Ermordet zwischen Sylt und Ostfriesland: 6 Küstenkrimis. Alfred Bekker

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Ermordet zwischen Sylt und Ostfriesland: 6 Küstenkrimis - Alfred Bekker


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      „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen“, sagte Winkels mit unschuldiger Miene.

      „Ich lasse mich nicht betrügen!“ schrie er, während seine Frau ihn aus der Tür drängte.

      Hinter ihnen war eine ganze Gruppe von Menschen stehen geblieben und hatte das Geschehen beobachtet. Eine Familie mit zwei Kindern, Mädchen zwischen zehn und zwölf Jahren, die sich dicht an ihre Mutter drängten.

      Erne Bräkers Tochter? Nein, deren Kinder müssten älter sein. Außerdem gab es nach den Unterlagen keinen Mann.

      Also Walter Köhlers Sohn mit seiner Frau und seinen Kindern.

      Die Eltern sahen recht glücklich aus. Sie schienen mit dem Erbe zufrieden zu sein. Sie folgten Papendiecks Sohn und seiner Frau erst in gewissem Abstand. Es sah aus, als hätten sie keine Lust, ein Gespräch zu suchen. Die Frau nickte im Vorbeigehen dem ehemaligen Hauptkommissar freundlich zu, hatte aber offensichtlich keine Ahnung, wer er war.

      Eine Befragung dieser Familie konnte er sich schenken, entschied Winkels. Das konnte er getrost seinem Nachfolger überlassen.

      Doktor Haferkamp stand im Türrahmen seines Büros und hatte die Szene mit angesehen. Er schüttelte den Kopf und gab Winkels ein Zeichen.

      Winkels folgte dem Notar in dessen Büro.

      „Werner Papendieck hat das Testament nicht so gut aufgenommen“, erklärte Haferkamp und sortierte die verstreuten Unterlagen auf dem Konferenztisch.

      „Ist mir nicht entgangen. Dann können Sie mir jetzt verraten, worum es geht.“

      „Ich habe die drei Testamentseröffnungen zusammen erledigt. Es sind ja auch alle Erben gemeinsam betroffen. Nur Herr Papendieck war nicht zufrieden.“

      „Wie haben die anderen denn reagiert, als sie von den Bestimmungen des Testamentes erfuhren?“

      Haferkamp spielte mit seinem Füllfederhalter.

      „Die Familie von Walter Köhler haben Sie ja noch gesehen und sich vermutlich selbst ein Urteil gebildet.“

      Winkels nickte. „Sie schienen sehr zufrieden zu sein. Der Geldsegen kam für sie offensichtlich völlig unerwartet, und sie nahmen es dem Verstorbenen nicht übel, dass seine Tippgemeinschaft den Hauptteil erhielt. Ohne diese Gruppe hätte es vermutlich überhaupt keinen Gewinn gegeben. Und die Erben von Frau Bräker?“

      „Die Tochter von Frau Bräker war mit ihrem Sohn hier, also dem Enkel der Verstorbenen. Die beiden waren mit der Nachricht zufrieden, dass sie nur den ihnen zustehenden Pflichtteil erbten. Sie waren völlig überrascht, dass sie überhaupt so viel bekamen. Ich hatte den Eindruck, dass sie nicht wussten, was die alte Dame auf dem Konto hatte. Sie haben kein Wort darüber verloren, wieso die Hälfte des Erbes an jemanden anderen ging. Ich glaube, der Enkel hatte Mühe, sich die geerbte Summe überhaupt vorzustellen. Ihren Fall hatte ich als ersten verhandelt, und sie sind sofort danach gegangen, ohne abzuwarten, was die übrigen Anwesenden betraf.“

      Er lächelte. „Vielleicht wollten sie gleich mit dem Geldausgeben anfangen.“

      „Über wieviel Geld reden wir eigentlich?“ fragte Winkels, der seine Neugier nicht länger bezähmen konnte.

      „Ich vermute, das wird auch Sie überraschen“, begann der Notar und machte eine Pause, als wolle er die Spannung künstlich steigern.

      „Es geht insgesamt um eine Summe von etwas über acht Millionen Euro. Die Tippgemeinschaft hatte an jenem Wochenende als einzige die richtige Zahl, und der Hauptgewinn war in den Wochen davor immer höher geklettert. Ich wundere mich, dass es den sechs Gewinnern gelungen ist, das Geheimnis so lange zu bewahren, sogar vor ihren Kindern und Enkeln.“

      Nach einer kleinen Pause fügte er hinzu. „Doch das war vermutlich auch der Sinn der ganzen Sache.“

      Winkels ließ sich auf einen der Sessel fallen. Damit hatte er nicht gerechnet.

      „Über acht Millionen?“

      „Ja, und die Hälfte davon wird jetzt an die übrigen drei Gewinner verteilt. Da bleibt für jeden eine beträchtliche Summe. Die Vereinbarung, die ursprünglich getroffen wurde, bezieht sich übrigens auch nur auf die Gewinnsumme. Das normale Erbe ist davon nicht betroffen.“

      „Dafür hätte wohl auch niemand mehrere Morde riskiert“, vermutete Winkels.

      In seinem Kopf rasten die Gedanken. Nie im Leben hätte er geglaubt, dass es um solche Summen ging. Das musste Auswirkungen auf ihre Überlegungen haben, was eine mögliche Täterschaft betraf.

      Plötzlich waren auch die direkten Erben der drei Todesopfer wieder in den Fokus gerückt.

      War doch einer von ihnen der Mörder? Wollte er mit mehreren Morden verschleiern, um welches Erbe es in Wirklichkeit ging?

      Es wurde Zeit, die weiteren Schritte mit Uwe Dröver zu besprechen. Winkels sah auf seine Uhr. Mittagszeit – er war lange nicht mehr in der Polizeikantine gewesen.

      *

      „Der Chef ist in der Kantine“, beantwortete eine Assistentin im Großraumbüro seine Nachfrage.

      Es versetzte Winkels einen leichten Stich. Früher war er hier der Chef gewesen. Es wurde allmählich Zeit, diese alten Gedanken abzuschütteln.

      Den Weg kannte er im Schlaf. Als er eintrat, gab es verschiedene Reaktionen. Einige grüßten freundlich mit einem Handzeichen, andere wandten den Blick ab, als hätte er Lepra.

      Hauptkommissar Uwe Dröver verdrehte leicht die Augen, als er ihn kommen sah. Vielleicht störte es ihn, dass sie zusammen in der Kantine gesehen wurden.

      Winkels nahm sich ein Tablett und bestückte es mit einem belegten Brötchen und einer Tasse Kaffee aus dem Automaten.

      „Der Kaffee geht aufs Haus“, sagte die Dame an der Kasse grinsend und verlangte nur den Preis für das Brötchen.

      „Danke“, entgegnete Winkels und zwinkerte ihr zu. Sie versah hier ihren Dienst, seit er denken konnte.

      Er setzte sich seinem Nachfolger gegenüber und schüttelte ihm die Hand. Der Kaffee war ungewöhnlich heiß. Hatte man die Maschine repariert?

      Winkels biss in sein Brötchen.

      „Es gibt Neuigkeiten“, sagte er mit halbvollem Mund.

      „Du zuerst!“

      Winkels verputzte seine Mahlzeit, ehe er Dröver erzählte, was er in der Zwischenzeit erfahren hatte. Die größte Überraschung hatte er sich für den Schluss aufgespart.

      „Mehr als acht Millionen? Im Ernst?“

      Drövers Erstaunen war womöglich noch größer als das seines Vorgängers. „Das ändert einiges, oder?“

      Winkels nickte. „Ich denke, wir müssen uns alle Beteiligten noch einmal genau ansehen und überprüfen. Tragen wir doch mal zusammen, was wir inzwischen wissen.“

      „Einverstanden! Beginnen wir mit den Erben der noch lebenden Lottospieler.“

      Tjade nahm seine Finger bei der Aufzählung zu Hilfe.

      „Da wäre als erstes Holger Bartels, einziger Sohn des Ermordeten. Ein unangenehmer Kerl, der merkwürdigerweise bei seiner Stiefmutter lebt, also bei der zweiten Frau von Heinz Bartels. Ich weiß, dass man nicht nach Äußerlichkeiten urteilen soll, aber dem würde ich einiges zutrauen.“

      Dröver verzog das Gesicht. „Da haben wir schon das erste Problem. Meine Leute haben inzwischen die Hintergründe aller Verdächtigen oder der sonstigen Beteiligten ausgeleuchtet. Holger Bartels hat für den Mord an Erna Bräker ein bombensicheres Alibi. Er war in der fraglichen Zeit und auch weit darüber hinaus auf dem Trainingsplatz seiner Fußballmannschaft. Zahlreiche Zeugen haben ihn dort gesehen. Er hat den Platz nicht verlassen. Er kann nicht unser Mörder sein.“

      „Was


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