Das Grimmingtor. Paula Grogger

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Das Grimmingtor - Paula Grogger


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zwischen den Zaunstaketen herfür. Indieweil sie sich derart angenehm die Zeit vertrieben, kam richtig eine Postkutsche, kaisergelb bemalt, mit roten Felgen, aus der Einfahrt. Zwei Hengste mit prächtig geziertem Kummet und gezopftem Schweif waren vorgespannt. Kein Kotspritzer, kein Stäubchen versehrte die Fenstergläser. Der Türgriff blitzte ganz golden.

      »Da steigen wir ein«, schrie Matthäus. »Der fahrt nach Öbling.«

      »Ich trau mich nit«, sagte Lukas.

      »No, fahrst halt du im zweiten. Nachher wird dich der Schwager beim Moarbühel wohl hinausbugsieren, und du magst zu Fuß um den Mitterberg zaschen.« So sagte Markus und schupfte keck die drei Koffer auf das Dach.

      Der Knecht, welcher die ungeduldigen Pferde hielt, schimpfte mächtig. Wie aber dieses nicht half, grölte er, es würde schon der hohe Herr kömmen und sie hinausschmeißen. Und kaum war’s gesagt, erschien in der Torfahrt eine Mannsperson, welche einen scharlachroten, weitschößigen Frack und gelbe Rehlederhosen anhatte, welche einen schwarzen Zweispitz auf dem Kopfe und Stulpstiefel aus Lack an den Füßen trug. Besonders augenfällig waren die reichen Silberborten und die dukatenfarbenen Knöpf. Lukas schaute gar scheu und ehrfurchtsvoll, drückte sich ins dunkle Wageneck, und hätte er seine großen Brüder nicht gehabt, er wäre auf und davon geloffen. Er studierte bänglich, ob es der Kaiser Franz oder der Kaiser Napoleon wär und ob selbiger zuerst ihn oder den Markus beim Krawattel packen werde. Für den starken Matthäus hatte er in seiner lieben Unschuld weniger Angst.

      Der hocherlauchte Herr schaute aber zum Glück gar nicht in die Kutsche, sondern sprang mit einem Satz auf den Bock, und Lukas bemerkte, durchs Fensterchen spähend, welches die Wand hinter seinem Rücken durchbrach, daß er ein wunderbares Horn von seiner Brust nahm und es, fürsichtig probierend, an den Mund brachte.

      Kein Wort wagte das Kind zu sprechen, und die Brüder schwiegen weislich, damit sie niemand vor der Zeit ablade. In der Einfahrt, welche gegen die Sommerschwüle feucht und dunkel abstach, erschien itzt auch der Postmeister mit zwei Mannsbildern, die mochten sonach des Kaisers Roßknecht und Jager sein. Und in der Tat; es setzte sich der eine auf den luftigen Bock, der andere herentgegen mußte wohl oder übel in den heißen Kotter hinein. Er trat, vom Vasold geleitet, an das Türchen, fast gleichzeitig erblickten die beiden den fremden Ballast auf dem Dache, und den Hauswirt traf fast der Schlag. Trotzdessen er mit einem Jagdgewehr, Stiegelstecken und Buckelsack vollends beladen war, riß er die Klinke auf und schrie ohne Ansehen des hohen Fahrgastes:

      »Malefizbuam, abgefeimte! Hab ich nit gesagt, ihr sollt in den zweiten steigen?«

      Die Bürschlein rückten auf ihrem fein gepolsterten Sitz und schwiegen, und vorn bei den Pferden grinste der Knecht mit dem ganzen Gefrieß. Lukas zitterte und meinte, jetzt werde der aufgebüschte Kaiser sich umdrehen. Aber nur der Jager sah in die Kutsche, postierte die Flinte ins Eck und sagte was. Nämlich er sagte:

      »Laß gehn, Postmeister! Ich find mir noch ein Platzerl.«

      Der Vasold kam außer Atem und fand gegen solch rühmliche Bescheidenheit keine Einwendung. Er drückte nur stumm die gebräunte Hand, so ihm der Jager darreichte, und schaute die drei Buben an, als wöllt er ihnen baß die Höseln spannen. Seinen genagelten Schuh auf das Trittbrett setzend und hiebei lächelnd und nach vorn weisend, frug der Weidmann:

      »Was hast ihm die Livrei aufgehalst? Ha? Weißt eh, ich mag’s nit leiden.«

      Da brach dem Vasold wieder das steirische Gemüt durch. »Bald unser guater Erzherzog Johann wieder mit meinem Wagen fahrt, so legen wir ihm«, er deutete zwinkernd nach dem Kutschbock, »so legen wir ihm eine kurze Hosen und ein lodenes Röckel an.«

      Lukas war einen kleinen Augenblick enttäuscht, daß der aufgeputzte Herr kein Kaiser, sondern nur ein Prinz war, allein er fühlte immerhin einen großen Stolz und Respekt, und er rückte nur ein bißchen von dem fremden Mannsbild beiseite, welches er um so mehr für einen geringen Menschen hielt, als er fürs erste schlecht gewandet war und als er sie zweitens nicht hinausgeschmissen hatte. Matthäus und Markus hielten den Mund säuberlich aus guten Gründen, wie wir später hören werden. Sie erlustigten sich über den Kleinsten, weil er dem Reisenden gar unverschämt in das hagere, bartlose Gesicht starrte und die längste Zeit sich alle Mühe gab, dem eigentümlich müden Zug seines Mundes nachzuspotten. Er machte schwulstige Lippen, ließ das Kinn hängen und schnitt die greulichsten Gesichter. Die Brüder, welche nicht wußten, ob Lukas sich nur so dumm anschalkte oder tatsächlich so dumm war, lachten unsicher und stießen ihn mit den Knien. Inmaßen die Kutsche sehr eng war, trafen sie einmal auch den Fremden. Der fuhr aus seinen Gedanken, legte die Ellbogen fester an sich, so daß zwischen ihm und dem Kinde ein kleiner Spalt blieb.

      »No, sitz dich nur herzue!« sagte Lukas.

      Solch freimütige Art erheiterte den Weidmann und bewies ihm, daß er nicht erkannt wurde. Er wandte seine lebhaften, aber recht versorgten Augen vom Zeitungsblatt ab, und indes er’s in Falten bog, musterte er nicht ungütig seine Mitreisenden und frug nach ihrem Namen. Aber nur Lukas antwortete.

      »Wir sind die Stralzenbuam von Öbling.«

      Da hätten sie ja alle den nämlichen Weg, sprach der Fremde.

      »No ja, darum sind wir ja in den Wagen gestiegen. Verstehst?«

      Ja, ja, er verstünd wohl.

      »Mein Liaber, der Posthalter ist wild auf uns.«

      Ja, es wär ihm so fürgekommen.

      »Weil wir mit dem Erzherzog Johann fahren. Bst!« wisperte er, den Finger an die Lippen legend. »Da vorn sitzt er, ich kenn ihn wohl.«

      Nun lachte der Weidmann laut heraus. Und Matthäus gab dem Kind einen ordentlichen Tritt auf die Zehen. »Sei stad!« mahnte Lukas, die Füße hochziehend, »wann er uns gach bemerkt, schmeißt er uns außi!«

      Solches verhoffe er doch nit, sprach der Fremde.

      Alsdann schauten sie eine Weile durchs Fenster. Es war eine unbändige Hitze in dem Kasten. Die Stralzenbuben knöpfelten Rock und Leibel auf und ließen, die Gläser schiebend, zu beiden Seiten Luft herein. Dabei gewahrte der Jager, daß Lukas den Arm in der Schlinge trug.

      Ob er einen Knochen lädiert hab, und ob er vielleicht beim Bader Lobenstock gewesen wär, frug er teilnehmend den Knaben. Ein Wort gab das andere, und so geschah’s, daß Lukas nach anderthalb Stunden, als die Postkutsche schon gegen Gstatt fuhr, seinen ganzen Lebenslauf zutraulich ausgeplaudert hatte.

      Dann hörten sie ein uraltes Liedel, viel wunderschön geblasen. Die breit hängenden Fichtenäste streiften die Koffer und den Stiegelstecken und den Buckelsack auf dem Dache. Auf der linken Seite floß die Enns, von der Abendröte ganz gölden angehaucht.

      Unter den vier duftenden Linden verfielen die Pferde in sachten Schritt, indem der Weg zum Schloß bergan steigt. Am Hofbrunn stunden Kühe und Kälber. Und das Gesind kam, durch den Klang des Posthorns gelockt, langsam und neugierig herbei.

      Der Weidmann hatte, kaum daß die Pferde stillhielten, selbst den Schlag aufgemacht und sprang aus dem Wagen. Und hinter ihm tappten, sich reckend, die Buben. Er tauschte mit jedem einen festen, freundlichen Händedruck und reichte zuletzt dem Lukas ein Hirschgränlein von seiner Uhrkette.

      Damit die Stralzensöhne seiner und der unterhaltlichen Fahrt gedächten, sagte er, und falls sie seinen Namen nicht wüßten … er sei der Prinz Johann.

      Der Jüngste wurde wachsweiß.

      Der Mittlere lachte verschmitzt.

      Matthäus aber stand großmächtig und breit vor dem Erzherzog, rückte den Hut, darunter der helle Schwitz perlte, und sagte mit einer von Schweigsamkeit schier vertrockneten Stimme:

      »Ah ja … Ich und der Markus haben Euch ehwohl kennt.«

      Der Herr Vater ließ seine Buben ein paar Tage lang in Haus und Hof flanieren, und die Frau Mutter stellte am ersten Abend der Heimkehr einen Milchreis, dick mit Zimmet bestreut, auf den Tisch. Am zweiten Abend sind im Rindschmalz


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