SOKO bizarr. Axel Hildebrand
Читать онлайн книгу.hatte also seinen Tee mit dem niedlichen Bärchenbild geschlürft, als er die beiden Gestalten sah. In ihren knallgelben Funktions-Arschteuer-Atmungsaktiv-Jacken.
So im Nachhinein hätte ihm das schon einen Hinweis geben können.
Gelb. Knallgelb.
Welche Einbrecher ziehen sich schon so an? Und kommen tagsüber quer über den Rasen gelaufen?
Das ist wohl schon ungewöhnlich. Aber woher sollte Alex das wissen? Es waren – verdammt nochmal – seine ersten Einbrecher. Also mutmaßlichen Einbrecher.
Er war jedenfalls total aufgeregt. Und erschrocken. Nicht unbedingt in der Reihenfolge.
Alex stand am Fenster, hinter den Vorhängen, und spähte hinaus. Die beiden gelben Hansel staksten über seine Beete. Achteten darauf, dass nichts kaputt ging von dem Salat. Oder wollten sie nur keine Fußabdrücke hinterlassen?
Alex traute denen alles zu.
Auch, dass sie ihn umbringen wollten.
Nicht nur beklauen.
Auch abschlachten.
Wär ja einfach. Wer sollte denn hier seine Schreie hören? Der nächste Nachbar war über drei Kilometer weit weg. Und schwerhörig. Falls den nicht auch schon jemand abgeschlachtet hatte. Oder er an Altersschwäche gestorben war. Alex hatte seinen Nachbarn jedenfalls schon über ein Jahr nicht mehr gesehen.
Alex wusste in diesem Augenblick, dass es eine Frage von „die oder ich„“ war. Sowas weiß man einfach. Da muss es keine Anhaltspunkte geben oder dieses ganze Zeug, nach dem einen die Polizei oder der Richter später fragen würde.
Scheiß auf Beweggründe!
Alex wollte leben! Und zwar nicht, weil es besonders toll war. Sein Leben. Eher im Gegenteil. Aber das Leben – so dachte Alex sich später beim Bierchen – das Leben ist kostbar. Man hat nur eins. Vermutlich.
Scheiß auf Reinkarnation!
Harald und Frederick waren inzwischen hinten auf der Wiese. Irgendwann war das mal Monikas Kräutergarten gewesen. Aber jetzt nur noch kniehoher Dschungel.
Die Schatzsucher liefen herum. Starrten auf ihre kleinen GPS-Geräte und packten dann eine Schaufel aus.
Aha!
Falls Alex vorher noch irgendwelche Bedenken gehabt hatte – jetzt nicht mehr. Spätestens jetzt nicht mehr.
Schaufeln sind für viele Dinge gut. Fürs Grabschaufeln. Fürs Köpferunterhacken, wie bei den Zombieserien und sie sind in den richtigen Händen Waffen. Ziemlich gute Waffen. Mit den scharfen Kanten am Rand. Okay. Jetzt nicht so gute Waffen wie Alex‘ Armbrust. Aber ganz okay im Nahkampf.
Scheiß auf Nahkampf.
Harald merkte erst, das Frederik tot war, als er ihn was fragen wollte. Und in dem Moment, als er den Bolzen im Auge seines Freundes stecken sah, da erwischte es auch ihn. Alex musste kichern. Wenn es stimmte, dass sich die letzten Bilder vor dem Tod irgendwie auf der Netzhaut einbrennen, dann würde man bei Frederik und Harald nur noch etwas Kleines, Rundes, Spitzes erkennen, das sich mit über 100km/h näherte.
Alex kicherte weiter. Das war vermutlich das Adrenalin, das einen durchspült, wenn man gerade dem Tod von der Schippe gehüpft ist.
„Schippe. Hi, hi, hi.“
Alex konnte gar nicht mehr aufhören, zu kichern.
Später – es muss locker eine Woche später gewesen sein – da las Alex dann eine ganze Menge im Internet. Über „Geocaching“ und die sogenannten Schätze, die man da so sucht, anschaut und wieder verbuddelt. Über die nutzlosen Sachen, die da drin sind, in diesen kleinen Keksdosen. Und über die Freude, die so ein Hobby in der freien Natur einem machen kann.
Mal abgesehen von Harald und Frederick.
Alex ist jetzt nicht der Typ, der Fehler zugibt. Also nicht gerne. Und wenn – dann macht es ihn wütend. Da hilft auch der Tee mit den knuddeligen Bärchen nichts mehr.
Also hat Alex beschlossen, dass Frederik und Harald keine Fehler waren. Wenn hier überhaupt einer einen Fehler gemacht hat, dann ja wohl die beiden Idioten in ihren verschissenen, gelben Jacken. Schließlich ist das hier ein Privatgrundstück!
Und in Amerika hätte Alex hier sogar Tretminen legen können. Um sich zu schützen. Und er hätte einen ganzen Schrank voller schwerer Feuerwaffen.
Das wär was! Amerika!
Ist aber leider Hessen. In Deutschland.
Also muss die Armbrust reichen.
Trotzdem fragte sich Alex eine ganze Weile, wie zum Teufel die beiden Deppen ausgerechnet bei ihm auf der Wiese gelandet waren?
Er grub an der Stelle, wo die beiden zuerst gestanden, dann später gelegen hatten und jetzt auch verscharrt sind.
Alex musste dazu die beiden Kadaver sogar extra nochmal rausholen. Um genau nachzusehen, wo denn nun der dämliche „Schatz“ versteckt ist. Wär ja zu und zu bekloppt, wenn da nun jede Woche irgendwelche Penner kämen und auf seinem privaten schönen Land rumlaufen wollten.
Aber da war kein Schatz.
Wie sich später herausstellte, war es vielmehr ein Tippfehler in der Datenbank im Internet. Ja, es gab wirklich eine Datenbank. Und die Koordinaten von Alex‘ Grund und Boden waren offensichtlich aus Versehen da reingeraten.
Ein Skandal!
Fand zumindest Alex. Und sicherlich wäre das sehr einfach zu lösen gewesen – eine Mail an die Website und auf den Fehler aufmerksam machen. Fertig.
Aber Alex scheute die Registrierung. Er mag es nicht, wenn man ihm dann Werbung schickt. Und schon gar nicht mag er die Idee, dass irgendwelche verblödeten Nerds dann wussten, wo er wohnt, wie er heißt und vielleicht auch noch welche Pornos er sich ansieht.
Alex ergreift eine andere – mindestens so wirkungsvolle Maßnahme: Er kauft sich eine neue, bessere Armbrust. Zur Sicherheit.
Eine mit patentiertem Kreuz-Recurve-Rollen-System. Da wird die Sehne an vier Stellen gleichzeitig gestrafft. Das erhöht Schlagkraft und Präzision.
„Das ist im Vergleich, als ob Sie einen Apfel mit einem Skalpell schneiden oder ihn an die Wand werfen.“, hat der der Verkäufer gesagt. Alex hat das nie so ganz verstanden. Aber er hat das Ding gekauft. Weil’s das Teuerste und Beste im Laden war. Man gönnt sich ja sonst nix. Und teuer muss gut sein. Ein Leitfaden, mit dem Alex immer gut gefahren ist bisher. Auch beim Wein. Da hat er keine Ahnung von – aber wenn man die teuerste Pulle nimmt, stimmt es schon.
Warum soll das nicht auch bei Waffen funktionieren?
Die Nachmittage sind lang. Wenn man eine neue Armbrust hat. Wenn nichts passiert. Wenn man am Fenster hockt und den kleinen Schwärmen von Fliegen zuschaut, die über dem Gras tanzen. Wenn längst nicht genug Krähen vorbeikommen, um in der Übung für bewegliche Ziele zu bleiben. Wenn das Teewasser dauernd kalt wird.
Alex fühlt sich jetzt zwar sicher. Aber Sicherheit ist manchmal auch sehr, sehr öde.
Einmal kam einer von diesen affigen Familienvans vorbei. Diese „Platz für 27 Kinder, drei Bollerwagen und die Oma“-Dinger aus der Werbung. Wo die Monitore fürs Kinderberuhigungsprogramm gleich fest in die Kopfstützen eingebaut sind. Und natürlich hybrid. Man liebt ja die Umwelt.
Echte Umweltliebe wäre es, weniger hässliche Kinder zu produzieren, meint Alex. Aber ihn fragt ja keiner.
Und eigentlich wollen die Leute nur nach dem Weg fragen. Weil ihnen ihr Navi abgekackt war – vermutlich, weil die doofen Sprösslinge die Batterie mit ihren Disneyfilmen leergenuckelt hatten.
Alex