Wassergeld. Harald Schneider

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Wassergeld - Harald Schneider


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mich, dass man dafür keine Beamten der Schutzpolizei eingeteilt hatte, aber vielleicht gehörte das zu KPDs Plan. Ich zeigte flüchtig meinen Ausweis und wurde ohne weitere Fragen oder Kontrollen zum Helikopter durchgelassen. Nebenan stand ein Geldtransporter des privaten Sicherheitsdienstes.

      Conrad Bienenfels kam auf mich zugelaufen. »Wir haben gerade den ersten kurzen Testflug hinter uns. Es lief alles glatt, trotz der schweren Kiste. Fünf Leute haben sie unter den Hubschrauber wuchten müssen.«

      Die silberne Metallkiste hatte die Ausmaße einer Gefriertruhe und war mit breiten Gurten unter dem Hubschrauber an einem überdimensionalen Karabinerhaken befestigt.

      »Das viele Geld«, sinnierte Bienenfels, »insgesamt 112 Kilogramm bestehend aus 500-Euroscheinen. Vielleicht sollte ich es riskieren. Haben Sie nicht Lust, ebenfalls auszuwandern, Herr Palzki?«

      »Nein danke, Geld allein macht nicht glücklich. Was sind das eigentlich für Gummibänder, die um den Behälter gestrafft sind?«

      »Das wurde bereits so angeliefert. Die Kiste ist zugeschweißt, damit sie sich in der Luft nicht versehentlich öffnet. Sonst hätten wir in der Vorderpfalz unser eigenes Konjunkturprogramm, wenn es auf einmal 100.000 Geldscheine regnen würde. Die verklebten Gummibänder sorgen dafür, dass der Kasten wasserdicht ist. Die Geldbündel selbst sind außerdem aus Platzgründen plastik-vakuumverschweißt. Es sieht zwar im Moment nicht nach Regen aus, aber man weiß ja nie, was sich da oben zusammenbraut.« Er schaute auf seine Uhr. »In einer Stunde geht es los. Sind Sie sehr nervös?«

      »Nein, nicht die Spur«, log ich. »Unser Chef hat einen todsicheren Plan. Aber sagen Sie mal, haben wir heute mit vielen Luftlöchern zu rechnen?«

      »Luftlöcher? Ich bitte Sie. Dafür fliegen wir viel zu langsam. Ein paar kleine Turbulenzen kann es schon mal geben, aber das ist nicht der Rede wert. Wird Ihnen beim Fliegen schlecht?«

      Ich wiegelte lautstark ab. »Nein, mir doch nicht. Mich hat das nur so allgemein interessiert.«

      »Glück gehabt. Im Sommer hatte ich einen dabei, der hat mir das ganze Cockpit vollgekotzt. Aber so etwas passiert nur Warmduschern.«

      Die nächste Stunde verbrachte ich Kaffee trinkend bei Herrn Strommeier. Er wusste noch einiges über den Rhein und seine Deiche zu berichten. Es war alles hochinteressant, zumal es mich ein wenig von dem unmittelbar bevorstehenden Hubschrauberflug ablenkte.

      Mit wackligen Knien, aber ohne mir etwas anmerken zu lassen, stieg ich zum verabredeten Zeitpunkt zu Herrn Bienenfels in das noch bodenständige Fluggerät. Das Tageslicht würde sich nicht mehr lange halten und ein kühler Wind zog auf. Zum Glück hatte es seit heute Morgen nicht mehr geregnet.

      Schliefensang, Strommeier und weitere Beamte der Wasserschutzpolizei schauten zu, als Bienenfels den Helikopter einschaltete. Vorher hatte er mir noch gezeigt, wie ich mit dem Funkgerät umzugehen hatte.

      »Unsere Position wird automatisch im Fünfsekundenrhythmus gefunkt, damit brauchen Sie sich nicht zu befassen. Sobald bei uns auf dem eingestellten Kanal eine Anweisung reinkommt, drücken Sie bitte auf diesen blauen Knopf und geben die Information über das Mikrofon an Ihrem Headset an Ihre Kollegen weiter. Das ist deshalb notwendig, weil wir nicht wissen, woher das Signal der Erpresser kommt und wie stark es sein wird. Daher könnte es passieren, dass Ihre Kollegen nichts mitbekommen würden. Ihr Vorgesetzter, Herr Diefenbach, fährt zweigleisig. Zum einen lässt er uns verfolgen, um die Geldübergabe zu vereiteln, zum anderen versucht ein kleines Spezialistenteam den Sender zu orten. Also denken Sie daran: Immer schön den blauen Knopf drücken, wenn Sie etwas durchgeben wollen. Das gilt auch für andere Auffälligkeiten. Aber keine Angst, ich sitze ja neben Ihnen.«

      Ob dieser Plan wirklich auf KPDs Mist gewachsen war oder vielleicht doch auf Juttas? Egal, ich kannte nun meine Aufgabe und war auf das Schlimmste gefasst.

      Erfreulicherweise musste der Pilot auf sein freischwebendes Gepäck aufpassen und daher langsam starten. Ein kleiner Ruck in etwa fünf Meter Höhe und der Metallbehälter pendelte frei in der Luft. Und genau dieses Pendeln übertrug sich auf den Hubschrauber.

      »Hoppla, das wackelt ja ganz schön heftig«, meinte Bienenfels trocken. »Sie sind wirklich nicht anfällig für das Geschaukel?«

      Ich konnte in diesem Moment unmöglich antworten. Mein Magen war kurz davor, sich aus meinem Rachen zu stülpen. Es war erfreulicherweise nur von kurzer Dauer, die Kiste stabilisierte sich aufgrund ihres Gewichtes sehr schnell. Noch nie war ich erleichterter darüber gewesen, dass Papier so schwer war.

      »49,4828°N 8,4617°O«, schnarrte es ohne einen weiteren Kommentar aus dem Funkgerät. Bienenfels hatte mir bereits beim Start einen Notizblock in die Hand gedrückt.

      »Schreiben Sie die Zahlen besser auf, bevor Sie die Koordinaten durchgeben«, sagte er mir, während er sie unabhängig von mir in eine Tastatur eingab. Etwas, das wie eine Landkarte aussah, leuchtete auf einem kleinen Monitor auf.

      »Mannheimer Schloss«, murmelte er, während ich auf den blauen Knopf drückte und unser Ziel durchgab. Der Flug war kurz. Als wir das Ziel erreicht hatten, ließ Bienenfels den Helikopter in der Luft stehen. Unter uns befand sich die weitläufige Schlossanlage, die unter anderem die Mannheimer Universität beherbergte.

      »Was soll das?«, überlegte der Pilot. »Wenn ich den Behälter an dieser Stelle loslasse, durchschlägt er das Dach des Schlosses.«

      Mit »49,5496°N 8,4499°O« erschallte bereits die nächste Anweisung durch den Lautsprecher. Es schien eine männliche Stimme zu sein, doch das half uns nicht wirklich weiter.

      »Es geht in den Norden von Mannheim, in den Stadtteil Sandhofen«, sagte Bienenfels, nachdem ich die Zahlen meinen Kollegen weitergefunkt hatte.

      »Hoffentlich hat Ihr Vorgesetzter auch daran gedacht, die hessischen Behörden mit einzubeziehen. Nicht weit nördlich von Sandhofen beginnt Hessen.«

      Da würde ich nicht drauf wetten, dachte ich mir. Inzwischen war es dunkel geworden. Den künstlich beleuchteten Stadtteil von oben zu betrachten, hatte etwas Attraktives an sich, es nahm mir sogar ein Stück meiner Flugangst. Hin und wieder konnte ich einen Streifenwagen entdecken. Wir flogen in ungefähr 50 Meter Höhe über die Häuser der Vorstadt. Direkt über einer breiten Straßenkreuzung schienen wir unseren Zielpunkt erreicht zu haben, der Hubschrauber blieb in der Luft stehen.

      »Na, was ist da jetzt passiert?«, fragte Bienenfels sich selbst. »Ich kann nicht ewig in der Luft hängen bleiben. Das ist ein dämlicher Ort für die Geldübergabe, das kann doch niemals –«

      »49,4059°N 8,4861°O«, lautete die nächste Botschaft. »Es geht wieder zurück in den Süden. Die bisherigen Ziele waren anscheinend nur Kontrollpunkte der Gauner. Moment mal, wissen Sie, wo der nächste Zielpunkt liegt?« Anscheinend hatte er keine Antwort von mir erwartet, denn er gab sie selbst. »Direkt am Marx’schen Weiher. Na, dann viel Spaß. Ich hoffe, dass Ihre Kollegen nicht nur Streifenwagen haben, sondern auch ein paar schnelle Boote.«

      Klar, das musste die Lösung sein. Die Geldübergabe war in dem evakuierten Gebiet geplant. Wenn die Erpresser schnell genug sind und einen Ort gewählt haben, der nur schwer mit einem Wagen zu erreichen ist, würde KPD seinen Plan vergessen können.

      Ich drückte den blauen Knopf. »Wir fliegen zum Marx’schen Weiher. Bitte alle Einsatzkräfte zusammenziehen. Ich denke, dass die Campingplatzanlage das Zielgebiet sein wird.«

      Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie sehr ich mich täuschen sollte.

      Wir flogen währenddessen wieder über den Rhein in die linksrheinische Pfalz und dann der Länge nach über Ludwigshafen. Dunkel lagen die Altriper Rheinauen unter uns. Ein leicht diffuses Licht, das sich aus einem kaum wahrnehmbaren Mondlicht und dem gestreuten Kunstlicht der Rhein-Neckar-Region zusammensetzte, zeigte uns aus der Vogelperspektive die wahren Ausmaße der Überschwemmung, während wir höchstens 20 Meter über den Baumwipfeln dahinflogen. Die Bäume und die Dächer hunderter Wohnwagen schauten wie kleine Inseln aus dem riesigen See. Noch immer schien Bewegung in dem Gewässer zu sein, wie wir deutlich an den Wellenbewegungen ausmachen konnten.

      »Mit


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