Du bist an meiner Seite. Reinhold Ruthe

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Du bist an meiner Seite - Reinhold Ruthe


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4, 11

      Allein sein und einsam sein sind verwandte Eigenschaften. Wer allein geht, hat es schwerer. Ich möchte es an einem Beispiel demonstrieren. Wir machten in unseren Seminaren der therapeutischen Seelsorge, die bestrebt ist, den Menschen nach Leib, Seele und Geist zu helfen, oft eine Übung. Den Teilnehmern wurde folgende Aufgabe gestellt: »Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Boot. Wählen Sie in Ihrer Vorstellung ein Boot aus, von dem Sie meinen, dass es Ihrem Wesen und Ihrem Denken am ehesten entspricht. Was ist das für ein Boot? Welche Eigenschaften hat es? Beschreiben Sie es in höchstens 15 Zeilen.« In der Regel beschreiben die Teilnehmer ein Boot, das unbewusst, aber eindrücklich den Charakter ihrer Person spiegelt. Schwächen und Stärken, Mängel und Gaben kommen in der »Bootsgeschichte« zur Sprache.

      Eine Teilnehmerin schrieb: »Ich bin ein Ruderboot, allein auf dem Meer. Ein Ruderblatt ist zerbrochen. Weit und breit sehe ich kein Schiff, das mir Hilfe bringen könnte. Verzweifelt suche ich das Meer nach Hilfe ab. Mich packt eine gewaltige Resignation.« Diese Beschreibung spricht für sich. Hoffnungsloser kann niemand seine Situation beschreiben. Es handelte sich um eine Frau, die vom Mann verlassen worden, in schwere Depressionen verfallen war und sich von Gott und der Welt im Stich gelassen fühlte. Sie sah nur Wellen und Wasser, die sie jeden Augenblick verschlingen konnten. Sie selbst war machtlos, ein Ruder gar war zerbrochen. Die Resignation hatte ihren Glauben an Gott erdrückt. Wer – wie Petrus – nur auf die Wellen und das Meer schaut, versinkt in Verzweiflung. In der Bootsgeschichte hatte die Frau sich offenbart. Doch nun waren auch Menschen da, die ihr beistanden und den »Untergang« verhindern konnten. Der Glaube an den lebendigen Gott, der niemand im Stich lässt, keimte bei ihr wieder auf.

       Wenn ihr fastet, dann setzt keine Leidensmiene

       auf wie die Heuchler. Sie machen ein saures Gesicht,

       damit jeder merkt, dass sie fasten.

      MATTHÄUS 6, 16

      Passionszeit ist Fastenzeit. Dr. Friso Melzer schrieb über das Fasten: »Die Kirche hat das Fasten als Ordnung geistlichen Lebens ins Kirchenjahr aufgenommen. Für solche Zeiten (Fasten im Advent und vor allem vor Ostern) gelten besondere Fastenordnungen. Zum Fasten im weiteren Sinne gehört Enthaltsamkeit gegenüber allem, was den Christen am geistlichen Leben und Wirken hindern will; so fasten wir gern vor dem heiligen Abendmahl, halten unsere ›Stille Zeit‹ gern nüchtern, enthalten uns weltlicher Zerstreuung am Sonntag und wann immer es gut ist.« Fasten kann allerdings zum frommen Werk entarten. Die Leidensmiene der Christen ist eine verlogene und heuchlerische Fassade. Zu Recht hat Jesus das Fasten als »frommes Werk«, mit dem man sich das Heil verdienen kann, abgelehnt.

      Auch ein Rabbi hielt nichts vom selbstverordneten Fasten. Darum riet er: »Anstatt deinen Magen zu zähmen, wäre es besser, du zähmst dein Herz!«

      Jesus und seine Jünger haben das Fasten selbst geübt und empfohlen. Jesus fastete vierzig Tage und Nächte. Es dauerte Tag und Nacht. Im Kampf gegen böse Gewalten siegt nur, wer Jesu Wort befolgt: »Diese Art fährt nur aus denn durch Beten und Fasten.« Fasten hat etwas mit Selbstzucht zu tun. Wir verzichten auf Vergnügungen, die uns lieb sind. Wir wollen sichergehen, dass wir Herr über sie sind und nicht umgekehrt.

       Er (Jesus) sprach zu ihm: »Du hast recht geantwortet;

       tu das, so wirst du leben.«

      LUKAS 10, 28

      Was ist wahres Leben? Worauf kommt es an? Ein Pharisäer fragt Jesus nach dem wahren Leben. Jesus bittet den Schriftgelehrten, selbst die Antwort zu geben. Der kluge Mann gibt die präzise Antwort: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt und deinen Nächsten wie dich selbst.« Und Jesus antwortet mit dem obigen Wort.

      Worauf es beim wahren Leben im Einzelnen ankommt, hat Eva Thiele-Winckler so formuliert: »Es kommt nicht darauf an, glücklich zu sein, sondern andere glücklich zu machen. Es kommt nicht darauf an, zu genießen, sondern mitzuteilen. Es kommt nicht darauf an, sich selbst durchzusetzen, sondern sich selbst zu verleugnen. Es kommt nicht darauf an, sein Leben zu finden, sondern es zu verlieren. Es kommt nicht darauf an, dass Gott unseren Willen tut, sondern dass wir seinen Willen tun. Es kommt nicht darauf an, ob wir lange leben, sondern dass unser Leben den richtigen Inhalt hat. Es kommt nicht darauf an, was die Menschen von uns denken und sagen, sondern was wir vor Gott sind. Es kommt nicht darauf an, ob wir viel Erkenntnis haben, sondern ob wir das Erkannte in die Tat umsetzen.«

      Der Schriftgelehrte hat das wahre Leben erkannt. Ob er es auch realisiert, ist eine andere Sache. Ergeht es uns anders? Wir haben viele Wahrheiten begriffen, aber haben wir sie ergriffen? Praktizieren wir sie? Wir haben seine Botschaft gehört, aber gehorchen wir ihr auch? Jesus gibt uns die gleiche Antwort wie dem Pharisäer: »Tu das, so wirst du leben.«

       Fragt immer, was dem Herrn gefällt! Beteiligt euch nicht

       an dem finsteren Treiben, das nur verdorbene Frucht

       hervorbringt. Im Gegenteil, deckt es auf! Man muss sich

       schämen, auch nur zu nennen, was manche heimlich tun.

      EPHESER 5, 10FF

      In einer wissenschaftlichen Zeitschrift las ich über einen neuen Kulturtrend: Trash-Kultur. Ich habe im Lexikon nachgeschlagen, was das englische Wort »Trash« bedeutet: Abfall, Plunder, Unsinn, Blech, Kitsch.

      Ein Philosophieprofessor beschreibt diesen Trend so: »Die Kultur des Trash erobert unseren Alltag. Ihr Markenzeichen: Entblößung und Enthemmung, Rülpsen ohne schlechtes Gewissen … Die sexuelle Drastik der Werbeplakate, die hohle Geschwätzigkeit der Antihelden des Privatfernsehens, die Vulgarisierung von Kleidungscodes – in ihnen manifestiert sich ein Gemeinsames: die Kultur des Trash, die unseren Alltag immer mehr kolonialisiert und die Liebhaber des Dezenten und Leisen der Lächerlichkeit preiszugeben droht.« Wohlgemerkt, das ist keine Kritik aus der christlichen Szene!

      Die Entblößung des Fleisches und der Seele ist widerlich. Wie kommen Fachleute aber zu dieser Sicht? Sie erleben, dass Dieter Bohlens Selbstentblößung auf der Bestsellerliste erscheint und der Fußballspieler Stefan Effenberg mit ähnlichen Enthüllungen nachzieht. Sich in der Öffentlichkeit zu prostituieren scheint »in« zu sein. Lassen wir noch einmal den Philosophen zu Wort kommen: »Die Veralltäglichung des Trash ist daher die Geburtsstunde einer neuen Form kleinbürgerlichen Ungeistes.«

      Paulus gibt uns eine hilfreiche Orientierung: »Fragt immer, was dem Herrn gefällt!« Den »Plunder« und den »Abfall« müssen wir nicht mitmachen, obwohl die Versuchung groß ist, sich den »Schwachsinn« und den »kleinbürgerlichen Ungeist« in den Medien anzuschauen. Paulus bringt es auf den Punkt: »Darum achtet genau auf eure Lebensweise. Lebt nicht wie Unwissende, sondern wie Menschen, die wissen, worauf es ankommt.«

       Deshalb habt keine Angst vor der Zukunft! Es ist doch genug, wenn jeder Tag

       seine eigenen Lasten hat. Gott wird auch morgen für euch sorgen.

      MATTHÄUS 6, 34

      Es geht um das Heute. Sie kennen bestimmt das Sprichwort: »Morgen, morgen, nur nicht heute, sagen alle faulen Leute.« Es gibt aber auch die Übereifrigen, die sich selbst überholen, die Fortschrittlichen, die heute schon das Morgen bewältigt haben.

      Die Firma Sony verwirrt ihre Kunden gern mit knackigen Werbesprüchen. Einer lautet: »Tomorrow starts today (Morgen beginnt heute)!« Das ist eine schreckliche Perspektive. Keine Pause mehr, alles hat schon begonnen, innehalten ist unmöglich. Das Morgen haben wir heute bereits bewältigt. Die Veränderung von Morgen ist heute schon geleistet. Was ist die Folge? Wir liegen abgehetzt am Boden, wir sind mit den Nerven fertig, und unser


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