Drei Dekaden. Hermann Ritter

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Drei Dekaden - Hermann Ritter


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Jupiter auf Mars zugeht

      Herrscht Friede unter den Planeten

      Lenkt Liebe ihre Bahn

      Genau ab dann regiert die Erde der Wassermann,

      Regiert sie der Wassermann, der Wassermann, der Wassermann.

      Der damals Eurorock genannte Trend überfuhr uns mit Bands wie Tangerine Dream, Eloy (z.B. Planets von 1982), Klaus Schulze, Ash Ra Tempel und Magma aus Frankreich (Debütalbum 1970). Die ungarische Band Omega entwickelte für ihre Platten sogar eine eigene Sprache (als wäre das ungarische nicht unverständlich genug!). Ähnliches gilt für Laszlo Hortobagyi, der mit Platten wie Ritual Music of the Fomal-Hoot al-Ganoubi und der 6th All-India Music Conference eigentlich Musik aus einer nicht-realisierten Parallelwelt brachte.

      Die deutsche Band Flaming Bess wurde sogar durch die gleichnamige Science Fiction-Serie des Kölner (!) Autors Thomas Ziegler inspiriert. Ihr Debütalbum erschien 1979.

      Erinnert sei auch an den DDR-Rock mit den Puhdys – deren Platte Puhdys 11 Stücke wie Computerman enthält –, Berluc mit Hallo Erde, hier ist Alpha und Karat mit Der blaue Planet.

      Richtig eigenartig wird es aber mit Bands wie Hawkwind und Blue Öyster Cult. Bei Hawkwind war eine Zeit lang der Fantasy-Autor Michael Moorcock als Schreiber und Sänger (!) tätig. Deren Scheibe Warrior on the edge of time (1973) behandelt Moorcocks Elric-Saga. Blue Öyster Cult dürfte mit Stücken wie Godzilla und ihren Beiträgen zum Film Heavy Metal aus dem Album Fire of unknown origin (1987) bekannt sein.

      Aber wissen doch alle, dass Science Fiction längst Mainstream sind. Oder haben wir nicht in der Rocky Horror Picture Shows (1973) im Kino gesessen, Reis geworfen und die Zeilen laut mitgesungen:

      Michael Rennie was ill

      The Day the Earth Stood Still

      But he told us where we stand.

      And Flash Gordon was there

      In silver underwear,

      Claude Rains was the Invisible Man.

      Then something went wrong

      For Fay Wray and King Kong.

      They got caught in a celluloid jam.

      Then at a deadly pace

      It Came From … Outer Space.

      And this is how the message ran:

      Science fiction, double feature

      Doctor X will build a creature.

      See androids fighting Brad and Janet

      Anne Francis stars in Forbidden Planet

      Wuh uh uh oh o-o-oh

      At the late night, double feature, picture show.

      I knew Leo G. Carrol

      Was over a barrel

      When Tarantula took to the hills.

      And I really got hot

      When I saw Jeanette Scott

      Fight a triffid that spits poison and kills.

      Dana Andrews said Prunes

      Gave him the runes

      And passing them used lots of skills.

      But When Worlds Collide,

      Said George Pal to his bride,

      I’m gonna give you some terrible thrills,

      Like a …

      Science fiction, double feature

      (…)

      To the late night, double feature, picture show.

      Eine kurze Übersetzung eines Teiles ist angesagt:

      Dana Andrews sagte »Depp«

      Und reichte ihm die Runen.

      Und Sie zu übergeben forderte eine Menge Übung.

      Curse of the Demon ist ein Film, der auf dem Book Casting the Runes von Montague Rhodes James aufbaut. Wer die klassische Gespenstergeschichte Eine Schulgeschichte (die auch immer wieder nachgedruckt wird, so in Das Wassergespenst von Harrowby Hall) kennt, der kennt auch James.

      Im Moment wandert ja auch John Fogerty mit Revival wieder die Charts rauf – erinnert sei hier nur an seine Solo-LP Eye of the Zombie.172

       6. Musik

      Der Gesang ist ein geeigneter Transporteur für den mystischen Inhalt. Sei es verständlicher Gesang oder für den normalen Hörer unverständliches Elbisch – wenn man sich überlegt, wie viele der heutigen Musikhörer in der Lage sind, den gesungenen englischen Text eines Popsongs wirklich zu verstehen, ist es dann auch egal, ob der Sänger serbo-kroatisch, elbisch, klingonisch oder englisch mit starkem Akzent singt.

      Musik vertreibt uns die Zeit, ist Ablauf von Zeit, in Form gebracht durch Rhythmus, Melodie, Harmonie und Dynamik.

      Musik nimmt Zeit in einer (Aus-)Richtung wahr und Musik füllt einen bestimmten Zeitraum mit einer hörbaren Information. Interessanterweise ist Musik aber im Widerspruch zur Verortung in der Zeit (durch ihren Ablauf) wiederum als Loslösung aus dem Zeit-Kontext173 gedacht (durch ihre Wirkung). Zeit vergeht, während wir der Musik lauschen oder Musik machen – aber unsere Zeitwahrnehmung verändert sich, wenn wir in der Musik versinken.

      Musik ist nicht einfach nur Geräusch. Das Geräusch entsteht einfach so, Musik wird willentlich erzeugt. Es ist noch komplizierter: Musik wird nur in einem bestimmten gesellschaftlichen Zusammenhang als Musik verstanden. Was für die eine Kultur simpel Krach ist, mag für die andere eine weihevolle Darbietung zur Inthronisation eines Königs sein. Wer mir nicht glauben mag, ist gerne dazu aufgefordert, an einem beliebigen Tag zwanzig unterschiedliche Radiosender zu hören, um dann zu entscheiden, welches der dargebrachten Werke für ihn Musik, welches nur Krach oder einfach nur unerträglich ist.

      Musik ist abhängig von kulturellen Prägungen, die sie verständlich und nachvollziehbar machen, und nur in diesem Kontext erfahrbar. Musik ist im Gegensatz zum Geräusch zweckgebunden – wobei sich dann die Frage stellt, ob Volksmusik noch Musik ist, denn sie ist meiner Ansicht nach nicht zweckgebunden.

      Die Stimme ist viel enger an und in den Körper gebunden als jedes Instrument. Die Stimme spricht, bevor man die Worte versteht. Schon die ältesten Erzählungen enthalten daher Hinweise auf die zauberische Kraft des Gesangs im Mythos. Warum sollte sich daran etwas geändert haben?

      Drei Dinge sind es, die uns daran hindern, unsere Stimmen zum Gesang volltönend einzusetzen. Erstens ist es die mit dem Gefühl der Peinlichkeit verbundene Empfindung, in der Öffentlichkeit singen zu müssen. Zweitens ist unser Liedgut in den ersten Lebensjahren durch das gemeinsame Singen von (schlechten?) Volksliedern in Kindergarten und Grundschule verdorben worden. Drittens empfinden wir in zunehmenden Maße Musik als Ware, die gekauft und nicht gemacht wird.

       7. Ausblick

      Wie eingangs gesagt: Ich brauche – völlig anders als noch vor zwanzig Jahren – nur auf die Bestsellerlisten zu verweisen, wo nicht nur Harry Potter für die Phantastik punktet. Aber früher konnte man noch brav seine musikalischen Nischen besetzen und sich auf die Suche nach mythisch inspirierter Musik auf wenige Eingeweihte verlassen, die einem Musikcassetten aufnahmen und Hinweise auf Stücke gaben, welche die Umwelt nicht kannte. Dem ist nicht mehr so. Ich brauche nur das Radio anmachen und nach spätestens 20 Minuten läuft irgendein Remake eines Lieblings meiner Jugend und verdirbt mir sofort den Hörgenuss.


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