume leise, „ich bin es wirklich.“
Sie kniff die Augen zusammen. „Ich kenne keinen Matthias Wagenfeld.“
„Natürlich kennst du mich. Komm, jetzt tu doch nicht so!“
Sie hielt ihm drohend den Finger unter die Nase. „Wer immer Sie auch sein mögen. Matthias Wagenfeld sind Sie jedenfalls nicht! Der Matthias Wagenfeld, den ich kannte, ist tot. Schon sehr lange.“ Dann öffnete sie die Hand. „Und jetzt zahlen Sie endlich und hauen ab!“
Blitzartig griff er nach ihrem Handgelenk, umklammerte es. „Katja, hör mir doch erst mal zu, verdammt!“
Sie versuchte, sich aus seinem eisernen Griff zu befreien. Es gelang ihr nicht. „Sam!“, rief sie und sah zu ihrem Barkeeper hinüber. Der erkannte die Situation sofort und kam hinter seinem Tresen hervor. Sekunden später stand er in Blumes Rücken, legte ihm den Arm um den Hals und drückte zu.
„Ribanna ...“, keuchte Blume, ehe er Katja losließ und sich vom Hocker zerren ließ.
„Warte!“
Für einen kurzen Augenblick glich die Szene einem Standbild. Dann bedeutete Katja ihrem Barkeeper mit einer Handbewegung, Blume freizugeben. Der Mann grunzte unwirsch und ließ von seinem Opfer ab.
„Was hast du eben gesagt?“
Blume rieb sich den Hals, hustete und trat wieder an den Tresen. „Katja Ortlepp alias IM Ribanna, erinnerst du dich?“, flüsterte er Katja ins Ohr.
„Das können Sie überall herhaben.“ Plötzlich begannen ihre Augenlider zu flackern. „Die Akten konnte ja jeder einsehen.“ Von ihrem forschen Auftreten war nichts mehr zu spüren. Nervosität dominierte ihre Mimik. Und Angst. Blume kannte diesen Gesichtsausdruck nur zu genau.
„Nicht alle“, entgegnete er. „Vieles ist im Reißwolf gelandet. Bevor es jemand zu sehen bekam.“
„Was genau wollen Sie von mir? Erpressung? Das können Sie vergessen!“ Sie bemühte sich, ihre alte Selbstsicherheit zurückzugewinnen.
Blume schüttelte den Kopf. „Mein Gott, du erkennst mich ja tatsächlich nicht“, murmelte er. „Vor dir steht Matthias Wagenfeld. Wirklich ... Na gut, dann noch ein Beweis.“
„Ach ja?“ Sie schwankte zwischen Ablehnung und Neugier. „Was für ein Beweis sollte das sein?“
Blume verzog seine Mundwinkel. „Och-Och ... Erinnerst du dich? Immer, kurz bevor du ...“
„Schon gut, verdammt!“, fuhr sie ihm giftig ins Wort.
Er ließ sich nicht beirren. „Ich habe dich danach immer damit aufgezogen, weil es sich anhörte wie der Schlachtruf dieser Kinder vom Indianer-Club. Die Serie hat uns bis ins Bett verfolgt. Eine Kindersendung vom Klassenfeind! So was hast du dir angesehen! War dir völlig egal, hatte ja schließlich was mit Wildwest zu tun. Kapiert habe ich das nie. Na ja, lustig war’s trotzdem.“
Katja blickte ihn schweigend an. Musterte ihn, schien jeden Millimeter seines Gesichtes abzuscannen. Zweifel, Erschrecken, aber auch ein schwacher Funken Freude schimmerten in ihren Augen.
„Nur lustig?“, fragte sie plötzlich leise.
Er schüttelte langsam den Kopf. „Nein“, sagte er. „Vor allen Dingen schön.“
„Warum bist du dann einfach so verschwunden?“, brauste sie plötzlich auf, nahm sich aber sofort wieder zurück. „Ohne ein Abschiedswort? Auf Nimmerwiedersehen abgetaucht?“ Sie presste die Worte in unterdrückter Wut hervor. „Kannst du dir vorstellen, wie mir zumute war, als ich hörte, dass du tot bist? Und jetzt tauchst du einfach hier wieder auf, du Arschloch! Keine Ankündigung, nichts. Lässt mich unvorbereitet in die Falle tappen.“
„Tut mir leid, das wollte ich nicht.“ Blume starrte auf sein Bierglas. „Aber ich dachte, wenn ich mich anmelde, wimmelst du mich ab und ich habe keine Chance.“
„Dachtest du!“ Sie stemmte sich mit beiden Händen an der Tresenkante ab, blitzte ihn herausfordernd an. „Vermutlich hast du recht. Wie siehst du überhaupt aus? Ich hätte dich nie im Leben wiedererkannt.“
„Doch, hättest du. Du kennst mich besser als jeder andere. Hättest nur genauer hinhören und hinsehen müssen.“
„Was ist mit dir passiert?“
Blume blickte sich um. Der Barkeeper hantierte wieder am Zapfhahn herum. Scheinbar desinteressiert, spitzte er dennoch die Ohren, war bemüht, etwas von dem Gespräch zwischen seiner Chefin und dem merkwürdigen Mann mitzubekommen. Der Saloon hatte sich in den vergangenen Minuten weiter mit neuen Gästen gefüllt. Die Geräuschkulisse war merklich angeschwollen. Irgendjemand hatte sich an das alte Honkytonk-Piano hinten in der Ecke gesetzt und klimperte darauf herum.
„Können wir das irgendwo an einem ruhigeren Ort besprechen?“, fragte Blume. „Wo es leiser ist und nicht so viele Ohren mithören.“
Katjas gedehntes „Okay“ war mehr Frage als Zustimmung, begleitet von einem argwöhnischen Blick. Nach kurzem Zögern redete sie weiter. „Wir schließen um Mitternacht. Vielleicht komme ich früher weg. Du kannst unterdessen bei mir zu Hause warten, wenn du willst. Ich wohne ein Stück die Straße rauf, in der Feriensiedlung.“ Sie nannte ihm die Hausnummer und zog einen Schlüssel vom Schlüsselbund. Den drückte sie ihm in die Hand. „Willst du vorher hier noch was essen?“
„Nein, ich bin satt. Habe mir vor Kurzem erst an einem Schnellimbiss den Bauch vollgeschlagen.“
Sie grinste. „Fastfood – du schreckst wohl vor nichts zurück.“ Dann zuckte sie mit den Schultern. „Na egal. Bis später also. Mach es dir so lange bequem bei mir.“
„Danke.“
„Wieso bist du eigentlich hier?“, fragte sie schnell, ehe er sich abwenden konnte. „Du musst doch einen besonderen Grund haben, wenn du nach so vielen Jahren ...“
Er nickte. „Stimmt. Ich brauche deine Hilfe, Katja. Und du bist der einzige Mensch, dem ich vertraue.“
7. Kapitel
Warum meldete er sich nur nicht? Konnte es wirklich so schwer sein, einen Menschen aufzuspüren? Für einen Privatdetektiv sollte es doch kein Problem sein, den Wohnsitz eines Menschen herauszubekommen. Oder zumindest eine Spur von ihm zu finden! Wenn es schon einen ersten kleinen Ermittlungserfolg gab, hätte er es ihr doch sagen können! So eine Information hätte ihr