Mörderisches aus Sachsen. Petra Steps

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Mörderisches aus Sachsen - Petra Steps


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      Im Annaberger Krankenhaus eingetroffen, fragte sich Oli zu Birgit durch. Sie saß auf einem der beiden Stühle am Tisch ihres Einbettzimmers und tippte auf dem Telefon herum. »Mah-Jongg, zur Entspannung«, sagte sie zu Oli. »Ich will an nichts denken.«

      »Schauen Sie, ob ich alles habe. Hier ist der Schlüssel. Ich glaube, Sie sind mir eine Erklärung schuldig.«

      Birgit begann vor sich hin zu sprechen, ohne Oli anzuschauen. »Es existiert ein Testament. Sie haben es sicher liegen sehen auf dem Küchentisch. Erwins Erbe geht an mich. Den Pflichtteil dürfte sein Sohn heute verwirkt haben. Dabei hat Erwin gerade letzten Sonntag zu mir gesagt, dass er mit ihm sprechen und ihm ein Angebot machen wolle. Ich weiß eh nicht, was ich mit dem ganzen Grundbesitz soll. Am Ende werde ich es verkaufen müssen. Erwin hatte gestern mit seinem Sohn telefoniert. Es ging um Schulden, die der Auswanderer bei seinem Spanienabenteuer aufgehäuft hatte. Der hätte nur ein wenig Geduld haben müssen …«

      »Danke, das habe ich aber nicht gemeint. Mich interessiert die Sache mit Erwin und Ihrem früheren Mann. Sie haben oben auf dem Feld etwas gesagt.«

      »Ja. Alles lief so ab, wie es damals in der Akte vermerkt wurde. Nur dass Erwin ein bisschen nachgeholfen hat. Er war zufällig in der Wohnung und wollte mit Manfred sprechen, nachdem ich ihm im Revier von den Misshandlungen berichtet hatte. Manfred war wieder einmal blau. Plötzlich sackte er zusammen. Wir dachten, es sei der Alkohol. Im Affekt nahm Erwin die Flasche vom Tisch und flößte ihm zusätzlich eine ordentliche Portion mit ein paar Schlaftropfen ein. Damit wollte er verhindern, dass es wieder mit Schlägen endet. Ich schleifte Manfred zum Bett, wie so häufig, wenn er besoffen war. Erwin war inzwischen gegangen. Den Rest wissen Sie. In der Nacht röchelte Manfred ziemlich laut, und ich rief den Notarzt. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass es mit einem Mal still um mich herum geworden war. Als der Arzt draußen bei uns eintraf, war der Säufermond für Manfred ein letztes Mal untergegangen, für immer. Eigentlich wollte ich all das vergessen. Auf einmal kehrte Erwins Sohn zurück, und ihm folgte Gerede in der Stadt, die Liane und dann die Vorladung auf das Revier. Wissen Sie, wie das ist, wenn man jahrelang vom eigenen Mann misshandelt, geschlagen, vergewaltigt wird und einem keiner hilft, obwohl die Leute rundherum genau Bescheid wissen? Erwin war der Erste und Einzige, der sich um mich gekümmert hat. Und jetzt lassen Sie mich bitte allein. Ich habe nichts getan.«

      Es war schon spät, als Oli die Tür zu seiner Wohnung aufschloss. Er setzte sich in den Sessel. »Birgit muss eine Aussage im Revier machen. Dann kann ich die Akte schließen. Der Rest ist Sache der Staatsanwaltschaft. Wenn du erst am Dienstag nach Berlin fährst, begleite ich dich.«

      Adina schaute erstaunt auf. Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. »Ok, dann sage ich meinen Eltern, dass ich nicht allein komme. Du bist ein Schatz!«

      2 Das Auto im Schlossteich

      Chemnitz

      »Da bin ich.« Adina warf ihre Tasche schwungvoll auf den Tisch im Besprechungszimmer der Berliner Marketingagentur. Dann zog sie ihre Jacke aus und hängte sie über den Stuhl.

      »Wir sind hocherfreut, dass du uns die Ehre gibst, wo du doch gerade von der Berliner Pflanze zum Erzgebirgsmädel werden willst. Herzlich willkommen«, begrüßte Markus seine Mitarbeiterin. Seit Corona im Land gewütet hatte, verzichtete Adina auf die freundschaftliche Umarmung und winkte Markus stattdessen zu. Sowohl Berlin als auch das Erzgebirge hatten lange Zeit einen vorderen Platz in der Infektionsstatistik eingenommen. Die Vorsicht war zum Alltag geworden.

      Markus hatte seinen Laptop angestöpselt und eine Deutschlandkarte an die Wand geworfen. Sie zeigte den Stand der Arbeiten für das Tourismusportal, das die Agentur aufgebaut hatte. Adina sah weiße, rote, grüne oder gelbe Flächen und wurde ganz still. »Du, Markus, ich möchte dir Danke sagen. Die Entscheidung, mich weiter in Sachsen arbeiten zu lassen, ist dir sicher nicht leichtgefallen angesichts der vielen weißen Flecken. Ich bin froh, dass du mich nicht in die Pfalz oder die Eifel schickst.«

      »Schau auf die gelben Flächen im Erzgebirge. Hier musst du sicher einiges überarbeiten und auf den neuesten Stand bringen. Und rundherum hast du ein breites Betätigungsfeld.«

      »Ich war schon zu ein paar Recherchen unterwegs und muss nur noch den Computer füttern. Parallel dazu werde ich erste Informationen zu den neuen Orten sammeln. Du hast doch sicher gehört, dass Teile des Erzgebirges inzwischen zum grenzüberschreitenden UNESCO-Welterbe Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří erklärt wurden. Wir können also einiges für uns entdecken. So ganz richtig scheinen mir die Erzgebirger noch nicht aus den Puschen gekommen zu sein, aber vielleicht kann ich ein wenig nachhelfen. Wenn erst die Besucher strömen, wird sich manches bewegen.«

      »Ich glaube, Corona hat sich da sogar positiv ausgewirkt. Der Trend zur Rückbesinnung auf Urlaub in Deutschland ist unübersehbar. Das sagen auch deine Mitstreiter, die in den alten Bundesländern unterwegs sind.« Markus tippte mit dem Mauszeiger auf Köln, wo sich Adinas direkter Konkurrent weniger erfolgreich als sie anstellte. Die gelben und weißen Flächen in der Stadt und ihrer Umgebung deuteten darauf hin.

      »Warum hinkt er so hinterher?«, fragte Adina.

      »Ich verstehe es auch nicht. Er hat deutlich bessere Bedingungen als du. In Köln ist vieles konzentriert und nicht so zertragen wie bei dir im Erzgebirge. 22 Orte Montanregion, dabei allein 17 in Sachsen. Das sagt doch alles. Vermutlich kann er nicht so gut mit Menschen wie du. Dir kommen deine journalistischen Erfahrungen zugute. Aber er stolpert nicht dauernd über Leichen.«

      Adina schaute zu Markus. Sein Grinsen verriet ihr, dass er die Bemerkung nicht als Vorwurf betrachtete. Also lächelte sie ebenso. »Ich habe übrigens Oli mit nach Berlin gebracht. Ich wollte ihm den Berliner Winter zeigen, der so ganz anders ist als der im Erzgebirge. Hoffentlich vermisst er das Knirschen des Pappschnees unter den Füßen nicht zu sehr. Zurzeit ist es wieder arg in Annaberg. Dauerfrost und kein Ende in Sicht. Ohne Winterreifen und manchmal sogar Schneeketten geht da nichts. Oli ist gerade auf der Museumsinsel. Demnächst übernimmt er eine Schwangerschaftsvertretung in Dresden. Ich dachte, das passt ganz gut, denn hier wie da gab es spektakuläre Diebstähle in Museen. Deshalb habe ich ihn dorthin geschickt.«

      »Ach ja, ich vergaß, dass er ein Kriminaler und stets den Kriminellen auf der Spur ist. Die Verbindung zwischen dir und ihm gefällt mir. Ich hoffe, du pfuschst ihm nicht zu sehr ins Handwerk und er passt ein bisschen auf dich auf.«

      »Sagen wir mal so: Er ist nicht immer begeistert von den vielen Zufällen, mit denen ich ständig in Berührung komme. Wobei ich ja nicht wirklich an Zufälle glaube. Aber eine Erklärung habe ich halt auch nicht. Wenn du magst, können wir gemeinsam Mittagessen gehen. Ich könnte Mia fragen, ob sie Zeit hat. Oder wir treffen uns heute Abend«, schlug Adina vor.

      »Lass uns erst alles besprechen. Um 14 Uhr habe ich einen Termin. Heute Abend wäre also besser. 19 Uhr. Wo soll ich reservieren?«

      »Warte, ich schreibe Mia schnell eine Nachricht.« Kurz nachdem Adina auf Senden geklickt hatte, ertönte der Kuckucksruf, der eine Antwort signalisierte.

      »Ok, alles klar. Mia hat zugesagt. Wie wäre es bei Feinberg’s in Schöneberg? Vom Nollendorfkiez aus kommen wir alle schnell nach Hause. Ich mag die Vielfalt der jüdisch-israelischen Küche. Und ich habe lange keinen richtigen Hummus gegessen. Wenn ich in Chemnitz bin, gehe ich immer ins Schalom. Leider bin ich nicht sehr oft dort, aber das kann sich ändern. Schließlich wird Chemnitz Europäische Kulturhauptstadt 2025. Das war für mich eine Überraschung. Immerhin gehörte Nürnberg zu den Bewerbern. Ich bin gespannt, was sich da im Schatten des Nischels entwickelt.«

      Markus hakte ein. »Du tust den Chemnitzern unrecht, wenn du sie auf den Karl-Marx-Kopf reduzierst, obwohl der schon beeindruckend ist. Aber das muss ich dir wohl nicht sagen.«

      Adina nickte. »Genau. Wobei ich glaube, die Chemnitzer tun sich manchmal selbst unrecht. Das haben die Diskussionen um diverse Kunstprojekte und um die Kulturhauptstadt-Bewerbung bewiesen. So ein bisschen Provinzmief schwingt da immer mit, obwohl die Stadt Potenzial hat. Die Bewerbung um den Kulturhauptstadt-Titel ist ein gutes Beispiel. Das war schon ausgefallen, was die Chemnitzer vorgelegt haben. Der Darm von Karl Marx. Das Größenverhältnis passte sogar


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