Das Kartell der Skorpione. Mario Monteiro
Читать онлайн книгу.»Diese Schweine! Hör auf mit der Flennerei, in deinem Alter!«
Robby fuhr mit den Fingern in seine Augen.
»Aber darum haben sie dich hier nicht verdroschen.«
Robby druckste und hatte den Kopf bis auf die Knie gesenkt. Wieso wollte denn Boris alles so genau wissen? Es hätte ja doch keinen Sinn. »Wir haben ... den Kerl, den Aufseher meine ich ... wir haben ihn doch abgepasst.«
»Wer ... wir?«
»Jorge, Emani und Curt und ... ich.«
Boris verstand. Den Rest konnte er sich selber denken.
»Wir wollten’s dem Schweinehund mal richtig geben. Hat er doch verdient. Oder nicht?«
»Hat er.«
»Wär’ ja auch nicht so schlimm gewesen, wenn Augusto nicht noch gekommen wär’. Weißt du, der Augusto ist mordsstark und hat schon eine richtige Pistole.«
Boris legte seine Hand auf Robbys Schulter. »Also gut, wie war das mit dem Kerl vom Super?«
»Ich ... ach, ich weiß doch auch nicht mehr so genau ... Ich glaube, Emani war’s ... . ja ja, Emani. Der hat angefangen. Der hat ihn in die Nieren getreten und dann in den Sack! Weißt du, mit aller Wucht. Ganz klar, der Aufseher ging in die Kniee. Hat richtig geblökt. Gebettelt hat er sogar. Gebettelt!« Robby strahlte plötzlich. »Curtchen wollte ihm immer das Maul zuhalten. Und dann hatte ihm Jorge den Fuß auf den Hals gesetzt.«
»Recht so«, ermunterte Boris. »Und weiter. Was dann?«
»Wir stießen ihn in die Rippen, bis er aufschrie. Mehr wollten wir doch gar nicht. Aber Augusto hatte auf einmal eine Pistole in der Hand. Wir wussen doch gar nicht, dass der so ein Ding hatte.«
Boris krümmte den Zeigefinger. »Stimmt’s?«
Robby zögerte. Dann war es raus.
»Zweimal hat er abgedrückt und dann ... ach ... ich weiß nicht mehr wie oft. Wir rannten doch gleich weg und die vom Super hinter uns her. Nur mich haben sie gekriegt, wegen der blöden Sandalen.« Robby zeigte auf die nackten, blaugeschlagenen Füße. »Nur wegen dem blöden Wasserschacht, in dem ich hängen blieb. Ich landete einfach mit der Nase in der Rinne.«
Robby jappte. »Und irgendeiner immer den Fuß in meinem Genick. Assasino“ – schrien sie. Ich sei der Mörder. Totschlagen, nix wie drauf. Fertigmachen, brüllten die nur noch. Und ich konnt’ doch gar nix sagen, mit dem Gesicht auf dem Kanaldeckel.«
»Wer hat ›Mörder‹ geschrieen?«
»Alle! Es war doch ein ganzer Haufen. Ich hab doch nix gesehn. Immer das Gesicht im Rinnstein! Nur den hundsgemeinen Boss vom Super ... den hab ich immer brüllen hören und der ist doch schuld an allem ... nur weil ich gesehen hab’, dass die den Arminio die ganze Nacht im Eiskeller hatten.«
»Und Arminio? Der war doch ...?«
Robby zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Sie hätten keinen Arminio gekannt, behaupteten sie im Super.«
Boris gab Robby einen Klaps auf die Schulter. »Mein lieber, da sitzt du aber ganz schön in der Tinte.«
»Zum Glück kamen die Bullen.«
»Zum Glück?«
»Klar. Sonst hätte mich der Geschäftsführer noch auf der Straße abgemurkst. Und ich war’s doch gar nicht, der geschossen hat ... ich nicht.«
»Hast du die Pistole nicht in der Hand gehabt? Nicht eine Sekunde lang?«
»Nein«, schrie Robby entsetzt.
»Pst«, machte Boris. »Ganz bestimmt nicht?«
»Nein«, wehrte sich Robby. Der Delegado brülle auch jedes Mal, ich sei’s gewesen . Und ich soll’s zugeben, dann ließe er mich laufen.« Robby hielt das blutbesudelte T-Shirt hoch. Nichts als Striemen und blaue Flecken. »Ich hätte die Pistole gehabt und nachher weggeworfen, behaupten sie dauernd. Sie hätten die Waffe gefunden.«
»Hat dir der Martinez die Pistole gezeigt?«
»Nein.«
»Wenn das wahr ist, was du da sagst ...«
»Aber ich schwör’s.«
»Da kannst du dich umgucken, wie du hier rauskommst.«
Robby starrte ihn aus verweinten Augen an.
»Wenn du’s nicht zugibst, schlagen die dich da droben noch halb kaputt.«
Sie müssten es ihm einfach glauben, schluchzte Robby.
»Einen Dreck müssen die ... nichts als einen Schuldigen muss der Martinez vorzeigen, einen der alles zugibt und unterschreibt.«
»Ich kann nicht schreiben.«
Boris zog die Lippen nach unten und grinste. »Daumenabdruck genügt.«
Woher sollte der Junge wissen, wie schnell die so ‘ne Geschichte
vom Tisch haben? Und dass sie nur prügeln und schocken und einen wehrlosen Buben vor sich herschubsen bis sie ihn vor dem Richtertisch haben.
»Besser für dich, du sagst gleich, du seist’s gewesen. Ein oder zwei Jahre Jugendarrest. Mehr können sie mit dir nicht machen. Immer noch besser als dich zum Krüppel schlagen zu lassen. Die können das nämlich!«
»Aber ich war’s doch nicht«, trotzte Robby.
»Halt die Fresse«, zischte Boris.
»Und du«, fragte Robby. »Warum bist du hier?«
Boris lachte leise. »Cocaina, Freundchen. Cocaina. Superware und einen LKW voll Karabiner.«
Robby riss die Augen auf. Waffen und Stoff. »Einen ganzen Karren voll mit dem Zeug?« Und da grinste der Kerl noch ganz frech. Als ob sein Fußballteam gerade die Meisterschaft gewonnen hätte.
»Wie viel gibt’s dafür?«
Boris zuckte mit den Schultern. »Fünfzehn oder zwanzig Jährchen vielleicht!«
Dann grinste er und hielt Robby die Hand hin. »Nur mal ganz mit der Ruhe, Jung«, und dann, fast unhörbar, »halt die Klappe ... morgen biste raus.«
Robby starrte ihn verständnislos an. Was sollte das heißen, morgen ... raus? Die Finger des Kleinen hatten sich unerwartet in der massiven Hand des Dealers verloren. Noch einer, der ihn nur tröstete. Morgen raus, sagte der Kerl? Wohin denn so schnell? Natürlich war das alles Quatsch. Konnte nur Quatsch sein! Nur der
Martinez könnte ihn rauslassen und der wollte ja nicht. Aber wenn nun doch ... Robbys Mauszähnchen kamen zum Vorschein. Boris legte ihm den Zeigefinger auf den Mund. Also Klappe halten. Immer nur die Klappe halten! Boris rutschte zu Storca hinüber und schob zweimal drei Finger ineinander. Storca zweifelte. Boris hatte schon immer so seltsame Marotten. Zwei mal drei Finger ineinander. Okay! Wenn er den Kleinen unbedingt mitnehmen wollte.
Draußen im Gang erlosch das Licht. Morgen also. Kolossal. Richtig kolossal wäre das. Robby lauschte auf verhallende Stiefeltritte draußen vor den Zellen. Dann kroch die Angst über seinen Bauch. Die Drahtschlinge! Vorsichtig rückte er an Boris heran. Der Dealer grinste in die Nacht vor der Abrechnung.
Das abstoßende, schreckliche Ungeheuer stand ganz plötzlich vor Robby, Dann machte es einen Satz, sprang über ihn hinweg. Robby sah die spitzen messerscharfen Krallen. Nein, Fingernägel aus Eisen waren das und Blut troff an ihnen herunter und versickerte im Schlamm.
»Nein, bitte ... nein!«
Boris stieß ihn an. »Du träumst.«
Schweiß troff von seiner Hand. Der Junge tastete nach dem Dealer.
Gott sei Dank. Boris hockte, mit einer Hand auf Robbys Knie, neben ihm. Durch das Fensterchen über ihm flutete graugrünes Licht herein. Robby spitzte