Der Samurai-Manager. Reinhard Lindner

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Der Samurai-Manager - Reinhard Lindner


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niemanden übergehen. Ganz oben zu verhandeln zu beginnen, kann oft noch viel länger dauern, weil die Führungsebene nach unten weiterdelegiert, um den Boden für die Entscheidung aufzubereiten. Interventionen von außen, vor allem an höherer Stelle, werden in diesem System als störend empfunden.

       Spürt man eine Veränderung am japanischen Markt?

      Auch Japan ändert sich. Tabus werden aufgebrochen, zum Beispiel die lebenslange Zugehörigkeit zu ein- und derselben Firma. Märkte öffnen sich – unter dem Druck der Wettbewerbsfähigkeit – zusehends ausländischen Lieferanten. Das gilt zum Beispiel für die Automobil- und die Eisenbahnindustrie ebenso wie für die Pharmaindustrie und schafft gerade für österreichische Nischenanbieter große Chancen. Der demografische Wandel, sprich, die alternde Gesellschaft, beeinflusst nicht nur das Marktverhalten der Konsumenten, sondern auch die politische Schwerpunktsetzung, manchmal zulasten der jüngeren Generation.

       Was können wir von den Japanern lernen?

      Japaner arbeiten an der ständigen Verbesserung von Abläufen und Produkten, eine Philosophie, die als „kaizen“ bekannt geworden ist. Österreichische Unternehmen, die Geschäfte mit Japan machen, müssen den hohen Ansprüchen ihrer japanischen Kunden gerecht werden und sind so in der Lage, nach ihrem Markteintritt in Japan ein besseres Produkt anzubieten als davor.

       Was können die Japaner von uns lernen?

      Österreichische Firmen verfügen über ein hohes Maß an Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Pragmatismus. Das sind Werte, die in einem zunehmend internationalen Umfeld stark gefragt sind.

       STEVE NAKADA

       Director International Development, Japan Solar Energy Council

      Steve Nakada hat einen tiefen Einblick in die Budo-Szene und eine reichhaltige Erfahrung im internationalen Geschäftsleben. Er besitzt den 6. Dan in Judo und war viele Jahre als Senior Consultant für die Peter F. Drucker Consulting Company in den USA tätig. Er leitet das Unternehmen Japan Solar Energy Council, in dem rund 240 Ingenieure beschäftigt sind.

       Herr Nakada, Sie kennen beiden Welten – Ost und West – wie kaum jemand anderer. Worin unterscheiden sich diese Welten Ihrer Meinung nach am meisten?

      Nun, dies beginnt schon bei der Schrift. Die Schrift des Westens besteht aus 26 bis 35 Buchstaben und das war es. Die japanische Schrift setzt sich zusammen aus 2.137 Schriftzeichen, die von der chinesischen Schrift übernommen wurden. Dann aus 56 Hirigana7 und 56 Katakana8 und wiederum aus zwei verschiedenen Arten, diese zu lesen. Daraus resultiert eine Vielzahl von Gegensätzen, die sich in allen Lebensbereichen wiederfinden.

       Können Sie diese Gegensätze anhand praktischer Beispiele näher erklären?

      Um bei der Schrift zu bleiben: Es ist so, dass die westliche Schrift horizontal gelesen wird. 26 bis 35 Buchstaben zu erlernen, schafft jeder durchschnittlich begabte Mensch in wenigen Wochen. Das heißt, das Erlernen geht sehr schnell. Fortschritte sind rasch erkennbar und aus dieser Geschwindigkeit resultiert auch eine gewisse Oberflächlichkeit. Die japanische Schrift ist vertikal aufgebaut und besteht aus Tausenden von Zeichen, die es mit großer Anstrengung zu erlernen gilt. Aus der vertikalen Struktur des Lesens ergibt sich auch eine Tiefe im Denken.

       Bei allem Respekt, aber darf ich das so verstehen, dass alle westlichen Menschen oberflächlich sind?

      Ganz und gar nicht. Die hohe Geschwindigkeit im Erlernen und in der Umsetzung hat ja auch eine Menge Vorteile, die sich in der Flexibilität und unter Umständen auch in der Kreativität niederschlagen. Was ich zum Ausdruck bringen möchte, ist, dass wir Japaner den Dingen sehr auf den Grund gehen. Wir hinterfragen und analysieren, wir vergleichen und versuchen zu optimieren. Wir sind bestrebt, in allem, was wir tun, präzise zu sein, und denken immer an den langfristigen Erfolg.

       Liegt darin auch das Geheimnis der enormen Wirtschaftsleistung Japans?

      Nach dem Zweiten Weltkrieg war Japan dem Erdboden gleichgemacht. Alles war zerstört. Ich bin unmittelbar nach Kriegsende geboren, und wir hatten kaum etwas zu essen. In nur 23 Jahren ist unser Land zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt aufgestiegen. Einen wesentlichen Grund darin sehen wir in unserer präzisen Vorgangsweise und im Fleiß unseres Volkes.

       Nun zählen Sie ja auch zu den Großmeistern, was die Kampfkunst betrifft. Als 6. Dan in Judo haben Sie ja einen tiefen Einblick in die Prinzipien der Samurai. Wie haben diese Ihr Leben und auch Ihren beruflichen Erfolg geprägt?

      „Ichi go, ichi e“ ist ein wichtiger Spruch im Budo. Frei übersetzt bedeutet es: „Jeder Moment kommt im Leben nur einmal, also mach das Beste daraus. Gib alles mit deinem ganzen Geist und voller Entschlossenheit.“ Danach habe ich versucht zu leben und ich spüre, dass es gut ist.

       Ihr Unternehmen agiert global. Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Geschäftspartner aus?

      Bevor wir uns für einen Partner entscheiden, sehen wir uns ganz genau an, ob er zu uns passt. Und hier spielen Werte wie Respekt und Höflichkeit eine wichtige Rolle, aber auch Geduld und Disziplin. In einem Meeting finden wir heraus, wie gut jemand zuhören und eine Verhandlung eine Stunde aufmerksam verfolgen kann, ohne etwas zu sagen. Kann er ruhig, konzentriert und aufrecht dasitzen? All das sind Aspekte, die man im Budo lernt. Wir bekommen nach und nach ein Gespür, um welche Persönlichkeit es sich bei unserem möglichen Partner handelt, und diese ist für langfristigen Erfolg ganz entscheidend. Im Westen zählt mehr, wie überzeugend jemand auftritt, wie gut er sich verkaufen kann. Nur allzu oft haben sich solche Personen als Blender herausgestellt.

       MICHAEL LOEFFLAD

       Präsident Würth Japan

       Sie sind bereits seit zehn Jahren in Japan beruflich tätig. Was hat Sie dazu bewogen, sich für so einen langen Zeitraum zu verpflichten?

      Die hohe Lebensqualität in Form von Sicherheit, die Freundlichkeit der Leute, der gute Service. All das zusammen ergibt einen guten Mix für mich und deshalb fühle ich mich wohl hier.

       Wie spüren Sie die Sicherheit im täglichen Leben hier in Japan?

      Die Sicherheit drückt sich darin aus, dass ich zum Beispiel in jedem beliebigen Lokal mein Sakko unbeaufsichtigt hängen lassen und ich meinen Geldbeutel auf dem Tisch oder an der Theke liegen lassen kann. Wenn ich zurückkomme, liegt er immer noch da. Wenn ich um zwei Uhr nachts einer Gruppe Jugendlicher begegne, dann kann ich sicher sein, dass mir nichts passiert: Wenn mir dasselbe in manchen Stadtteilen in Deutschland passiert, weiß ich nicht, welchen Gefahren ich mich aussetze.

       Was machen Sie bei der Mitarbeiterführung hier für Würth Japan anders als beispielsweise für Würth Deutschland?

      Ich muss hier meine Ideen viel stärker an meine Mitarbeiter verkaufen. Ich muss sie ganz stark in die Change-Prozesse einbinden, nur so findet man langfristig die nötige Akzeptanz und den hier so wichtigen Respekt.

       Wenn Sie einen Geschäftstermin wahrnehmen: Worauf achten Sie hier besonders?

      Das Wichtigste ist Vertrauen schaffen, am besten über eine freundliche Atmosphäre. Es empfiehlt sich beispielsweise, über den Markt zu reden und nicht zu früh über das Geschäft. Eine grobe Präsentation über das Angebotsportfolio, aber keinesfalls beim Erstbesuch ein Angebot konkretisieren, das würde der Japaner völlig missverstehen. Erfahrungsgemäß benötigt man in Japan mindestens drei Jahre, um in den Markt zu kommen.

       Wie erklären Sie sich die hohe Loyalität der Mitarbeiter zum Unternehmen?

      Ich kann beobachten, dass die Loyalität der Mitarbeiter abnimmt. Sie ist aber verglichen mit Europa noch auf einem viel höheren Niveau. Dennoch denkt der Japaner


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