Weihnachtswundernacht 2. Группа авторов
Читать онлайн книгу.In unser Scheitern. In unsere Schuld. Ich bin dieser Gott. Ich. Jesus.
Und staunend knien Hirten vor einer Futterkrippe. Und Soldaten vor einem Kreuz. Und verängstigte Jüngerinnen und Jünger vor einem leeren Grab.
Seine Geburt ist eine ganz und gar ungewöhnliche Geburt an einem ganz und gar ungewöhnlichen Ort. Doch dann gehen die Eltern mit ihm den gewohnten und gewöhnlichen Weg, der Juden seit vielen Generationen vorgeschrieben ist. Am 8. Tag die Beschneidung als Zeichen dafür, dass das neugeborene Kind nun auch ganz und gar zum Abrahams-Bund zwischen Gott und seinem Volk gehört. Und weil der Junge einen Namen braucht. Ihn nennen sie Jeschua. Jesus. Auf Deutsch: Der Herr hilft. Der Herr rettet.
Was für ein Name!
Ein paar Wochen später folgt die Darstellung im Tempel. Die »Auslösung«. Denn nach dem jüdischen Gesetz gehört alle männliche Erstgeburt dem Herrn. Weil aber dieser Herr Menschenopfer untersagt hat, werden ein paar junge Tauben geopfert.
Aber dann geht die Geschichte wieder ganz und gar ungewöhnlich weiter. Denn im Tempel gibt es zwei besondere Menschen. Den alten Simeon, dem Gott versprochen hat, dass er nicht sterben wird, ohne vorher den Messias gesehen zu haben. Und die alte Hanna, eine Witwe, die Gott Tag und Nacht im Tempel diente »mit Fasten und mit Flehen«.
Die sehen den Jungen, und beide wissen sofort, mit wem sie es zu tun haben. Und Simeon bricht spontan in einen grandiosen Jubelgesang aus:
»Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.«
Und Hanna, die alte Frau, die Prophetin, hört gar nicht mehr auf, Gott zu preisen. Später erzählt sie allen, die auf die Erlösung Israels warten, dass sie endlich da ist. In diesem kleinen Jungen. In Jesus. Gott hilft! Gott rettet!
Zwei alt gewordene Menschen, die stellvertretend für das alt gewordene Volk Israel stehen. Zwei Menschen, die warten. Die ein ganzes Leben lang gewartet haben. Deren Sehnsucht aber nicht erloschen ist wie eine ausgebrannte Kerze.
Ich stelle mir vor, dass ich Hanna für ein paar Minuten beiseite nehme und frage: »Wie hast du das aushalten können? Und kannst du mir verraten, wie ich das aushalten kann? Ich warte doch auch darauf, dass Gott seine Versprechungen und Verheißungen in meinem Leben erfüllt.«
Und ich stelle mir vor, dass Hanna mir freundlich zulächelt und sagt: »Hör doch einfach meine Geschichte. Lies sie. Hör und lies sie immer wieder. An ihr kannst du doch ablesen, dass Gott seine Versprechen immer und auf jeden Fall erfüllt. Und denk über die vielen anderen Geschichten nach, die dir deine Bibel erzählt. Und dann denk auch über dein eigenes Leben nach, über alle Verheißungen, die sich auch in deinem Leben schon erfüllt haben. Und staune darüber, dass man sich auf Gott verlassen kann. Dass seine Uhren zwar anders gehen als unsere, aber dass er immer zur richtigen Zeit handelt, zu seiner Zeit. Vielleicht wird die Zeit des Wartens dann eine Zeit der Vorfreude für dich.«
Später fasst der Apostel Paulus das Weihnachtsgeschehen in einem theologischen Spitzensatz zusammen: »Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen.« Die heilsame Gnade Gottes – und damit seine unverdiente Freundlichkeit und seine unerwartete Rettung. Erschienen in einem kleinen Jungen in einer kleinen Krippe in einem kleinen Stall in einem kleinen Ort in einem kleinen Land.
Dieses Ereignis kennt keine Parallele in der Geschichte. Es lässt sich einfach nicht vergleichen. Keine Erzählung der Weltliteratur kann es damit aufnehmen. Die heilsame Gnade Gottes ist erschienen, sie ist da, ein für alle Mal, und sie ist für alle Menschen da. Für alle Menschen aller Zeiten und in allen Ländern.
Wir warten. Wir werden auch weiter warten. Auf die Zeitung, auf den Bus, auf den Arzt. Aber wir müssen nicht mehr auf den Himmel warten. Der ist gekommen. Der ist da. Zum Greifen nah. Frohe Weihnachten!
JÜRGEN WERTH
5. Dezember
Weihnachten in der Wüste
Weihnachten in der Wüste. Davon will ich erzählen. Es ist schon einige Jahre her. Und zugegebenermaßen war es das außergewöhnlichste Weihnachtsfest, das wir je erlebt haben. Weihnachten in der Wüste.
Alle Jahre wieder
In den letzten Jahren hat sich bei uns eine richtige Weihnachtsroutine herausgebildet. An Heiligabend, nachdem der Weihnachtsbaum endlich gekauft und geschmückt ist, laden meine Frau Elke und ich nach dem Nachmittagsgottesdienst immer Leute zu uns ein. Meist sind es um die zwanzig Personen, die mit uns feiern – Singles, junge Ehepaare und oft auch ausländische Studenten, die über die Feiertage nicht in ihre Heimat fahren können. Meist sind Studenten aus Afrika und den Vereinigten Staaten dabei. In einem Jahr hatten wir vier chinesische Austauschprofessoren zu Besuch, ein anderes Mal Türken, Franzosen und Australier. Immer wieder laden wir auch am Heiligabend selbst noch Leute ein, die wir auf der Straße treffen, und die sonst nirgendwo den Heiligen Abend feiern würden. Manche Freunde aus Marburg und Umgebung kommen jedes Jahr, weil es ihnen so gut gefällt.
Nach der Begrüßung und einer Vorstellung aller Gäste singen wir unzählige Weihnachtslieder und lesen die Weihnachtsgeschichte in verschiedenen Sprachen. Dann geht es weiter mit gutem und ausführlichem Essen, zu dem viele beigetragen haben. Dann folgen noch mehr Lieder und schließlich die Bescherung. Dann werden die Spiele ausgepackt, und ein wahres Spielfieber ergreift uns. Doch halt, da ist ja noch die Christmette um elf Uhr, bei der sich viele Freunde aus der Gemeinde versammeln, um Gott zu loben und das Wunder der Weihnacht zu feiern. Manche von ihnen lassen sich dann noch zu uns nach Hause einladen, und wir feiern und spielen bis in die frühen Morgenstunden. So feiern wir seit vielen Jahren mit Begeisterung Weihnachten. Nach dem Aufräumen und einem ausgiebigen Schlaf findet dann am ersten Weihnachtstag der zweite Teil unserer Weihnachtsroutine statt. Und die besteht aus Verwandtenbesuchen. Keiner darf vergessen werden, und so machen wir die große Verwandtenrunde am ersten und zweiten Weihnachtstag. Viele Kilometer, viel Essen und viele Geschenke müssen noch bewältigt werden. Wenn wir dann wieder zu Hause sind, ist Weihnachten immer noch nicht vorbei. Denn jetzt laden wir alle erwachsenen »Kinder« unserer Lebensgemeinschaft, die inzwischen in der ganzen Welt verstreut sind, zu uns zu einem festlichen Abend ein. Sie kommen aus England, Schweden, Frankreich, Südafrika und allen möglichen Orten in Deutschland, um einander zu begegnen und zu erzählen, wie es ihnen im letzten Jahr ergangen ist.
Das ist unsere Weihnachtsroutine, mit leichten Veränderungen Jahr für Jahr gleich – und jedes Mal ein Höhepunkt des Jahres.
Weihnachten ganz anders
Doch in diesem Jahr, von dem ich erzählen will, war alles anders. Elke und ich hatten beschlossen, schon im Dezember in den Sudan zu fahren, das Land, in dem ich seit vielen Jahren Sprachforschungen betreibe. Im muslimisch geprägten Norden des Landes ist von Weihnachtsstimmung kaum etwas zu spüren. Schon das Wetter ist ganz anders als das, was wir hier in Mitteleuropa mit Weihnachten verbinden. Strahlende Sonne und Temperaturen von zwanzig bis dreißig Grad statt dunkler Abende und Schneeflocken. Statt den vertrauten Klängen der Weihnachtslieder erfüllt der Ruf des Muezzin von den Moscheen die Luft. Nichts erinnert daran, dass die Christenheit sich anschickt, das Fest des Erlösers zu feiern.
Dieses Mal wollten wir das hohe Fest also dort feiern, in der Wüste im Nordsudan. Seit vielen Jahren lebten dort deutsche Krankenschwestern, die von der Evangeliumsgemeinschaft Mittlerer Osten ausgesandt waren, einer Mission, die schon über hundert Jahre den Menschen in dieser Gegend medizinische und geistliche Hilfe zukommen lässt. Wir waren schon von Khartum, der Hauptstadt des Landes, nach Dongola, der Hauptstadt der Nordprovinz, gefahren. Dongola war damals noch ein kleiner Ort am Rande der Wüste mit insgesamt nur zwei Asphaltstraßen. Dort wohnten und lebten zwei deutsche Krankenschwestern, Ursula und Gertrud, die einzigen Ausländer in dieser kleinen Stadt zwischen Nil und Wüste. Doch wir wollten noch