Das Grimmingtor. Paula Grogger

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Das Grimmingtor - Paula Grogger


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ihr Herz gelinder von Stund zu Stund. Und weilen schön langsam die Märznacht anhub und die Mägde lüstig durch die schwarzen Fenster hinausspähten, schickte sie alles, was Füße hatte, auf den Tanzboden. Sie selbst blieb allein in der Küche und verspann sich in den blauen Rauch des Erlholzes, in den Duft der süßen Bäckereien und sonderlich in ihre liebsten Gedanken. Hienach trat ihr Eheherr in den Türrahmen und rief ihr zu:

      »Stanzi, zieh ein besseres Gewand an. Wir wöllen zum Tanz gehn.«

      Sie schaute groß und errötete; denn es fiel ihr das Barbarafest ein, an welchem Andreas Stralz ihr zum erstenmal die Hand mit einem starken, schmerzhaften Druck umfangen hatte. Und ihr deuchte plötzlich, sie sei ihm noch immer so fremd wie in jenem Augenblick. Desungeachtet ging sie beglückt an seiner Seite ins Tafelzimmer, wo die guten Kleider in einer Truhe lagen. Während sie die schweren Röcke anzog und das seidene Brusttuch breit über das offene Mieder steckte, stund er abgewandt am grünen Kachelofen und sumsete die Melodei der Geigen und Schwegelpfeifen, die von drüben hellauf lockte. Sie spürte, wie sein Herz gleich dem ihrigen schwang; sie stellte sich sachte zu ihm und sprach:

      »So; hiaz bin ich fertig.«

      Sie dachte, daß er sie bussen werde. Doch er tat es nicht. Das Zimmer war ihr zuerst dunkel erschienen. Mählich zeichneten sich die Kanten des polierten Hausrates ab. Die Figuren auf den Tonkacheln blitzten. Und das Gesicht des Stralzen war ganz deutlich auszunehmen. Sie sah, daß er ihre innere Entflammnis erriet und daß er lachte. Sie wartete noch immer in einer hoffärtigen Haltung. Insgeheim sagte sie:

      »Mein Gott, wann unser Kindel wird wie unser Liab … muaß es dem Himmel ein Loch schlagen!«

      »Gefreust dich drauf?« fragte sie, fast ohne die Lippen zu öffnen.

      Sein leises Lachen ging ihr durch alle Nerven. Es wischte wiederum ein Flaum von Röte über Hals und Wangen und Stirn. Sie machte einen Schritt hinweg, damit er nach ihr lange. Er tat es nicht, er sagte:

      »Gehen wir?«

      Auf dem Türhaken trafen sich die Hände. Die junge Frau war betäubt von der eigenen Seligkeit. Es drängte sie zu vielen lieben Worten und Fragen, insonderheit eines hätte sie gern gewußt, was ihr der Stralz in der langen Zeit noch nie gestanden hatte. Sie wagte das rechte Wort nicht und sprach an ihm hinweg:

      »Du Kalter, du.«

      »So?« gab er zur Antwort; es klang wie ein Gespött.

      Da mußte sie auch lachen. Sie tastete nach dem Türdrücker und wispelte:

      »Heimlicher, du!«

      Die Angel knarrte bereits; da schob er das seidene Tuch beiseit und bußte ihr schneeweißes Halsgrüblein, bis es brunn. Jetzt nahm sie sich einen Mut und fragte, was sie in der langen Zeit noch nie gefragt hatte.

      »Hast mich gern?«

      Er richtete sich langsam auf und sagte in seiner starren Art: »Der Baum treibt ja auch. Der Vogel singt einmal am liabsten. Es ist das nämliche, was wir Menschen gespüren.« Dann gingen sie beide in die Taverne. Der Oberverweser Georg Staudacher kam und bat die Stralzin um die Ehr. Ingleichen der Oberhutmann, der Obersteiger, der Schmelzmeister. Der Bader Gasteiger hob in Betracht ihres gesegneten Zustandes mahnend den Zeigefinger und führte sie trotzdessen zu einem Steirischen auf. Ihr Halbbruder, der Kurschmied Zedler, der Amtmann Joseph Salzinger, vulgo Torbäck, und der Veitkramer taten in der Folge die Bitt um einen Tanz. Und sie neigte jedesmal nur ein wenig den Kopf, man konnt nicht observieren, ob aus Schüchternheit oder aus Hochmut. Sie drehte sich leicht und schmiegsam durch die beinigen Knappen und tat sich nicht weh, weilen gar alle Obacht auf sie gaben. Item, sie war die Schönste.

      Beim Herrentisch saß der Stralz und betrachtete gleichmütig das lebfrische Gevölk, um das der Tabaksqualm dick wie gezupfte Schafwolle flog. Der Stralz verzog keine Falte. Er sah seinem Eheweib also kühl nach wie den andern, doch er wußte zu jeder Sekunde, wo sie sich befand und wer sie aufführte. Gegen Mitternacht sprach er sie um einen Tanz an. Sie waren aber noch nicht zweimal rund um den Söller gekommen, als sie zittrig seinen Arm preßte und heimlich sagte:

      »Tu mich heim.«

      Constantia Stralzin mußte ihr kostbares Sonntagsgewand alsbald in die Truhe legen. Die Kuhdirn wurde eilends in die Buglmühle geschickt. Er, der Buglmüller, war Gemeindewächter zu Öblarn, schlief wie ein Ratz auf seiner Hausbank; die Buglmüllerin aber saß in Unterkittel und Nachtjacke wach beim glosenden Herdfeuer und sagte, sie habe die Botschaft erwartet. Hierauf nahm sie ihre wichsleinerne Tasche und die Mutter Gottes von Filzmoos, berief ihren Ehekonsorten ins Haus und zog seinen Wettermantel an. Es schlug zwölf Uhren, als die beiden Weibsleute zu Frau Constantia ans Himmelbett traten. Die Musikanten pfiffen und geigten die ganze Nacht. Immer lauter krakeelten die besoffenen Knappen auf der Gasse. Die Unschlittkerze wurde kleiner. Die Flamme wurde blässer und fast unsichtbar, als die Dämmerung grau in die Fenster schillerte. Die Liebe Frau von Filzmoos, welche die Helferin der Mütter ist, schaute wächsern aus dem Glassturz. Über den warmen Schweiß der jungen Stralzin legte sich warm das erste Morgenrot, gerade als ihr Kind auf die Welt kam … Es war ein Knab’, zehn Pfund schwer, so fest und stämmig, daß es nur zu billigen ist, wann die Stralzischen Eheleut auch einen vielvermöglichen Göden ausersehen hatten, nämlich den Herrn Matthäus Ennshofer, Moar zu Stainach. Derselbige also führte den Täufling in einem hochnoblen Kalesch zweispännig in die Kirche und wußte hienach zu erzählen, daß der neugeborene Heid’ nur widerwillig und mit gottesjämmerlichem Geschrei sich ins Christentum geschickt habe, daß er, obwohl bis zum Halse eingepackt, die Fäuste aus dem Polster gereckt und das Genick gesteift habe, bis seine Wänglein prall und blau geworden wären wie ein gebratener Lederapfel. Und er wußte zu erzählen, daß der hochwürdige Pfarrer Laurentius Perger merklich den Kopf gebeutelt und ein ausgiebig Brünnlein Weihwasser über den flaumigen Schädel gegossen habe, damit im Namen des Evangelisten Matthäus auch dessen Kräfte sammentlich auf den Täufling überflössen.

      »Nomen est omen; es werde sich die Wirkung sonder Zweifel bald zeigen«, behauptete der Ennshofer. Er war ein steifer, ehrsamer Mann, der viel auf seine eigenen Aussprüche hielt, der jedes Jahr ein Dutzend Kinder zur Tauf oder zur Firmung brachte, der den Dechanten, den Prälaten, ja selbst den Bischof beherbergte, und, obschon er in der Jugend noch robotpflichtig und hörig gewest, öfter dazu ausgezeichnet ward, mit dem Grafen von Stainach zu tafeln und zu jagen. Durch diesen ersprießlichen Umgang mit gelehrten und edelgeborenen Herren lernte er ihre Manieren ab und gab sie bei einfachen Leuten wieder zum besten. Zugestanden, daß er in vielen Dingen recht behielt; bei diesem Taufkinde irrte er sich gänzlich.

      Im Stralzen Matthäus kam keine der gottgefälligen Eigenschaften auf, wie ein Bibelschreiber sie haben sollte. Schon inwährend Constantia Stralzin ihn säugte, wechselten fünf Kinderfrauen den Platz. Mit elf Monaten brannte er auf allen vieren kriechend durch und kam letztlich beim Fluderrechen wieder zum Vorschein … bockstarr, die Härlein voll Eiszapfen, todesbleich, aber lebendig. Mit zwei Jahren stahl er ein Endstrumm Hönigzelten vom Stande weg und ließ ein Fassel Met auslaufen, indes der Kramer mit entblößtem Haupte vor seinem Zeltdach stand und die drei Prozessionen andächtig vorüberzogen, welche von St. Martin, von Gröbming und der Sölk sich einfanden zur Verehrung des heiligen Markus. Die Kirchenväter prangten in scharlachfarbenen Mänteln, starken Windlichtern vergleichbar. Nebenher trippelten die Ministranten in ihren feingefältelten Chorhemden wie putzige Wachsstöck. Im Fenstergeviert des Turmes war der Dorfrichter und zog, seines hohen Alters nicht achtend, wacker das daumendicke Glockenseil. Und der Mesner Joseph Hatzy holte aus dem Torbäckenhause bereits Glut für das Rauchfaß.

      Dies alles, fürnehmlich das letztgenannte Mannsbild, war Anlaß genug, daß sich die Kindsmagd mit kugelrunden Augen verschaute, alldieweilen der Stralzenbub vergnüglich den Zelten fraß und in der Metlache auf und nieder hüpfte. Die Kindsmagd blickte immer den Mesner an und der Mesner das Bübel. Und sintemalen Joseph Hatzy in seiner freien Zeit auch als Schullehrer fungierte, zog er gewohnheitsmäßig den Spanischen aus seinem Bratenfrack und. fuchtelte nach der Bude. Nun verging der Dirn das Liebäugeln. Aber sie war nicht dumm, sie packte den Matthäus, noch ehe der Kramer den Schaden gewahrte, und trug ihn durch die Weiberpforte zum Hochamt.

      In der nämlichen Zeit


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