Mörderisches aus Sachsen. Petra Steps
Читать онлайн книгу.kehrte vom Händewaschen zurück. Adina legte Spaghetti auf. »Salat nimmst du dir bitte selbst, ja!«
»Die Spaghetti Carbonara sind köstlich. Manche ertränken sie in Sahne und wundern sich über die glitschige Masse. Du machst das richtig wie die Italiener.«
Adina fühlte, wie die Röte über ihren Hals ins Gesicht strömte. Sie erhob ihr Rotweinglas und streckte es Oli hin. »Danke schön. Auf was auch immer, Schatz«, sagte sie. Die Gläser klirrten ganz leicht, als sie aneinanderstießen. Die CD hatte inzwischen wieder von vorn angefangen und war mit I will wait beim passenden Titel angelangt.
Oli goss nach und nahm die Gläser mit zur Couch. Adina bevorzugte den Sessel, damit sie Oli anschauen konnte. Sie tänzelte mit Beckenkreisen dorthin. Die Dielen knarzten unter ihren Füßen. »Schieß los«, forderte sie Oli auf.
Der machte es kurz und scheinbar schmerzlos. »Ich werde für etwa ein Jahr nach Dresden versetzt.«
Adinas Augen begannen zu strahlen. »Aber das ist doch prima. Ich werde demnächst viel in dieser Gegend sein. Wir können uns in Dresden ab und an sehen.« Adina überlegte kurz. »Ach so, ich habe es dir noch gar nicht gesagt. Zuerst wusste ich nur von Mia, dass mein Auftrag erweitert werden soll. Dann hat Markus angerufen. Ich bin jetzt Beauftragte für ganz Sachsen, nicht mehr nur für das Erzgebirge.«
»Mensch, Adina. Herzlichen Glückwunsch. Ich hatte schon Angst, dass ich dich an Berlin oder weiter weg verliere. Hier ist wenig los für dich Großstadtpflanze. Aber dann dachte ich mir, du hast hier ewig zu tun. Du musst schauen, was aktuell ist. Es gibt ständig Veränderungen. Denk nur an die Montanregion. Weltkulturerbe verpflichtet. In den kommenden Jahren wird sich vieles entwickeln.« Oli hielt Adina das Glas hin. »Cheers«, sagte er, und wieder ploppten die Gläser aneinander.
Adina weilte im Auftrag einer Berliner Marketingagentur im Erzgebirge. Deren Inhaber Markus hatte ein kreatives Tourismusportal entwickelt, in dessen Mittelpunkt mehr das Storytelling stand und weniger die bloße Aneinanderreihung von Daten. Bei dieser Arbeit fühlte sich Adina in ihrem Element. Geschichten erzählen, das konnte sie schon in der Schule recht gut. Deshalb war sie Journalistin geworden. Als sie nach der Trennung von ihrem langjährigen Lebenspartner Sascha den Job in der Redaktion verlor oder besser gesagt aufgab, suchte sie nach einer neuen Herausforderung. Ihre Freundin Mia war ihr zu Hilfe gekommen. Sie kannte Markus und hatte von seinen Plänen für das deutschlandweite Projekt gehört.
Adina plauderte munter los. »Klimawandel, Corona-Virus, Spannungen in einigen Ländern – ich glaube, alles spricht gerade für uns. Viele besinnen sich mangels möglicher Auslandsreisen auf Urlaub in Deutschland. Sie werden lieber mehrmals fahren, denn planen kann man nicht mehr so langfristig. Markus hat das recht schnell begriffen. Und Sachsen ist geradezu prädestiniert für kürzere Aufenthalte mit all den verschiedenen Landschaften, seinen Schlössern und Burgen, den Talsperren und sehenswerten Städten. Allein Dresden …«
»Ich sehe, die Begeisterung hat schon Besitz von dir ergriffen. Nun müssen wir nur alles Logistische klären, dann werden wir sicher gut über die Zeit kommen. Nach der Schwangerschaftsvertretung kehre ich nach Annaberg zurück. Alles hat seine Zeit.«
Adina blickte Oli in die Augen. »Ich will nächste Woche nach Berlin fahren. Begleitest du mich? Ich stelle dich Markus als meinen persönlichen Berater in allen Lebenslagen vor. Ihr seid euch doch nie persönlich begegnet, oder?« Adina kicherte, ging zum Sofa und bettete ihren Kopf in Olis Schoß.
»Da waren ein paar Lagen dabei, auf die ich gern verzichtet hätte«, sagte Oli. Sein Blick wechselte von Adinas Gesicht zum Fenster und von dort in die weite Ferne.
»Ich weiß, woran du denkst. Die Schießerei in Annaberg ging glimpflich aus. Die Neonazis in Grillenburg haben mir nichts getan. Ein paarmal habe ich dir sogar bei den Ermittlungen geholfen. Denk an die Prostituierte in der Annaberger Post. Bei der Leiche im Markus-Röhling-Stollen habe ich dir den Täter wie auf dem Tablett serviert. Nur der durchgeknallte Polizeibeamte in Dippoldiswalde hat mir ein paar Tage Krankenhausaufenthalt verschafft …«
»Adina, du weißt, dass du die Verbrechen magisch anziehst, keine Ahnung, warum das so ist. Ich will mir nicht ausmalen, was alles hätte passieren können. Versprich mir etwas: Lass bitte die Polizei ermitteln und kümmere du dich um Touristen.«
»Oli, wie kann ich dir so etwas versprechen! Ich kann nichts dafür, dass mir ständig Leichen vor die Füße purzeln, so wie der Opa auf dem Waldgeisterweg bei den Greifensteinen. Sieh es so: Alles hat einen Sinn, nur manchmal erkennt man ihn nicht sofort. Ohne die Opas hätten wir uns vermutlich nie getroffen. Und jetzt lass uns ein paar Dinge besprechen. Kommst du mit nach Berlin?«
»Ich fürchte, ich muss die ganze Woche arbeiten. Ich will unbedingt einen Fall abschließen, bevor ich nach Dresden gehe.«
»Worum geht es?« Adina setzte ein Sonntagsgesicht auf und versuchte, ihre Neugierde zu verbergen.
»Du weißt, dass ich dir das nicht sagen darf. Und bitte: Das ist nichts für dich. Ich fürchte, ich habe vor zwölf Jahren einen Fehler gemacht. Das war in meiner Anfangszeit im Annaberger Revier.«
»Ein Cold Case?«
»Nein, kein offener Fall. Ich glaube, ich habe damals etwas übersehen und die Sache vorschnell zu den Akten gelegt.«
Adina schaute Oli an. »Du meinst das mit dem Alkoholiker? Dem Manfred aus Mildenau.«
Oli erschrak. »Woher weißt du das schon wieder? Du bist mir nicht geheuer. Oder hast du heimliche Beziehungen in unser Polizeirevier? Ich meine damit nicht mich. Diese Art von Beziehung ist ja nicht mehr heimlich.«
»Das pfeifen die Annaberger Spatzen von den Dächern, selbst bei dem Schneetreiben, das wir heute hatten. Und du weißt doch: Es gibt keine Zufälle!«
»Namen, Adina, Namen! Wie heißen deine Spatzen?«, hakte Oli nach.
»Du hast mich ihnen nicht vorgestellt, also kenne ich keine Namen. Als ich heute den Schinken beim Fleischer kaufte, unterhielt sich die Verkäuferin mit einer Kundin. Es ging um einen Alkoholiker, der vor mehr als zehn Jahren gestorben ist. Die Verkäuferin sagte, dass sie das schon damals gewusst habe, nur habe sie keiner ernst genommen. Und jetzt beschäftige sich die Polizei mit der Witwe. Aber ich war viel zu aufgeregt wegen des Anrufs von Markus, als dass ich nachgehakt hätte. Außerdem wollte ich zurück sein, bevor der Schnee unsere Haustür zugeweht hat.«
»Ach, die Liane. Sie hat mich gestern gesehen, als ich in Mildenau war. Die knöpfe ich mir morgen vor. Sie wohnt da draußen gleich in der Nähe der Witwe. Mal schauen, ob sie dann noch so gut Bescheid weiß wie im Laden.«
»Verrate ihr bloß nicht, dass du das von mir hast. Sonst musst du demnächst ollen Supermarkt-Schinken essen. Was ist denn eigentlich passiert, da in Mildenau?«
»Das ist eine ziemlich verfahrene Kiste. Ein Mann starb unter etwas, sagen wir, mysteriösen Umständen. Die Obduktion schloss zwar ein Fremdverschulden nicht aus, bestätigte jedoch nicht den Verdacht, dass da jemand nachgeholfen haben muss.« Oli nahm einen Schluck Wein aus seinem Glas und goss den Rest aus der Flasche nach.
»Jetzt lass dir mal nicht jeden Brocken aus der Nase ziehen. Habt ihr gar nicht ermittelt?«
»Nun ja, der Mann war ein stadtbekannter Alkoholiker, auch wenn er draußen in Mildenau wohnte. Oder anders: Er war schon vorher bekannt. Ein karrieregeiler junger Parteifunktionär in der DDR. Er hatte vermutlich nach der Wende nie wieder Fuß gefasst und war dem Alkohol verfallen. Wir hatten ihn mehrmals betrunken am Steuer erwischt und ihm den Führerschein abgenommen. Ich war mir damals sicher, dass der Schwächeanfall verbunden mit der Alkoholmenge von fast drei Promille tödlich gewesen sein musste.«
»Und habt ihr niemanden befragt? Die Witwe, die Nachbarschaft, Kinder?« Adina gab nicht nach.
»Natürlich habe ich mit der Frau gesprochen. Nichts Auffälliges.«
»Und jetzt?«
»Stehen wir quasi wieder am Anfang.«
»Warum das?«
»Es gab eine Anzeige.«