Mindful Leadership. Janice Marturano
Читать онлайн книгу.schier ertrinkt, mir vorschlug, mich mit Mindful Leadership zu beschäftigen. Also, hier bin ich.“ Als Führungskräfte wissen wir, dass wir den Einfluss, den wir auf unser Umfeld haben, oft unterschätzen, sei er nun gut oder schlecht. Wenn wir präsent und engagiert sind, ist der Effekt ein völlig anderer, als wenn wir abgelenkt und im Autopilot-Modus sind. Aber es reicht nicht, präsenter sein zu wollen, einen positiven Welleneffekt erzeugen zu wollen. Wir müssen unseren Geist schulen.
Der Weg, Führungspräsenz durch Achtsamkeit zu entwickeln, beginnt mit der Erkenntnis, wie viel Zeit wir in einem mentalen Zustand verbringen, den man ununterbrochen teilweise Aufmerksamkeit3 nennt. Wie die meisten Menschen sind Sie vermutlich stolz auf Ihre Multitasking-Fähigkeiten: unglaublich effizient sein, indem man gleichzeitig einer Telefonkonferenz zuhört, ein paar E-Mails schreibt und einen Salat am Schreibtisch isst.
Klingt vertraut? Aber haben Sie bei der Konferenz überhaupt wirklich etwas gehört? Haben Sie in den E-Mails Ihre brillantesten Gedanken mitgeteilt? Haben Sie Ihr Mittagessen genossen oder wenigstens mitbekommen, dass Sie es gegessen haben?
Eine meiner denkwürdigsten Lektionen zu dem Preis des Multitaskings erhielt ich eines frühen Morgens, als ich an meinem Schreibtisch saß, mich auf einen Tag voller Termine vorbereitete und die neuesten E-Mails las. Eine Nachricht kam von meinem Mann, der mir eine E-Mail von der Lehrerin meiner Tochter weitergeleitet hatte. Wir wurden gebeten, in ihrem Kalender einen Termin für ein Elterngespräch auszuwählen, und mein Mann wollte wissen, welchen ich bevorzugte. Ich schrieb meinem Mann: „Donnerstag um zehn wäre gut. … Ich liebe dich in alle Ewigkeit, danke für letzte Nacht.“ Prima. Außer, dass ich in meiner Eile und geteilten Aufmerksamkeit diese Worte an die Lehrerin schrieb. Unnötig zu erwähnen, dass dies zu einem erinnerungswürdigen Moment wurde, als ich schließlich bemerkte, was passiert war.
Kein großer Schaden, nur eine relativ geringfügige Peinlichkeit. Natürlich, alle, die seit einer gewissen Zeit im Berufsleben stehen, können fast täglich über fehlerhafte E-Mails voller unvollständiger, hastiger Gedankengänge von zweifelhaftem Wert berichten.
Beobachten Sie einmal einige Augenblicke lang die Leute auf den Fluren bei der Arbeit oder auf dem Bürgersteig vor dem Haus, das kann Ihnen ebenfalls einen Eindruck von der Unverbundenheit vermitteln, die Multitasking verursacht. Sie werden Menschen sehen, die Nachrichten schreiben und E-Mails checken, während sie gehen, gerade noch ausweichend, um sich nicht gegenseitig umzurennen oder gegen Wände zu stoßen. Das ist sogar dann akzeptabel geworden, wenn man sich dabei zusätzlich noch mit jemandem unterhält. Es gab einmal eine Zeit, da hätte dies als unhöflich gegolten. Mal von den Manieren abgesehen kann diese ununterbrochen teilweise Aufmerksamkeit allerdings auch erschöpfend und ineffizient sein. Die Neurowissenschaft belegt inzwischen, dass die Fähigkeit des Geistes zum Multitasking extrem begrenzt ist. Eigentlich sind wir dazu gemacht, eine Sache nach der anderen zu tun.
Früher waren die Flure vor den Büros Orte ungezwungener Begrüßungen und spontaner Unterhaltungen. Hier wurden wertvolle Kontakte geknüpft. Räumlich betrachtet hatte man beim Gang über den Flur ein paar Momente Zeit, in denen man die Themen der letzten Besprechung hinter sich lassen und mit neuer Offenheit die nächste betreten konnte. Heute findet kaum noch Kontakt statt, während alle den Flur entlang eilen, mit den Daumen über Smartphones fliegend. Und schließlich kommt man dann bei einem Termin an, obwohl man gedanklich noch beim vorherigen ist.
Wir führen ein eiliges, fragmentiertes, komplexes Leben und wir verlieren scheinbar allzu leicht die Fülle und das Engagement, die ein Dasein im gegenwärtigen Moment mit sich bringt. Angesichts all der Verlockungen, uns ablenken zu lassen, unsere Intuition zu ertränken und unsere Aufmerksamkeit zu fragmentieren, können wir leicht durchs ganze Leben gehen, ohne je alle unsere Möglichkeiten und unsere volle Aufmerksamkeit in den Augenblick eingebracht zu haben.
Was also ist zu tun? Ist Führungspräsenz ein Talent, das nur einigen Wenigen vergönnt ist, oder kann man sich darin üben? Können wir unseren Geist trainieren und unsere Absicht verwirklichen, in Konzentration, Klarheit, Kreativität und Mitgefühl zu leben, selbst wenn sich unser Leben eilig, fragmentiert und komplex gestaltet?
Glücklicherweise können wir das.
Mit Exzellenz führen, ganz präsent bei einer Tätigkeit sein und mit anderen in Kontakt kommen – das sind naturgegebene Fähigkeiten, über die wir alle verfügen. Gute Führungskräfte oder solche, die es werden wollen, brennen meiner Erfahrung nach geradezu darauf, diese Fähigkeiten zu erweitern. Mindful-Leadership-Training zielt genau darauf ab. Mit einfachen Methoden, die Ihre Aufmerksamkeit und Ihre Fähigkeit verfeinern, sich in jedem Moment bewusst zu sein, was in Ihrem Körper und Ihrem Geist vor sich geht, können Sie von all Ihren Möglichkeiten Gebrauch machen – mit klarem Geist, warmem Herzen und weisen Entscheidungen – und die Resultate authentischer Führung erleben.
Eine Kostprobe aus dem Mindful-Leadership-Training
Wagen Sie ein Experiment, um sich mit den Aktivitäten Ihres Geistes vertraut zu machen. Genau jetzt. Setzen Sie sich bequem hin, schließen Sie Ihre Augen und werden Sie gewahr, dass Sie atmen. Spüren Sie einfach den Atem in Ihrem Körper. Nur das. Das ist die einzige Aufgabe auf der Liste. Verändern Sie Ihren Atem nicht, nehmen Sie einfach nur wahr, wie er in den Körper ein- und ausströmt. Versuchen Sie es für fünf Minuten. Halten Sie die Aufmerksamkeit auf den körperlichen Empfindungen.
Was ist Ihnen aufgefallen?
Wie für die meisten Menschen war vielleicht auch für Sie diese scheinbar einfache Aufgabe nicht ganz so leicht. Haben Sie bemerkt, wie Ihr Geist von Gedanke zu Gedanke gesprungen ist, auch wenn Sie die Aufmerksamkeit bei den Empfindungen halten wollten?
Mit etwas Übung kann die Wahrnehmung der Atemempfindungen ein nützlicher Anker sein, um in die Gegenwart zurückzukehren, selbst mitten in einem chaotischen Treffen oder einem schwierigen Gespräch, wenn der Geist sonst möglicherweise voller Ablenkungen wäre. Den Atem kann man nur in der Gegenwart wahrnehmen, nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft. Wenn Sie also Ihre Aufmerksamkeit ein paar Atemzüge lang absichtsvoll auf die Empfindungen lenken können, kehrt der Geist von seinen Sorgen um die Zukunft oder den Erinnerungen an die Vergangenheit zurück, genau hierher, in diesen Moment.
Was Ihnen wahrscheinlich klarer wird, je präsenter Sie werden, ist, dass die Ablenkungen, die oft den Geist anfüllen, genau die Klarheit verschleiern, die Sie benötigen, um eine Situation zu lenken, Raum zu schaffen für Innovation oder sich für das notwendige Mitgefühl zu öffnen.
Auch wenn die vielen Ablenkungen durch die Technologie und den ununterbrochenen Informationsfluss unsere Aufmerksamkeit dazu verführen, sich mehr und mehr zu zerstreuen und überall, bloß nicht in der Gegenwart zu sein, ist doch die Fähigkeit des Geistes, Aufmerksamkeit zu lenken und zu halten, immer vorhanden, und sie kann gestärkt werden. In diesem Leitfaden zu Mindful Leadership werden Sie viele Möglichkeiten kennenlernen, den Geist darin zu üben und dies in die alltäglichen Herausforderungen Ihres Lebens und Ihrer Arbeit als Führungskraft in der heutigen Welt einzubringen.
Eine Anmerkung zu Achtsamkeit, Stress und Gesundheit
Bei der Entwicklung von Achtsamkeit im Kontext von Leadership geht es nicht in erster Linie um die Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden. Dennoch zeigen die persönlichen Erfahrungen von vielen Tausenden Achtsamkeit Praktizierenden sowie die Ergebnisse zahlreicher Studien, dass die Gesundheit sich dadurch auf vielfältige Weise verbessert. Das Stichwort bezüglich der gesundheitlichen Auswirkungen lautet „Stressbewältigung“.
Was wir Stress nennen, ist ein komplexes System in unserem Körper und Geist. Wir brauchen Stress, um effektiv auf Herausforderungen, Bedrohungen und Notfälle zu reagieren. Aber wenn Körper und Geist in einem ständigen Zustand hoher Stressreaktivität sind, fordert dies seinen Tribut. Eine der wichtigsten Wirkungsweisen von Achtsamkeit auf die Gesundheit liegt darin, zu lernen, die eigene Stressreaktion zu regulieren. Zudem kann höhere Aufmerksamkeit auf das eigene körperliche und geistige Befinden dazu führen, einen Lebensstil zu entwickeln, der unserer Gesundheit auf lange Sicht zugutekommt.
Einige Forscher kamen auch zu dem Schluss, dass Achtsamkeitspraxis zu mehr Widerstandsfähigkeit führt, uns also die Herausforderungen des