Der Lustmörder. Horst Bosetzky

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Der Lustmörder - Horst Bosetzky


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richtig registrierte hatte. Sosehr er es auch zu verhindern versuchte, sein Kopf fiel immer wieder zur Seite, und zwischen zwei Stationen nickte er kurz ein. Margarete hatte die ganze Nacht über unter Bauchschmerzen gelitten und ihn kaum schlafen lassen.

      «Jede gute Tat rächt sich mal», brummte Galgenberg, der längst nicht mehr so gemütlich war wie in früheren Jahren. «Man denkt, man tut den Kindern wat Jutet, wenn man sie in die Welt setzt - und dann hat man ’n Leben lang nur Ärja mit ihnen.»

      «Nicht nur», korrigierte ihn Kappe. «Aber auch - ganz zu schweigen von ihren Müttern.»

      «Ja, plötzlich sind se nur noch Glucke, und der Hahn kann gehen, der Hahn hat seine Schuldigkeit getan.»

      In der Charité angekommen, brauchten sie eine Weile, bis sie sich zu Schulz durchgefragt hatten.

      «Hat Glück gehabt, der Mann», erklärte ihnen der Oberarzt anhand des Krankenblattes. «Am rechten Hinterkopf streifenförmige, doppelt konturierte Hautblutungen, wie sie für Schläge mit Feuerhaken oder ähnlichen Gegenständen typisch sind. Verdacht auf Schädelbasisfraktur. Rippenserienbrüche …»

      «Das muss passiert sein, als er gestürzt ist», sagte Kappe.

      Der Oberarzt nickte. «Ja, wahrscheinlich. Dann kommen Sie mal mit zu ihm, zehn Minuten Fragerei wird er schon aushalten.»

      Sie fanden Friedrich Schulz in einer ziemlich desolaten Verfassung. Kappe schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass ihnen ihr Zeuge erhalten bliebe, denn ohne ihn rechnete er sich keine Chance aus, den Liebespaarmörder in absehbarer Zeit zu fassen. Er stellte sich und Galgenberg kurz vor.

      «Ich hoffe, Sie können uns ein bisschen weiterhelfen, Herr Schulz …»

      «Ich will mir alle Mühe geben», sagte Schulz mit schwacher Stimme. Ein mächtiger Kopfverband verdeckte sein Gesicht nahezu zur Gänze, nur Augen, Nase und Mund waren freigelassen worden.

      Kappe setzte sich auf den Stuhl, der neben dem Bett stand, Galgenberg und der Oberarzt stellten sich an das Fußende.

      Schulz richtete sich etwas auf und begann stockend: «Ich wollte noch einmal zu einem Kunden in der kleinen Straße am Ende … Waldfrieden heißt die … Am Waldfrieden … zu den Kruses. Da war ich schon am Vormittag gewesen, eine Lampe anschließen, hatte aber meine Rolle Isolierband und ein Stück Kabel vergessen. Ich wohne ja in Hermsdorf, oben am Bahnhof, in der Roonstraße … war ja nicht weit.» Damit waren seine Kräfte zunächst erschöpft, und er fiel in die Kissen zurück.

      «Lassen Sie sich Zeit», sagte Kappe. Obwohl Schulz ein einziges Häufchen Elend war, beneidete er ihn in gewisser Hinsicht, denn der Elektriker aus Hermsdorf hatte dem Liebespaarmörder schon von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden - etwas, das er sich nur wünschen konnte. Und er wäre zu gerne derjenige, der den Lustmörder zur Strecke bringen würde, denn wenn man als Kriminalkommissar nicht im Schatten von Ernst Gennat verkümmern wollte, musste man ab und an spektakuläre Erfolge vorweisen können.

      Schulz hatte sich so weit erholt, dass er fortfahren konnte.

      «Mit dem Fahrrad im Schnee, das ging immer schwerer. Da habe ich das Rad dann abgestellt und bin das letzte Stück zu Fuß gegangen, den Dohnensteig hoch. Da höre ich eine Frau schreien. Links in einem der Häuser. Ich über den Zaun weg und in den Garten rein. Die Haustür ist zu. Aber hinten zum Garten hin ist alles offen. Ich renne ins Haus rein und komme in den Flur, da fällt ein Schuss. Und im selben Augenblick kommt ein Mann auf mich zu …»

      «Lassen Sie ihn!», rief der Oberarzt. «Das ist zu viel für ihn, er kollabiert mir noch.»

      Aber Schulz wollte die Sache zu Ende bringen und ließ sich nicht abhalten. «Ich will unbedingt … Sie müssen den Kerl, meinen Mörder …»

      Kappe fasste die Hand des Mannes. «Herr Schulz, Sie werden durchkommen, ganz sicher!»

      Der Oberarzt stieß Kappe beiseite, um Schulz den Puls zu messen. «Höchstens eine Minute noch, mehr lasse ich nicht zu.»

      Schulz schloss kurz die Augen, um letzte Kräfte zu mobilisieren. «Ja … Ich denke, dass er mich erschießt, aber das traut er sich wohl nicht, weil ich schon halb draußen bin und der Schuss zu hören wäre. Da stolpere ich. Das nutzt er aus und schlägt auf mich ein. Womit, das weiß ich nicht … vielleicht mit seiner Pistole … ein furchtbarer Schmerz, ich kann mich aber noch mal aufrappeln und schaffe es bis zur Bismarckstraße. Da breche ich dann zusammen … und erwache erst wieder hier im Krankenhaus.»

      «Gott sei Dank haben Sie ja nun das Schlimmste überstanden», sagte Kappe. «Was für uns ganz wichtig ist: Können Sie den Täter beschreiben?»

      «Nein, es war ja im Flur alles dunkel. Nur im Schlafzimmer brannte Licht. Also, stämmig war er, Borstenhaare hatte er, und sah so aus wie ein Soldat. Er hatte wohl eine Uniformjacke an.»

      «Det is ja schon ’ne janze Menge», sagte Galgenberg. «Und möglicherweise det berühmte Licht am Ende des Tunnels.»

      «Sie haben sicherlich gehört, dass es schon vier ähnliche Taten oben im Norden gegeben hat», sagte Kappe.

      «Ja, meine Frau und ich, wir trauen uns ja kaum noch, Hand in Hand durch ’n Wald zu gehen, wir …»

      Der Oberarzt riss Kappe geradezu vom Stuhl und drängte ihn zur Tür. «Jetzt ist aber endgültig Schluss hier! Keine Plauderei mehr!»

      Kappe bedankte sich sowohl bei Schulz als auch bei dem Mediziner und verließ die Charité auf dem schnellsten Wege. Galgenberg war kaum in der Lage, ihm zu folgen.

      «Immer sachte mit die jungen Pferde!», keuchte er. «Und wat nu?»

      «Wir sind doch noch am Dohnensteig mit Dr. Kniehase verabredet.» Der war mit seinen Leuten draußen, um zu sehen, ob sich bei Tage etwas finden ließ, das sie weiterbrachte.

      «Det hat doch inzwischen wieda jeschneit», wandte Galgenberg ein, in der Hoffnung, damit der Weltreise nach Hermsdorf zu entgehen.

      Kappe lachte. «Denn es ist Drang, und so ist’s Pflicht.»

      «Ick kenne nur: ‹Dicker Drank macht fette Schweine›», sagte Galgenberg. «Aba wat den jeistigen Nährwert anbetrifft, so läuft et wohl uffs Jleiche raus.»

      Die Frage, wie man vom Bahnhof Friedrichstraße am besten nach Hermsdorf kam, war nicht leicht zu beantworten, denn der Dohnensteig lag nach Kappes Ortskenntnis etwa in der Mitte zwischen den Bahnhöfen Tegel (Kremmener Bahn) und Hermsdorf

      (Nordbahn). Wie auch immer, auf jeden Fall mussten sie zum Stettiner Bahnhof laufen. Die Fahrkartenverkäuferin dort riet ihnen zur Nordbahn, und so setzten sie sich in den Zug nach Oranienburg.

      Als sie am Dohnensteig ankamen, hielt ihnen Dr. Kniehase einen Orden entgegen.

      «Gratuliere!», rief Kappe. «Sie haben also für Ihre Verdienste den Schwarzen Adlerorden bekommen. Aber gibt’s den denn noch?»

      «Das ist das Randow- oder Deutschritter-Kreuz», erklärte ihnen Dr. Kniehase. «Und das habe ich nicht verliehen bekommen – da hätte ich mich vorher auch entleibt –, das haben wir hier im Flur gefunden.»

      «Der Soldat!», rief Kappe und erzählte Dr. Kniehase von der Aussage, die der Elektriker Schulz gemacht hatte. «Das passt doch alles wunderbar zusammen.»

      «Randow, wat war’n det für eena?», fragte Galgenberg.

      Dr. Kniehase hatte sich schon kundig gemacht. «Oberst Alfred von Randow, Befehlshaber des Detachements von Randow im Baltikum.»

      «Ein Freikorps-Angehöriger also», murmelte Kappe. «Mörderbande.»

      «Das Detachement von Randow ist 1919 in die Reichswehr eingegliedert worden», sagte Dr. Kniehase.

      «Genau das ist es ja, was mich einiges befürchten lässt.» Man hörte überall munkeln, dass die ultrarechten Offiziere an einen Putsch dachten.

      «Ach, die Republik steht!», rief Dr. Kniehase.

      Kappe nahm


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