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Читать онлайн книгу.meinen Partner wirklich geliebt, und er mich auch, und ich verbiete Ihnen, das Gegenteil zu behaupten!“
Ich hatte Mitleid mit ihr, aber nicht derart, dass ich jetzt gegen meine eigene Überzeugung sprach: „Bitte verstehen Sie mich nicht falsch! Ich sage weder, dass Sie und Ihr Partner keine tiefen Gefühle füreinander hatten, noch, dass Sie nicht zutiefst glücklich zusammen waren. Ich sage nur, dass diese Gefühle nur der unbewusste Ausdruck der Angst vor Einsamkeit waren, die in jedem von uns existiert. Denn ich sage es gerne noch mal: Die Liebe gibt es nicht! Sie ist nur eine Illusion mit dem einzigen Ziel, uns diese Angst zu ersparen.“
Die Hörerin ersparte sich jeden Kommentar und legte wütend auf.
Kurzes Schweigen in der Leitung, dann reagierte der Moderator und nahm einen weiteren Anruf entgegen.
Eine halbe Stunde später war die Sendung zu Ende. Zwei Drittel der Anrufer, Frauen und Männer gleichermaßen, waren auf meiner Seite. Einmal mehr zeigte mir die Erfahrung, dass ich nicht die Einzige war, die sich weigerte, an dieses inhaltsleere Wort Liebe zu glauben. Spaß machte mir das alles nicht. Es gefällt mir nicht besonders, Träume zu zerstören. Außer, wenn sie gefährlich sind, weil sie zu schmerzhaften Enttäuschungen führen.
Das übrige Drittel der Anrufer bestand aus Liebes-Groupies. Männer und Frauen, die felsenfest an die Liebe glaubten. Ich konnte es ihnen nicht verübeln: Auch ich hatte einmal daran geglaubt ...
Ich sprach kurz mit dem Regisseur, dann vermeldete der Moderator, dass die Anrufe sämtliche Rekorde gebrochen hatten. Sofort schlug er mir ein weiteres Interview in den kommenden Wochen vor. In den Augen der Moderatorin sah ich Wut. Nur um sie zu ärgern, stimmte ich zu!
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DÜSTERE LIEBESORAKEL
Nach der Radiosendung wollte das Studioteam noch gemeinsam etwas trinken gehen, aber ich lehnte dankend ab. Ich zog es vor, alleine in einer Brasserie in der Nähe der Champs-Elysées „wieder runterzukommen“.
Es war noch nicht besonders viel los, der große Ansturm würde erst gegen Mittag kommen. Ich ließ mich in einer ruhigen Ecke nieder und bestellte mir einen Irish Coffee, mein Lieblingsgetränk zu jeder Tages- und Nachtzeit. Draußen verdüsterte sich der Himmel zusehends, dann begann eisiger Regen zu fallen. Wie schaurig! Bei dem Wort fiel mir mein Gefühlsleben ein. Auch das war einfach nur schaurig! Eine lange Reihe von Fehlschlägen ...
Obwohl ich anfangs „alles hatte, um glücklich zu sein“, wie die Leute immer sagen, die reden, ohne nachzudenken. Wenn sie wüssten ... Wenn sie sich nur mal für einen kurzen Augenblick in die Lage derjenigen versetzen würden, über die sie urteilen ...
Während meines Studiums hatte ich einige Beziehungen. Flüchtige Affären, nichts Ernstes. Wir machten uns keinen Kopf darüber, ob wir unser Leben zusammen verbringen wollten. Wir wussten ganz genau, dass es nicht so weit kommen würde. Man gefiel sich, man verstand sich. Das Leben genießen, mit Freunden Spaß haben und Sex haben, wenn wir Lust darauf hatten, das war alles, was zählte. Irgendwann war dann ganz entspannt Schluss, und wir blieben gute Freunde. Bei alldem war nicht ein Funken Liebe im Spiel! Nur Spaß.
Ein paar Jahre später glaubte dann auch ich, die große Liebe gefunden zu haben, von der alle Teenager schwärmen. Ich war 26. Gerade war ich von der Redaktion einer Klatschzeitschrift als Praktikantin eingestellt worden. Eines Tages bat mich mein Redaktionsleiter, Bertrand S. zu interviewen, einen berühmten Rechtsanwalt, der fast mehr Zeit in TV- und Radiostudios verbrachte als im Gerichtssaal! Von sich reden zu machen, war das Einzige, was ihm wirklich wichtig war. Selbstverständlich, um danach die Kohle einzufahren!
Damals war er noch nicht ganz so bekannt. Er war in den Dreißigern, sah gut aus, hatte unglaublichen Charme und eine tiefe, samtweiche Stimme, bei der einem köstliche Schauer den Rücken hinunterliefen. Zumindest ging es mir so bei unserem Interview. Als angehende Journalistin kam ich mir vor wie eine verpickelte Studentin vor Brad Pitt höchstpersönlich. Worüber sprachen wir? Ich weiß es nicht mehr. Um ehrlich zu sein, war es mir völlig egal, sogar schon während des Gesprächs. Ich hatte nur noch Augen für ihn.
Nach dem Interview lud er mich in ein Restaurant im Bois de Boulogne ein, mit tollem Geschirr und Seeblick. Aber ich sah nichts davon: Ich schwebte förmlich. Und in den Wochen darauf schwebte ich dermaßen hoch, dass wir drei Monate später verheiratet waren. Ein Schnellschuss! Ich war glücklich. Und hielt mich für unsterblich verliebt.
Es dauerte nicht lange, bis ich von meiner kleinen Wolke wieder herunterkam und mich mit einer Realität konfrontiert sah, die ich so überhaupt nicht erwartet hatte!
Von den Flitterwochen an ging es abwärts. Mein Mann wollte unbedingt nach Kenia. „Ein kompletter Umgebungswechsel, leidenschaftlicher Sex vor exotischer Kulisse, traumhafte Fotosafaris, nur wir zwei“, hatte er versprochen. Von wegen!
Leidenschaftlicher Sex? Da kannte ich aus meinen ersten Beziehungen aber wesentlich Besseres. Auch das ein Schnellschuss! Kaum hatten wir angefangen, war es auch schon wieder zu Ende.
Exotische Kulisse? Stimmt, allerdings nur, wenn wir mal aus den Hilton-Lounges herauskamen. Bertrand schwadronierte lieber vor den anderen Gästen über seine Heldentaten am Zeugenstand. Pausenlos. Nach ein paar Tagen drehten sie sich auf dem Absatz um, sobald sie ihn aus der Ferne erblickten.
Traumhafte Fotosafaris mitten im Buschland? Mein Mann ließ sich in sämtlichen Outfits ablichten und filmen, als Haudegen hinterm Steuer eines Range Rover, der allerdings ständig vor dem Hoteleingang geparkt war, an der Seite eines dressierten Löwen - ein geruhsamer Opi, der frei im Park lebte, um dem Ganzen ein bisschen Lokalkolorit zu verleihen ... Ein altes Tier, das völlig ungefährlich war und keinen einzigen Zahn mehr hatte. Der ideale Handlanger für einen Pariser Rechtsanwalt, der sich für Tarzan persönlich hielt!
Nur wir zwei, ganz allein? Wo und wann? Bertrand erinnerte sich nur beim Essen und beim abendlichen Express-Kuschelsex an mich.
Am Ende der Flitterwochen trat bei mir dann langsam Ernüchterung ein, wobei ich mir aber trotzdem weiter noch ein paar Illusionen bewahrte. Naiv, wie ich damals war, fand ich für meinen Mann Entschuldigungen: Er war jung und nahm sich aufgrund seiner ersten beruflichen Erfolge selbst ein bisschen zu ernst. Aber das würde sich geben, da war ich mir sicher.
Einige Wochen nach unserer Rückkehr nach Paris wurden mir dann wirklich die Augen geöffnet. Ich hatte einen Mann geheiratet, der sich als jemand völlig anderes entpuppte. Man hätte meinen können, er hätte eine gespaltene Persönlichkeit. Bei unseren Freunden und Bekannten, bei seinen Klienten war er ein charmanter Mann, zuvorkommend, immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Bei mir, wenn wir alleine waren, wurde er schlichtweg scheußlich. Egoistisch und narzisstisch. Ein Rachegott, der auf die Erde herabgestiegen war. Absolut unausstehlich! Und bei alldem auch noch abwertend! Bei jeder Gelegenheit kritisierte er mich, hatte an allem und egal woran etwas auszusetzen, vor allem egal woran. Und da er dabei nicht zimperlich mit mir umging, fühlte ich, wie ich von Tag zu Tag immer mehr verblödete. Noch schlimmer aber war, dass ich mich tatsächlich am Ende selbst für völlig uninteressant hielt.
Ich war in die Falle getappt, die schon sehr viele Frauen ins Unglück gestürzt hat. Ich hatte festgestellt, dass mein Mann untragbare Fehler hatte, war mir aber sicher, dass ich es mit viel Geduld und Überzeugung schaffen würde, ihn zu ändern. Welche verliebte Frau hat genau das nicht auch schon einmal gedacht? Aber das ist eine Illusion, für die man immer extrem teuer bezahlt! Man kann einen Menschen nicht ändern, niemals! Ich brauchte einige Zeit, bis mir das auf meine eigenen Kosten klar wurde.
Mehr als drei Jahre lang lebte ich, was ich heute meine „düstere Zeit“ nenne. Obwohl „leben“ ein großes Wort ist, „überleben“ wäre wohl der bessere Ausdruck. Ich fühlte mich wie eine Kerze, deren Flamme ganz langsam erstickt.
Am seelischen Tiefpunkt angelangt, hatte ich jegliches Selbstvertrauen verloren, schleppte mich mühsam dahin, ohne Spaß oder Freude, auf etwas wartend, das nie kam. Ich hatte auf nichts mehr Lust, und am Ende kündigte ich bei der Klatschzeitschrift, bei der ich meine erste Arbeitsstelle gefunden hatte. „Du warst weniger als ein Schatten