Tatzeit Weihnachten. Edith Kneifl

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Tatzeit Weihnachten - Edith Kneifl


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und ich darf dir helfen, hat die Mama gesagt.«

      »Hilf lieber der Mama«, brülle ich zurück und hoffe, dass er mir ausnahmsweise einmal folgt.

      Sie ist beim Kochen immer schrecklich nervös. Ihr geliebtes Mäuseschwänzchen wird ihr den letzten Nerv ziehen, wenn es ihr in der Küche Gesellschaft leistet.

      Seit zwei Tagen hängt in unserer Küche eine erwürgte Pekingente. Mama hat sie massiert und mit der Fahrradpumpe aufgeblasen, damit die Haut schön knusprig wird. Dazu gibt es die unvermeidlichen Dinkellaibchen, Karotten- und Selleriesalat, Biokartoffeln aus unserem Garten und schmutzig-braunen Vollkornreis.

      Zum Glück habe ich mich heute Vormittag, während sie auf der Mariahilfer Straße die letzten Einkäufe erledigte, mit zwei Big Macs gestärkt. Und sie natürlich nachher in einer Gasse ums Eck gleich wieder ausgekotzt.

      Meine Frau Mama gibt mir höchstpersönlich die Ehre. »Wenn du nicht sofort raufkommst, setzt es was!« Den Befehlston hat sie von ihrem Vater. Er war, wie gesagt, bei der Hitlerjugend und schwärmt bis heute vom Führer.

      Ich gebe mich geschlagen, verstecke das Dynamitstangerl in Papas Werkzeugkasten und verschiebe das Drama aufs nächste Jahr.

      Deprimiert verlasse ich meinen geliebten Keller und schmücke den blöden Christbaum mit roten Kugeln und selbstgebastelten Engelchen.

      Die Weihnachtskrippe stelle ich auf das kleine Tischchen an der Wand, um den hässlichen Gasanschluss zu verdecken.

      Die zündenden Ideen kommen einem immer in letzter Sekunde.

      Um Felix loszuwerden, gebe ich ihm den Kellerschlüssel und bitte ihn, die Strohsterne zu holen. Ich weiß, wie scharf er darauf ist, im Keller herumzuschnüffeln.

      Der alte Gashahn hinter dem kleinen Beistelltisch im Wohnzimmer ist von Mamas Putzfimmel verschont geblieben. Er ist total verstaubt, und er klemmt. Ich nehme mir vom festlich gedeckten Esstisch eine weiße Stoffserviette und schaffe es schließlich, ihn aufzukriegen.

      Mamas Schritte nähern sich. Rasch werfe ich die Serviette zurück auf den Tisch und kümmere mich wieder um die Krippe.

      »Was hast du mit dem Gedeck angestellt!«

      Sie haut mir die nicht mehr ganz so weiße Stoffserviette um die Ohren.

      Zum Glück läutet es gerade an der Tür.

      Die Oldies ‒ eine Stunde zu früh, wie immer.

      Felix läuft ins Vorzimmer. »Omilein«, kreischt das abgebrühte kleine Luder.

      Auch ich werde mit Küsschen links und Küsschen rechts begrüßt. Dann setzen sich die Alten in die beiden Lederfauteuils. Ich hoffe, sie werden den Rest des Abends mit ihren dicken Hintern darauf kleben bleiben.

      Zum Glück sind Papas Eltern längst tot. Großeltern in zweifacher Ausführung – eine Horrorvorstellung!

      Mama rennt hektisch zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her. Papa schenkt Champagner ein, echt französischen und garantiert aus biologischem Anbau. Felix macht sich an den Päckchen zu schaffen. Oma ermahnt ihn, sich brav hinzusetzen und die Geschenke in Frieden zu lassen.

      Er scheint schwerhörig zu sein. Opa brüllt ihn an. Nicht gewöhnt an diesen Ton, erstarrt mein süßer kleiner Bruder zur Salzsäule. Er könnte einem fast leidtun.

      Opa wird uns bestimmt auch heute wieder mit seinen Heldentaten aus den letzten Kriegstagen beglücken. Wir kennen seine Gräuelgeschichten bereits auswendig. Aber keiner wagt, ihn zu bremsen.

      Papa war beim Zivildienst. Dieser »Wehrdienstverweigerer« und »Drückeberger« hat aber viel zu viel Schiss vor seinem lieben Schwiegervater. Schließlich ist er bis heute finanziell von ihm abhängig.

      Meine Großeltern besaßen ein Möbelhaus in der Stadt. Unsere hässlichen Möbel verdanken wir ihnen. Wie fast alle reichen Leute, sind sie sehr geizig. Nur Mama und Felix verstehen es, ihnen hin und wieder etwas Kleingeld rauszulocken.

      »Weihnachten ohne Schnee ist kein richtiges Weihnachten«, sagt die Oma, und dann muss ich mir zum hundertsten Mal anhören, wie romantisch und idyllisch dieses schönste Fest des Jahres in ihrer Kindheit, das heißt in der Nazizeit, war, obwohl sie damals fast nichts zum Essen hatten.

      Meine Oma ist eine Dauerrednerin. Sie funktioniert wie ein Automat: Kaum wirft man eine Münze rein, schon beginnt sie mit aufgeregter Stimme und in ständig ansteigendem Tonfall zu reden. Meistens quatschen diese beiden senilen Idioten im Duett. Opa schwärmt vom Zweiten Weltkrieg, Oma redet vom Essen.

      Alle außer Opa, der eingenickt ist, bemitleiden plötzlich Felix, der bei diesen fürchterlichen Regenfällen nicht draußen spielen kann.

      »Der arme Bub, kein Wunder, dass er so wild ist …, den ganzen Tag im Haus eingesperrt …«, säuselt die Oma.

      Keiner hat Mitleid mit mir. Obwohl ich die einzig wirklich Leidtragende bin. Denn wenn Felix fad ist, sekkiert er mich pausenlos. Ich darf ihn nicht schlagen. Offiziell werden wir beide ja ohne Prügel erzogen. Aber wenn keiner von den Alten in der Nähe ist, verpasse ich ihm schon manchmal eine. Natürlich läuft er dann gleich heulend zur Mama und ich bekomme die Schläge doppelt und dreifach zurück. Antiautoritäre Erziehung nennt Papa das.

      Felix ist Mamas Goldstück, ihr Pimmelchen, ihr Leckermäulchen. Außerdem hält sie ihn für ein kleines Genie. Sie ließ ihn letzten September einschulen, obwohl er erst im Oktober sechs geworden ist. Altklug und vorlaut, lautete das sachliche und nüchterne Resümee seiner Lehrerin, nachdem sie ihn ein paar Monate genossen hatte. Seit dem Elternsprechtag überlegt Mama ernsthaft, ihn dem negativen Einfluss dieser »stumpfsinnigen Person« zu entziehen und in eine Waldorfschule zu stecken. »Wenn die Anthroposophen nur nicht so weit weg wären …« Mama zerrt ihn auch dauernd auf ihren Schoß und knutscht ihn ab, obwohl er ja längst kein Baby mehr ist. Ich finde ihr Getue zum Kotzen.

      Ich bin Nobodys Darling und ehrlich gesagt auch froh darüber. Papa hasst mich, weil er wegen mir diese langweilige Ziege heiraten musste. Im Grunde interessiert er sich aber nicht für mich. Mama hasst mich, weil ich ein Mädchen bin und viel klüger als sie. Oma und Opa lieben nur sich selbst und ihr Geld.

      Nachdem ich mit dem Aufputzen des Christbaums endlich fertig bin, lasse ich die heilige Familie allein und ziehe mich ins elterliche Bad im Gartenhäuschen zurück. Ich muss mir mit Felix Klo und Dusche im ersten Stock teilen. Da diese Dusche meistens nur eiskaltes Wasser ausspuckt, dürfen wir im Winter gnädigerweise das neue Bad unserer Eltern mitbenützen.

      Ich lasse die Wanne volllaufen und streue drei Esslöffel von Mamas beruhigenden Lindenblüten ins heiße Wasser.

      Zehn Minuten vor sieben Uhr klopft Papa an die Badezimmertür. Leider lässt sich die Tür nicht absperren. Ich habe mir ausgebeten, dass die liebe Familie nicht mehr einfach ins Bad reinplatzt, wenn ich drinnen bin. Mein psychologisch geschulter Herr Papa hält sich meistens auch daran. Aber Mama spioniert mir selbst im Bad nach, versucht, mich dabei zu ertappen, wie ich ihre Naturkosmetika ausprobiere. Sogar auf dem Klo lässt sie mich nicht in Ruhe. Schließlich muss sie ja kontrollieren, ob ich mir nach dem Essen nicht die Finger in den Hals stecke. Eine völlig überflüssige Maßnahme. Seit sie nahrhafte Vollkornkost kocht, habe ich mich zuhause nicht mehr freiwillig überfressen.

      »Beeil dich gefälligst, um Punkt sieben beginnt die Bescherung!«

      »Ich komme gleich, Papi.«

      »Du kommst sofort, sonst mache ich dir Beine.«

      Fünf Minuten später reißt Felix die Badezimmertür auf und schreit fast so laut wie sonst nur unser Opa: »Ätsch, wir werden ohne dich anfangen. Sie singen schon ,Oh Tannenbaum‘, und Papa zündet gleich die Kerzen am Baum an.«

      »Hau ab!«

      Er bleibt in der Tür stehen, starrt mich ungeniert an und stellt befriedigt fest: »Du hast ja noch gar keinen Busen.«

      Ich werfe ihm den Schwamm ins Gesicht. Wütend knallt er die Badezimmertür hinter sich zu und stürzt sich auf mich. Ich zerre den kleinen Dickwanst


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