Italien - Gefangen in Land und Liebe. Alexander Frey

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Italien - Gefangen in Land und Liebe - Alexander Frey


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wollen ja nur bis zum Po“, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen.

      „Natürlich, und verlass Dich drauf, wir kommen auch hin. Aber so bist Du mir schon sympathischer.“

      „Da“, stieß ich Fritz an, „sieh, da kommen sie.“

      Zwei Gestalten kamen hinter den Büschen hervor, ein dritter, ich kam nicht mehr dazu, noch weiter zu zählen, denn Fritz stürzte sich auch schon in einer Art Freudentaumel über mich.

      „Junge, deutsche Landser! Zwar ganz gewöhnliche Infanteristen, aber immer noch besser, als amerikanische Panzer oder Bomber.“

      „Nun werd nur nicht vor lauter Übermut noch eingebildet.“

      „Mann, Du weißt doch – ein kleiner Spaß. Aber was hältst Du davon, sollen wir ihnen nicht ein bisschen Angst machen?“

      „Ich glaube, dafür dürfte der Zeitpunkt nicht gerade geeignet sein.

      Geben wir uns zu erkennen.“

      „Meinetwegen, Du gönnst einem aber auch gar nichts“, spielte Fritz den Schmollenden.

      Wir riefen unsere Kameraden an, die im ersten Moment nicht wenig erstaunt waren, hier auf uns zu treffen. Ohne viel Aufhebens und Aufenthalt machten wir uns miteinander bekannt. Natürlich wollten die Jungs auch zum Po – was blieb uns auch anderes übrig? Also schlossen wir uns zusammen und versuchten gemeinsam dieses Ziel zu erreichen.

      Gegen Abend fanden wir in einem Bauernhof Unterkunft. Man brachte uns Wein und Weißbrot. Das war unsere einzige Mahlzeit an diesem Tage.

      Schon hier spürte man die Unsicherheit und Verängstigung der Bevölkerung. Bisher waren wir Verbündete gewesen. Wie sollten sie sich aber jetzt verhalten? Jeden Moment konnten die Amerikaner da sein. Mussten sie uns dann nicht als unsere Feinde betrachten? Uns war nicht wohl in unserer Haut. Dennoch haben wir die Nacht gut geschlafen.

      Sofort mit Sonnenaufgang machten wir uns wieder auf den Weg. Gegen Mittag kam uns ein Lkw nachgefahren. Daneben waren die Geräusche von Tieffliegern zu hören. Der Lastwagen hatte uns gerade erreicht, da wurden wir auch schon von den Jagdbombern angegriffen. Der Lkw wurde gleich von einem Volltreffer erwischt, stand sofort in Flammen und brannte völlig aus. Die Piloten brachten ihre Maschinen so tief herunter, dass man deutlich ihre Gesichter erkennen konnte. Ich hatte noch versucht, auf das Flugzeug zu schießen, war aber in der Aufregung so unkonzentriert, dass ich daneben schoss.

      Den Insassen war nicht mehr zu helfen. Wir konnten froh sein, dass wir nicht alle erwischt wurden und mussten versuchen, so schnell es ging, weiterzukommen.

      Endlich gegen Abend, nach drei Tagen anstrengendem Fußmarsch, Strapazen und Entbehrungen, erreichten wir den Fluss. Von unseren Kameraden trafen wir hier als einzige Brandner und Fischer wieder.

      „Wo ist der Leutnant mit dem Rest?“ war meine erste Frage.

      „Keine Ahnung“, war die Antwort. „Die sind davon, Sauerei, jetzt sitzen wir hier am Po und wissen nicht, wie rüber. Kein Boot, keine Brücke und keine Fähre. Vor uns liegen 200 Meter eiskaltes Wasser.“

      Zu Tode erschöpft hauten wir uns, wo wir gerade standen, hin.

      Ohne besondere Vorkehrungen schliefen wir sofort ein.

      Von der Kälte und dem Feuer, von dem Getöse der hinter uns explodierenden Munition in den brennenden Fahrzeugen merkten wir nicht viel. Und dennoch schliefen wir nicht richtig. Zwischen Schlaf, Erschöpfung und Traum dämmerten wir dahin.

      Laute Hilfeschreie in italienisch rissen mich aus dem Halbschlaf. Ich war sofort hellwach und spähte über den vor uns strömenden Fluss.

      Es war morgens gegen 4.00 Uhr. Zwischen Dämmerung und Morgen waren nur schemenhafte Umrisse zu erkennen. Es war sehr kühl und feucht. Vom Flussufer stiegen leichte Dunstschwaden auf. Die Hilferufe kamen vom Fluss. Als sich meine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, erkannte ich eine Frau, die im Wasser auf einem Brett trieb. Das Brett war groß genug um sie zu halten, vor ihrem Kopf hielt sie einen Koffer, in dem wohl all ihre Habseligkeiten waren.

      Weder ich, noch meine Kameraden, die inzwischen auch wach geworden waren, konnten der Frau helfen. Die reißenden Fluten des Stromes zogen sie so schnell an uns vorbei, dass es unmöglich gewesen wäre, sie zu erreichen. Selbst wenn wir ein Boot gehabt hätten, wäre es uns nicht gelungen, es so schnell klar zu bekommen. Und einen so guten Schwimmer, selbst wenn er es unter Einsatz seines Lebens versucht hätte, gab es wohl auf der ganzen Welt nicht.

      Wir mussten hilflos mitansehen, wie sie weiter stromabwärts getrieben wurde und allmählich unseren Blicken entschwand. Vielleicht war es eine Dame, die mit einem deutschen Offizier reiste und nun allein gelassen worden war oder ihren Geliebten bereits in den kalten Wellen des Po verloren hatte. Was spielte das jetzt für eine Rolle?

      Ich hatte in den letzten Jahren viele Kameraden sterben sehen, aber das war etwas anderes. Wenn auch niemand an den Tod dachte, so mussten wir doch immer damit rechnen. Und trotz allem, noch im stärksten Feuergefecht, suchte man immer noch nach einer Möglichkeit um zu helfen. Aus den gefährlichsten Situationen sind unzählig viele gerettet worden.

      Hier aber tatenlos zusehen zu müssen, sich seiner eigenen Ohnmacht nur zu bewusst, wie ein Menschenleben verloren ging, machte uns die ganze Sinnlosigkeit dieses Treibens um so deutlicher.

      Jeder wollte überleben. Jetzt erst recht. Diese klagenden Hilferufe hatten uns zu neuem Lebensmut angefacht. Alles in uns begann sich zu regen. Unser Geist arbeitete fieberhaft. Es war uns nur zu klar, in welcher Gefahr wir uns befanden. Wollten wir nicht jeden Moment von dem uns verfolgenden Feind überrollt werden, galt es, so schnell wie möglich den Fluss zu überqueren. Das war unsere einzige Chance.

      Unsere Hirnzellen arbeiteten wieder wie in alten Tagen, trotz enormer Anstrengungen und Qualen, denen wir in den letzten Tagen ausgesetzt gewesen waren.

      Wir rissen unsere Kleider vom Leibe, rieben uns mit Motoröl ein und versuchten, den Fluss zu durchschwimmen.

      Die Maschinenpistolen und die Uniformen steckten wir in ein Fass, umwickelten dieses mit Telefonkabel, verbanden es mit unseren Koppeln und wollten so, mit drei Mann an einem Fass festgebunden, versuchen hinüber zu schwimmen.

      Das war leicht gesagt. Die starke Strömung riss uns sofort mit dem schweren Fass zur Seite und drohte uns alle zu ertränken. Es konnte jeden Moment umschlagen und sich voll Wasser füllen. Wie ein Klotz wäre es dann untergegangen und hätte uns mit sich in die Tiefe gerissen. Ob wir noch dazu gekommen wären, rechtzeitig unsere Koppel zu öffnen, war nur zu zweifelhaft.

      Es blieb uns keine Wahl. Wir mussten wieder zurück an Land. Schnell wurden die Kleider wieder angezogen, um unsere unterkühlten Körper zu wärmen. Nun kam zu der bisherigen Angst auch noch die Unterkühlung hinzu. Wir mussten jetzt schnell handeln. In der Ferne hörten wir schon die mahlenden Geräusche der Panzerfahrzeuge, die am Abend bis auf wenige hundert Meter an uns herangekommen waren. Die sind dann aber doch noch zum Stillstand gekommen, bevor sie uns erreichen und vernichten konnten.

      Was sollten wir tun? In amerikanische Gefangenschaft gehen? Ohne Waffen und Uniform über den Po schwimmen? Auf ein Wunder warten?

      Die Brücken waren von den Alliierten zerstört. Die Motorboote zum Teil versenkt oder lagen am nördlichen Ufer und waren für uns uns nicht zu erreichen.

      Die ganze Nacht hatten wir am Südufer verbracht in der einzigen Hoffnung, dem Amerikaner doch noch zu entkommen.

      Eine der furchtbarsten Nächte meines Lebens, wie wir vor uns hin dösten, uns vor Hunger krümmten und vor Kälte zitterten. Hinter uns krachten unendliche Mengen explodierender Munition in die Luft, weil die meisten Landser ihre Lastwagen in Brand gesteckt hatten, damit sie nicht in Feindes Hand gelangten. Es war ein gespenstischer Anblick, den ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen werde. Soweit das Auge reichte: Militärwagen, Flakgeschütze und Panzerfahrzeuge.

      Alles brannte und flog detonierend in die Luft. Was sollten jetzt noch Gedanken? Alle


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