Tatzeit Weihnachten. Edith Kneifl

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Tatzeit Weihnachten - Edith Kneifl


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      »Das ist wieder typisch für dich! Wenn ich verzweifelt bin, hast du nie Zeit für mich. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt zu dir kommen werde. Du und Philip, ihr raucht euch doch eh wieder nur ein. Und ich, was soll ich machen? Mich betrinken? Das ist keine Lösung …«

      »Ich bitte dich, Brigit, beruhige dich. Du wirst sehen, wir werden einen wunderschönen Heiligen Abend miteinander verbringen. Ich habe ganz tolle Sachen eingekauft, Gänseleber, Kaviar und deinen geliebten Lachs.«

      »Woher hast du das Geld?«

      »Von Philip«, log Isabella.

      »Hoffentlich wird er heute mal halbwegs nüchtern sein.«

      »Das wird er. Seit kurzem trinkt er erst ab Sonnenuntergang.«

      »Der ist schon eine Weile her.«

      »Ach Brigit, jetzt zieh dich schön an und dann kommst du rüber, okay? Und vergiss nicht, den Sekt mitzubringen. Für Sekt hat meine Marie nicht mehr gereicht.«

      Um achtzehn Uhr läutete es.

      Nicht Brigit, nicht Philip, sondern Caspar stand vor der Tür.

      Er kam zu früh. Hatte sie nicht neunzehn Uhr gesagt?

      Caspar trug eine schwarze, mit weißem Pelz gefütterte Lederjacke zu seiner eleganten schwarzen Hose und seinem weißen Hemd. Er sah verdammt gut aus.

      Mit breitem Grinsen deutete er eine kleine Verbeugung an.

      Sie bat ihn herein.

      Der Tisch war nur für drei Leute gedeckt.

      Isabella bot ihm ein Glas Wein an. Er lehnte ab, wollte schnell zum Geschäft kommen.

      »Du bist viel zu früh dran. Ich erwarte noch zwei Freunde. Sie bringen das Geld, verstehst du?«

      Plötzlich blickte er sie weniger freundlich an. Sein misstrauischer Blick wanderte über die altmodischen Möbel in ihrer Wohnung.

      »Du hast kein Geld!« Es klang mehr wie eine Feststellung als eine Frage.

      »Ich bekomme gleich was, du musst nur ein bisschen warten.«

      Schon seit Stunden sehnte sie sich nach einem Joint. Der ganze Scheißtag war mehr als anstrengend gewesen. Schön langsam wurde sie zu alt für diese Diebstouren. Das Telefonat mit der lebensüberdrüssigen und krankhaft schwatzsüchtigen Brigit hatte ihr dann noch den Rest gegeben.

      »Dreh mir einen Joint, ich mache dir derweil einen Kaffee.«

      »Aber den Joint zahlst du mir gleich.«

      »Selbstverständlich. Wie viel?«

      »Zehn Euro pro Gramm, wie immer. Und ich will den Zehner sofort, sonst lassen wir es bleiben.«

      Isabella ging in die Küche, holte den letzten Zehner aus ihrer Zuckerdose und gab ihn Caspar.

      »Mach schon«, sagte sie.

      Er öffnete seinen Rucksack. Ihr Blick fiel auf unzählige Säckchen in den unterschiedlichsten Größen. Außer dem üblichen Afghanen, den sie meistens kaufte, schien er auch Crack, Koks und sogar Heroin dabeizuhaben. Was für eine Morgengabe!

      Sie ging wieder in die Küche, stellte ihre große italienische Espressomaschine – ein Relikt aus guten alten Zeiten, als sie noch in Kaufhäusern klaute, bevor diese videoüberwacht wurden – auf den Gasherd.

      In ihrer Wohnung war es saukalt. Philip hatte versprochen, Heizöl von der Tankstelle auf der Rechten Wienzeile mitzubringen. Seit der letzten immensen Preissteigerung hatte sie nur selten Heizöl vorrätig. Meistens lief sie im Winter in ihrer Wohnung in einem warmen, schwarzen Daunenmantel, den ihr Brigit geschenkt hatte, herum.

      Als sie die Espressomaschine ins Wohnzimmer brachte, zitterten ihre Hände. Sie hatte das stählerne Gerät mit einem alten Topflappen angefasst. Trotzdem verbrannte sie sich fast die Finger.

      Caspar saß, die Stöpsel seines iPhones in den Ohren, mit dem Rücken zu ihr auf dem durchgelegenen Sofa. Auf dem alten Couchtisch lag ein dicker Joint.

      Isabella wollte danach greifen, doch plötzlich wurde ihr schwarz vor den Augen. Sie befürchtete umzukippen, klammerte sich an die Lehne des monströsen Fernsehsessels ihres längst verstorbenen Vaters.

      »Verzeih, mir ist schwindlig«, murmelte sie.

      »Wo bleiben deine reichen Freunde? Ich lasse mich von dir nicht für blöd verkaufen, ich werde gehen«, sagte Caspar und traf Anstalten aufzustehen.

      Sie rastete aus. Anstatt dem jungen Afrikaner den Kaffee einzugießen, schlug sie ihm die volle Espressomaschine auf den Hinterkopf. Der brühend heiße Kaffee breitete sich über seine kurzen Haare aus, rann über sein Gesicht.

      Ein Schrei, der Tote hätte wecken können, entkam seinem Mund. Sein Körper begann zu zucken. Er sank aufs Sofa.

      In diesem Moment läutete es an der Haustür.

      »Scheiße!« Isabella erstarrte. Das war bestimmt Brigit. Sie war immer überpünktlich.

      Dauerte es ein paar Minuten oder nur Sekunden, bis sie den jungen Schwarzen an den Beinen packte und vom Sofa zerrte? Der Bezug hatte einige Kaffeeflecken und vor allem Blutflecken abbekommen, was aber nicht auffiel, weil er ohnehin total versaut war.

      Sie schleppte den leblosen Körper in ihr Schlafzimmer, verstaute ihn unter dem Doppelbett.

      Zum Glück war Caspar kein großer Mann. Trotzdem leuchteten seine silberfarbenen Sportschuhe unter dem Bett hervor. Rasch zog sie ihm die Schuhe aus und warf sie in ihren Kleiderschrank.

      Penetrantes Läuten. Brigit war eine hartnäckige Person.

      Bevor Isabella in die Küche eilte und den Türöffner betätigte, stieg sie auf ihr Bett, drehte die Birne von der Deckenlampe heraus und ließ sie ebenfalls unter dem Bett verschwinden.

      Brigit brachte zwei Flaschen Sekt und zwei Flaschen Wein mit, einen weißen und einen roten. Sie wirkte schon leicht beschwipst. Wahrscheinlich hatte sie vorge-glüht.

      Wie eine Irre redete Sie auf Isabella ein, sprach nur Unsinn, wiederholte sich permanent, drohte mehrmals, sich umzubringen.

      Isabella war mit ihren Gedanken ganz woanders. Sie war eine Mörderin, hatte gerade einen jungen, feschen Afrikaner ins Jenseits befördert! Eine merkwürdige Starre ergriff ihren Körper. Unfähig, sich zu bewegen, starrte sie ihre festlich herausgeputzte Freundin, an der alles glänzte, selbst die hochhackigen Schuhe, entgeistert an.

      Plötzlich fiel ihr Blick auf Caspars Rucksack, der halb offen am Sofa lehnte.

      Rasch dirigierte sie Brigit in die Küche, bat sie, ihr bei der Vorbereitung des Essens zu helfen. Während Brigit ihr erklärte, wie man den Lachs und den falschen Kaviar am besten drapierte, lief sie zurück ins Wohnzimmer, schnappte sich Caspars Rucksack und zog den Reißverschluss zu. Sie wollte ihn gerade ins Schlafzimmer bugsieren, als ihre Freundin auf der Türschwelle erschien.

      »Was ist das für ein Rucksack? Der sieht ja richtig schick aus. Lass mal sehen.«

      »Finger weg! Das geht dich nichts an«, fauchte Isabella, warf den prallen Sack ins Schlafzimmer und schloss rasch wieder die Tür.

      Sie hätte ihre Freundin besser kennen müssen, denn nun bestand Brigit darauf, sich den Rucksack genauer anzusehen.

      Isabella stellte sich mit gespreizten Beinen vor die Tür, streckte ihre Arme aus. Sie kam sich dabei total lächerlich vor.

      Brigit begann tatsächlich zu lachen, versuchte, sie beiseitezuschieben: »Sei nicht so kindisch, zeig her.«

      Buchstäblich in letzter Sekunde fiel Isabella, trotz ihrer Panik, eine geniale Ausrede ein: »Da sind die Geschenke


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