Typisch!. Simone May

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Typisch! - Simone May


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Art leichter annehmen, da Sie einen Einblick in das „Drama“ seiner Geschichte erhalten. In jedem Typenkapitel lesen Sie unter der Überschrift „Rucksack“, welche Last der jeweilige Typ mit sich trägt, die ihn zu dem gemacht hat, wie er sich heute zeigt.

      So haben zum Beispiel Dreier-Kinder meist reichlich Lob und Anerkennung erhalten, allerdings immer bezogen auf Leistung oder Taten, nicht einfach dafür, dass sie da waren. Dadurch haben Dreien früh verinnerlicht, dass es nötig ist, etwas Vorzeigbares zu erschaffen, um wahrgenommen zu werden.

      Was Dreien im Umkehrschluss meist nicht gelernt haben, ist, dass es auch in Ordnung ist, einfach nur zu sein und nichts zu tun. Ihnen fehlt die Erfahrung, dass sie auch dann noch „in Ordnung sind“, wenn sie nichts dafür getan und nichts vorzuweisen haben oder mit einem Projekt auf die Nase gefallen sind. Die Persönlichkeit des Typs 3 hat Erfolg als Antreiber verinnerlicht. Daran hält sie auf Biegen und Brechen fest, im Zweifel auch, indem sie sich selbst etwas vormacht – aus Angst, abgelehnt und nicht geliebt zu werden. Eigentlich wünscht sich eine Drei nichts sehnlicher, als einfach nur sein zu dürfen und geliebt zu werden, ohne etwas dafür tun zu müssen.

      Die Typ 3-bedingte Persönlichkeitsentwicklung und ihre Versöhnung – der Weg der Drei zurück zum Ursprung – gehen wie bei allen Typen durch die Angst (Abb. 2). Zuallererst fühlt es sich bedrohlich an, an sich zu arbeiten. Es macht (dem Ego) Angst, die erste Schicht zur Persönlichkeit zu lüften, es fürchtet, durchschaut zu werden, und reagiert mit Abwehr. Typische Aussagen von Seminarteilnehmern sind an dieser Stelle „Ich will so bleiben, wie ich bin! Es gibt keinen Grund, an mir zu arbeiten!“. Die zweite Schicht, die es zu durchdringen gilt auf dem Weg zum Wesenskern, ist die Scham. Muster aufzudecken und für andere anders sichtbar zu werden, erfüllt mit Peinlichkeit. Wer dran bleibt, Angst überwindet und Scham zulässt, kommt alsbald an seine Wut. Es steigen Zorn und Wut auf, die auch jeweils typspezifisch sind. Zum Beispiel darüber, dass sich Muster nicht so schnell ändern lassen oder dass es überhaupt zu Mustern gekommen ist, oder Ärger über die eigenen Grenzen. Auf dem Weg zur persönlichen ENT-Wicklung und zur Essenz hat jeder Typ eine typspezifische Herausforderung zu meistern und immer gilt es, das zu lockern, was im Typmuster gefangen hält, das Ego zu überwinden und die selbst begrenzenden Anteile der Persönlichkeit aufzuweichen. Bei der Drei heißt das, sich von der anstrengenden, übertriebenen Erfolgsorientierung und der daraus folgenden (Selbst-)Täuschung zu verabschieden. Es bedeutet, zu lernen, loszulassen, zu entspannen und darauf zu vertrauen, dass die Dinge sich auch ohne ihr Zutun entwickeln. Zu spüren, dass sie auch dann noch gemocht wird, wenn sie einmal nicht so gut dasteht. Sollten Vorhaben einmal misslungen sein, ist es eine gute Alternative, dazu zu stehen, statt sich selbst und anderen etwas vorzumachen.

       Abb. 2: Der Weg zurück zum Wesenskern führt durch die typspezifische Angst.

      Das Enneagramm zeigt jedem Typen, wie er den Weg zurück zum Ursprung, zur reinen Identität, der Authentizität, findet und seine festgefahrenen Muster überwinden kann.

      Bei der Überwindung der eigenen Typfixierung hilft der sogenannte Entwicklungspunkt. Arbeiten mit dem Entwicklungspunkt heißt, die positiven Aspekte jenes Typs als Ressource zu nutzen, um mit sich selbst einen Schritt weiterzukommen. Zurück zum Praxisbeispiel: Der Entwicklungspunkt von Typ 3 (Macher) ist Typ 6 (Skeptiker). Eine besondere Kompetenz von Sechsen ist das Hinterfragen von (verborgenen, tiefgründigen, bedrohlichen) Absichten und das Prüfen von Zusammenhängen im Hinblick auf mögliche Probleme. So kann zum Beispiel Typ 3 sich selbst folgende kritische Fragen stellen: „Was tue ich hier eigentlich? Welchen Zweck haben meine Aktivitäten? Welche Leere füllen meine (sinnlosen) Taten?“ oder „Warum tue ich das? Was erhoffe ich mir davon?“ und weiter „Was hindert mich, darauf zu vertrauen und zu glauben, dass ich geliebt würde, bedingungslos, ohne etwas dafür getan zu haben?“

      Die Antworten auf diese Fragen unterstützen ihn, seine Erfolgsantreiber zu entlarven. Sie helfen ihm zu erkennen, wie viel leichter sein Leben wird, wenn er einigen Antreibern nicht nachgibt, seine Aktivitäten auf ein Normalmaß herunterfährt und damit zu echter Work-Life-Balance kommt. Wenn er lernt, darauf zu verzichten, ein bestimmtes Bild von sich aufrechtzuerhalten und sich dadurch selbst unter Druck zu setzen, wird er lockerer. Auch werden andere es dadurch leichter haben, auf ihn zuzugehen und ihre Wertschätzung und Zuneigung auf der persönlichen, nicht leistungsbezogenen Ebene zu zeigen.

      Wir alle kennen Sprüche und Lebensweisheiten wie „Weniger ist mehr“ oder „Abwarten und Tee trinken“, für eine Drei ist das aber ganz schwer umzusetzen. Als Kollege oder Chef einer Drei können Sie die Drei in ihrem Entwicklungsprozess emotional unterstützen und entlasten, indem sie ihr auch in einer aus ihrer Sicht unbefriedigenden Situation Wertschätzung entgegenbringen, ihr bewusst erlauben, auch einmal kürzer zu treten, weniger zu tun und auf das, was kommt, nur zu reagieren.

      Im Entwicklungspunkt liegt also das heilsame Potenzial, zur Befreiung aus dem festen Persönlichkeitsmuster. Das Potenzial, „ganz“ zu werden, die Möglichkeit, im Tiefschlaf schlummernde Ressourcen aufzuwecken und zu nutzen. Damit ist die Arbeit mit dem Enneagramm sehr effektiv – durch den Entwicklungspunkt kann die Ursache von Entwicklungshürden und einschränkenden Glaubenssätzen eingegrenzt und thematisiert werden.

      Im Verständnis der Tiefenstruktur der Persönlichkeit liegt die Chance, Empathie zu empfinden und den Menschen zu nehmen, wie er ist – und zwar auch und gerade dann, wenn er in seinem Typ-Muster gefangen scheint.

      Auch wenn jetzt Zweifler sagen mögen: „Na, aber so einfach ist es doch bestimmt nicht!?“ Doch. Es ist so einfach. Meine langjährige Arbeit mit dem Enneagramm bestätigt mir: Das System ist in sich schlüssig. Oft sagen mir meine Klienten: „Woher wissen Sie das von mir? Sind sie Hellseherin?“

      Umso mehr freut es mich, dieses Modell kennengelernt zu haben, damit arbeiten zu dürfen und andere darin zu unterstützen, ihren persönlichen Entwicklungsprozess leichter und effizienter zu gestalten.

      Wer mit sich selbst im Reinen ist, sich annehmen und lieben kann, sieht auch leichter die liebenswerten Seiten seiner Mitmenschen, erkennt ihr verletzliches Wesen und begreift die verborgene „Not“ hinter ihrem Verhalten – ganz im Sinne von „Ich sehe dich“, was Neytiri im Film Avatar zu Jake gesagt hatte.

      Das Entdecken des eigenen Persönlichkeitsmusters kann sehr befreiend und erleichternd wirken. Die unbewussten Mechanismen zu durchschauen und den dazu passenden „Lösungsschlüssel“ zu entdecken, nimmt unglaublich viel Druck von der Seele, erleichtert einen liebevollen, wohlwollenden Umgang mit sich selbst. Man wird einfach gelassener und entspannter.

      Das Erkennen des eigenen Typs kann aber auch ernüchternd sein. Unbewusste Persönlichkeitsanteile werden präsent, der Schleier zum Wesenskern (Essenz) gelüftet, die erworbene, künstliche Persönlichkeit (Ego) entlarvt. Und das, was wir da über uns erfahren, mag uns nicht immer willkommen sein. Dennoch: Sie entscheiden selbst, wie tief Sie in diesen Prozess einsteigen wollen!

      Wenn Sie sich das erste Mal mit dem Enneagramm beschäftigen und die Typenbeschreibungen durchlesen, werden Sie sich vermutlich an vielen Stellen wiedererkennen. Sie werden feststellen, dass Sie von jedem der Typen bestimmte Verhaltensweisen, Ansichten oder Gefühle nachempfinden können oder selbst schon einmal erlebt haben. Genau genommen ist das nicht erstaunlich, denn jede der Eigenschaften, die in den Enneagrammtypen beschrieben werden, ist zutiefst menschlich und als Menschen haben wir selbstverständlich alle menschlichen Anteile in uns. Jedoch nicht zu gleichen Anteilen. Man hat nur einen Typ und das hat etwas mit der eigenen Biografie zu tun.

      Die Unterschiede der Typen ergeben sich aus den Motiven, die den Eigenschaften und Verhaltensweisen zugrunde liegen. Anhand derer kann man die Typen klar voneinander unterscheiden. Jeder Typ bewegt und orientiert sich aufgrund eines zugrunde liegenden unbewussten „Strickmusters“, das sich wie ein roter Faden durch das gesamte Verhaltensrepertoire


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