Alexa und das Zauberbuch. Astrid Seehaus

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Alexa und das Zauberbuch - Astrid Seehaus


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mit seinen braunen Locken und der leichten Sonnenbräune unverschämt gut aussehend, lachte. Die beiden Grübchen, die sich auf seinen Wangen zeigten, machten ihn noch sympathischer als er ohnehin schon aussah. Die Mädchen beteten ihn geradezu an, und Gisela, die kaum noch röcheln konnte, strahlte bei seinem Anblick wie ein Weihnachtsbaum mit Festbeleuchtung.

      Der Angehimmelte schlang den Sicherheitsgurt um den Bauch und ergriff etwas an der Wand, das sich über seinem Kopf befand. Er setzte einen Fuß auf einen nachgebildeten Felsvorsprung und zog sich in die Höhe. Dann griff seine Hand in eine Ritze, in der er sich festhielt, um den nächsthöheren Felsvorsprung zu erreichen. So zog er sich höher und höher, von Felsvorsprung zu Felsvorsprung, bis er oben angekommen war, auf die andere Seite hinüberkletterte, sich von Fels zu Fels wieder herunterschwang und wieder auf dem Boden landete. Gleich danach tauchte sein Lockenkopf hinter dem künstlichen Felsen auf und die Schlinge flog zurück in die Hand des Lehrers.

      „Wer ist der Nächste?“, fragte Herr Bastian.

      Es meldete sich ein Junge, und die gleiche Prozedur begann. Diesmal nicht ganz so schnell wie bei seinem Vorgänger.

      Er brauchte doppelt so lange.

      Die gesamte Gruppe musste sich an dieser Wand ausprobieren. Der Lehrer stoppte dabei die Zeit. Niemand hatte Clemens unterbieten können. Und dann kam Gisela an die Reihe. Sie hatte gehofft, dass sie nicht zu klettern brauchte. Jeder wusste, dass sie unter unerträglichen Höhenängsten litt.

      Wie erwartet blieb sie an der gleichen Stelle wie immer zähneklappernd am Felsen kleben und starrte nervös nach unten. Zehn Augenpaare waren auf sie gerichtet. Die anderen Mädchen fingen an zu tuscheln, die Jungen machten noch nicht einmal den Versuch, sich das Lachen zu verkneifen.

      „Komm schon, Gisela! Die Stunde ist gleich vorbei, du hältst wieder einmal den ganzen Laden auf“, sagte Herr Bastian gereizt.

      „Ich kann nicht mehr“, wimmerte Gisela und war den Tränen nahe.

      „So ein Fettkloß!“, flüsterte ein Junge, laut genug, damit es auch alle verstehen konnten. „Die würde es noch nicht einmal schaffen, wenn die Wand kniehoch wäre.“

      „Beweg endlich deinen Hintern, Mädchen! Wir können hier nicht ewig auf dich warten“, schnaufte Herr Bastian vor Ungeduld, dass sich seine Nasenflügel blähten.

      Alexa beobachtete ihn fasziniert. Sie überlegte, wie er wohl aussehen würde, wenn es aus seinen Ohren und Nasenlöchern dampfen würde. Und da ihr die Idee gefiel, kreuzte sie zwei Finger und sprach leise eine Beschwörungsformel: „Schnippe-di-schnappe-di-schnu, dein Mund bleibt zu, doch aus Nas’ und Ohr quillt mit Macht Qualm schwarz wie die Nacht.

      Doch ... äh? ... Das war nicht das, was sie gewollt hatte. Erstaunt beobachtete nicht nur sie, wie Gisela plötzlich einem Känguru gleich von Stufe zu Stufe hüpfte und bäuchlings über die Felskante purzelte. Quiekend wie ein verängstigtes Ferkel fiel sie auf der anderen Seite des Felsens die Wand hinunter und landete auf ihrem Hintern. AUA!

      Silberhaar stöhnte auf: „Na, wer sagt’s denn! Geht doch, Mädchen! Man muss nur wollen.“

      Giselas hochrotes Gesicht tauchte mit einem Ausdruck tiefster Bestürzung hinter der Felswand auf. Ihre Mitschüler glotzten sprachlos.

      Herr Bastian blickte auf seine Stoppuhr. „Gisela, heute warst du die Schnellste. Sehr gut!“ Ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, stolzierte er wie ein Pfau davon.

      Gisela starrte ihm nach. Niemand sagte etwas. Ihre Mitschüler trotteten davon und ließen sie an der Wand stehen, und Alexa saß immer noch auf dem Baum und musste darüber nachdenken, warum ihr Rauchzauber versagt hatte.

      Der Tag war vorüber, und Alexa grübelte sich die Gehirnwindungen krumm, warum ihr Schadenzauber nicht gewirkt hatte. Statt, dass Silberhaar aus Nase und Ohren Rauch geblasen hatte, war die Hexenjägerin mit dem Namen Gisela flink wie ein Wurzelwicht die Wand hinauf- und wieder hinuntergeklettert. Wenn Alexa so darüber nachdachte, musste sie sich auch eingestehen, dass der Rückkehrzauber, den sie für diese Gisela gewirkt hatte, eigentlich auch nicht funktioniert hatte. Nicht weil sie die Formel falsch angewendet hatte, sondern ...?

      Sondern?

      Sondern, was?

      War sie verhext worden? Hatte die Hexenjägerin sie mit einem Bannfluch belegt?

      Hatte sie?

      Das wäre ja geradezu entsetzlich.

      Wie stets in den letzten Tagen, wenn Alexa die Hexenjägerin Gisela verfolgte, kamen sie an einer Wirtsstube vorbei, aus der es köstlich roch. Da man sie wegen ihres merkwürdigen Geldes, ganz gleichgültig ob Falschgeld oder echte Goldmünzen, nicht bediente, streifte sie hungrig durch die Fußgängerzone. Sie war es durchaus gewohnt, manchmal tagelang nichts zu essen, aber jetzt war sie wirklich sehr hungrig. Jedes Mal, wenn sie versucht hatte, sich Essen herbeizuzaubern, waren es ganz andere Dinge, die vom Himmel fielen. Einmal hatte sie statt eines gebratenen Hühnchens schwarze Katzen regnen lassen. Das war unangenehm gewesen, denn sie hatten wild um sich gekratzt und gebissen. Alexa war hungrig geblieben und zudem noch völlig zerkratzt.

      Bevor sie die Hexenjägerin mit einem Bannfluch stellte, musste sie also erst einmal ihren Bauch beruhigen. Wenn die Beschwörung zum Herbeischaffen von Mahlzeiten nicht funktionierte, musste sie sich etwas anderes ausdenken. Alexa ging in den Park und probierte Beeren, die widerlich schmeckten. Das Kaninchen, das sie mit bloßen Händen fing, musste sie wieder laufen lassen, weil zwei alte Damen mit Regenschirmen auf sie einprügelten. Zerknirscht sah sie zu, wie ihre Mahlzeit munter davonhoppelte. Zu guter Letzt versuchte sie, in einem Geschäft am Rande der Wiesen die Eisentöpfe mit den Fleischbildern durch einen Zauber zu öffnen, was ihr nicht gelang. Statt der heiß ersehnten Mahlzeit aus der Dose schoss ein riesengroßer, alter Lederstiefel aus dem Nichts auf sie zu und beförderte sie im hohen Bogen durch die Ladentür nach draußen, wo sie völlig benommen sitzen blieb.

      Während es allmählich dunkel wurde und sie mit wütend knurrendem und fauchendem Magen durch die Fußgängerzone schlenderte, fiel ihr Blick auf eine Ein-Cent-Münze, die jemand verloren hatte.

      „Und wer hat da geunkt, dass das Glück nicht mit mir ist?“, murmelte Alexa selbstzufrieden. „Geld! Und aus diesem Geld mache ich noch mehr Geld.“ Sie schnappte sich die Münze und verzog sich in eine Nebenstraße. Rasch sah sie sich um und vergewisserte sich, dass sie allein war. Dann sprach sie die Beschwörungsformel für das Verdoppeln von Münzen. „Aus eins mach zwei, aus zwei mach vier! Verdoppel’ es und schenk es mir!

      Nichts geschah.

      Sie wartete.

      Sie wartete lange.

      Immer noch nichts.

      Bis … es leise „blob“ machte. Alexa war sich nicht sicher, ob sie sich dieses „Blob“ eingebildet hatte oder nicht. Sie bückte sich.

      Nein, da war nichts.

      Sie bückte sich tiefer.

      Nichts.

      Sie kniete nieder und drückte ihr Ohr auf das Pflaster, wo die Münze lag. Ein ohrenbetäubendes „BBBLLOOOOOBB!“ krachte an ihr Ohr.

      „Ziegendreck nochmal!“, fluchte Alexa und schnippte sich hastig weg.

      Mit baumelnden Beinen saß sie nun in der Regenrinne des Nachbarhauses und beobachtete das Blobben. Es machte noch einmal „BLOB“, dieses Mal in Zimmerlautstärke. Dann noch einmal „blob-blob“ im Flüsterton. Und siehe da, der Mechanismus des Verdoppelns kam wie ein altes, verrostetes Rad, das man geölt hatte, wieder in Gang.

      „Blob“, ein Cent, „blob-blob“, zwei Cent, „blob-blob-blob-blob“, vier Cent.

      Es blobte so weiter, bis Alexa zweiunddreißigtausend-siebenhundert-undachtundsechzig Cent vor sich liegen sah. Das war ein schöner Batzen Geld, sinnierte sie. Viel Geld für viele gebratene Hühnchen. Sie war sehr zufrieden mit sich.

      In der Zwischenzeit war es Mitternacht geworden. Alexa konnte vor Hunger kaum noch denken. Sie


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