Das Mal der Burgherrin. Sabine Müller

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Das Mal der Burgherrin - Sabine Müller


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Blick wanderte über das Homburger Land. Dieses könnte alles ihm gehören. Die Wälder, Auen, Bäche, Teiche, Bauernhöfe und Siedlungen. Stattdessen sollte er sein Leben als Krüppel in einem Kloster fristen. Das konnte einfach nicht sein!

      Plötzlich klopfte es an die Tür.

      „Was ist?“, fragte Walther verärgert.

      „Gestattet Ihr mir einzutreten, Herr?“, ertönte die Stimme seines Reitknechts Jakob.

      „Komm rein.“

      Jakob war nur wenige Jahre älter als Walther, von hagerer Gestalt und hatte einen leicht durchtriebenen Gesichtsausdruck. Er war Walthers einziger Vertrauter. Mit ihm konnte er über alles reden.

      „Wollt Ihr nichts essen, Herr? Habt Ihr Euch wieder über Simon geärgert?“

      „Der Junge bringt mich zur Weißglut! Wenn ich nur einen Weg finden könnte, um ihn los zu werden!“

      „Lasst solche Worte nicht Euren Onkel hören, er würde Euch nicht nur ins Kloster stecken!“

      „Willst du mir etwa drohen, Jakob?“

      „Nein, nein mein Herr, Ihr versteht mich falsch. Ich meine nur, Ihr solltet Vorsicht walten lassen. Eure Tante Margareta scheint Euch nicht zugetan zu sein. Sie spürt, dass Ihr Simon nicht mögt. Sie hat Ritter Thomas gebeten, Euch im Auge zu behalten.“

      „Gut, dass du mir das sagst. Diese Frau ist mir genauso zuwider wie Simon! Sie war es, die Philipp erst auf den Einfall mit dem Kloster gebracht hat. Ich muss mir etwas überlegen! Ich werde nicht ins Kloster gehen! Ich bin Ritter und kein Betbruder!“

      „Beruhigt Euch wieder! In drei Tagen findet die große Drückjagd statt. Vielleicht könnte da etwas Unvorhersehbares geschehen.“

      „Wie meinst du das?“

      „Nun, wenn so viele Ritter mit der Armbrust unterwegs sind, wer weiß, vielleicht ein Pfeil, der versehentlich darneben geht?“

      „Ich verstehe – lass uns runter zum Abendmahl gehen. Später treffen wir uns wieder und besprechen alles.“

      Walther ging den Flur entlang und stieg die Treppen hinunter zum großen Rittersaal, wo die Gesellschaft immer tafelte. Jakob folgte ihm wenige Schritte hinterher. Im Eingangsbereich gab es ein Becken mit Wasser, wo sich die beiden die Hände wuschen.

      Das Essen war schon in vollem Gange. In dem Saal, in dem bis zu fünfzig Personen Platz fanden, standen vier große Tische aus Eichenholz, der hintere an der Kopfseite war festlich gedeckt. Dort saßen der Graf und seine Familie, Bruder Hubertus, der die grauweiße Tunika der Zisterzienser trug und auf der Burg lebte sowie höhere Gäste des Hauses. Heute waren Verwandte aus Zweibrücken zu Besuch. An den drei vorderen Tischen saßen die Ritter, Edelfrauen, Knappen und das Gesinde, soweit es nicht an der Zubereitung und am Auftragen der Speisen beteiligt war. An den Wänden hingen mehrere prächtige Wandteppiche mit Jagdmotiven. Die kleine Empore gegenüber der Tafel des Grafen war leer.

      Walther nahm am Tisch seines Onkels Platz zur linken Margaretas. Die Gräfin trug ein prächtiges blaues Gewand mit einer goldenen Schärpe und einem weißen Schal. Ihre blonden Haare glänzten im Schein der Kerzen und mit ihren strahlend blauen Augen sah sie Walther tadelnd an.

      „Kannst du nicht einmal pünktlich sein? Simon war genauso lange draußen auf dem Übungsplatz und ist schon längst hier!“

      Walther blickte seine Tante nur wütend an. Er nahm sich ein Stück des Bratens und begann nachdenklich zu essen. Mit seinen Gedanken war er immer noch bei dem Gespräch mit Jakob. Er konnte es kaum erwarten, seine Pläne mit ihm zu besprechen.

      Graf Philipp von Homburg, ein Ritter von großer Gestalt mit leichtem Bauchansatz, schütterem, graubraunem Haar, der die vierzig bereits um einiges überschritten hatte, hob sein Glas: „Lasst uns auf Simon anstoßen! Er hat sich heute auf dem Übungsplatz wacker geschlagen. Wenn das so weiter geht, kann er bald zum Ritter geschlagen werden!“

      „Auf Simon!“

      „Auf Simon!“, rief auch Karl aus Zweibrücken.

      „Wenn Simon zum Ritter geschlagen wird, gibt es ein Fest auf der Homburg, wie es die ganze Gegend noch nicht gesehen hat!“

      Graf Philipp hatte bewirkt, dass Simon seine Pagenzeit auf der Homburg leisten durfte und nun, erst als Knappe in die Obhut eines anderen Adligen musste. Im Frühjahr würde er nach Zweibrücken gehen und dort in die Dienste des Grafen Walram treten, der Karls Lehnsherr war. Nun wurde er hier schon auf die Knappenzeit vorbereitet und durfte mit den Waffen und Pferden üben.

      Philipp wandte sich an Walther, der immer noch in seinem Fleisch herumstocherte.

      „Warum trinkst du nicht auf Simon? Gönnst ihm wohl seinen Erfolg nicht?“

      Walther erhob leicht seinen Becher und murmelte einen Trinkspruch, um einer Auseinandersetzung zu entgehen.

      Karl ergriff das Wort: „Ich freue mich schon auf die Zeit, wenn Simon am Hofe meines Herren sein wird. Aber was soll aus Walther werden? Sein Bein scheint nicht mehr richtig zu heilen!“

      „Im Frühjahr wird er ins Kloster Wörschweiler gehen und dem Konvent beitreten. Wir haben mit dem Abt schon alles besprochen“, antwortete Margareta.

      „Meint ihr, dass das wirklich gut für ihn ist? Er wurde doch schon zum Ritter geschlagen.“

      „Aber er wird nie in der Lage sein, als Ritter zu kämpfen. Er hat weder eine Burg, noch sonstige Mittel und könnte mit seinem Bein nie ein Lehen unterhalten. Was soll er sonst machen? Im Kloster kann er wenigstens einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen. Außerdem nimmt ihn der Abt des Klosters, der wie die erste Frau meines Vaters von den Grafen von Saarwerden abstammt, sehr gerne und die Merburger Ländereien wären dann auch nicht in fremden Händen. An die Umstellung vom Ritter zum Mönch wird er sich gewöhnen. Das haben andere auch geschafft, so mancher sogar freiwillig.“

      Walthers Blick verfinsterte sich bei diesen Worten. Wenn sie doch nur mit diesem Kloster aufhören würden. Wenigstens wusste er nun, dass seine Schonfrist noch bis zum Frühjahr anhalten würde. Bis dahin konnte viel geschehen.

      Das Gesinde begann, die Tische abzuräumen. Walther wartete auf einen geeigneten Augenblick, um sich unbemerkt zurückzuziehen.

      Er stand schließlich auf und schritt durch den Saal. Am Tisch der Bediensteten sah er Jakob kurz an. Dieser nickte ihm zu. Walther machte sich auf den Weg zu seiner Kammer. Die kleinen Gemächer in dem länglichen Palas waren alle gleich eingeteilt. Gegenüber der Tür befand sich ein Fenster mit Glasscheibe und einer Sitznische mit einem kleinen Tisch. Durch das trübe Glas hatte man einen verschwommenen Blick auf das Gelände südlich der Burg. An der einen Wand stand ein Bett und an der anderen ein hölzerner Waschtisch mit zwei Schemeln, einem Gestell für die Kleider und einer Truhe aus Eichenholz. Die Wände waren weiß gekalkt und im Winter lagen Felle auf dem Boden.

      Walther zündete eine Kerze an und wusch sich mit kaltem Wasser aus einem irdenen Krug Gesicht und Hände. Die Erfrischung tat ihm gut, obwohl es mittlerweile winterlich kalt war. Dann setzte er sich auf seinen Lieblingsplatz in der Fensternische und wartete auf Jakob.

      Nach wenigen Minuten klopfte es leise an die Tür und der Knecht trat ein. Er hatte einen Krug Wein und zwei Trinkbecher aus Holz dabei.

      „Hier lasst uns das Ganze bei einem Becher Wein besprechen, Herr.“

      Er stellte die Becher auf den kleinen Tisch, schenkte ein und Walther forderte ihn auf, auf einem der Schemel Platz zu nehmen.

      „Nun lass deinen Plan hören, Jakob. Die Gespräche bei Tisch haben mir gereicht. Wieder ging es nur um den geschickten Simon und meine Abschiebung ins Kloster.“

      Walther nahm einen Schluck Wein und ließ ihn gierig die Kehle hinunter laufen.

      „Wisst Ihr, wie lange Ihr hierbleiben werdet?“

      „Sie wollen mich erst nach dem Winter


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