Mörderisches aus Sachsen. Petra Steps

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Mörderisches aus Sachsen - Petra Steps


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…«

      Adina hatte bereits nach ihrem Visitenkartenetui gegriffen und ein Kärtchen herausgenommen.

      »Ich würde mich sehr freuen. Aber erst einmal herzlichen Dank für Ihre Mühe. Ich weiß gar nicht, wie ich das wiedergutmachen kann. Ich wurde heute so reich beschenkt.«

      »Keine Ursache. Ich beschäftige mich ohnehin mit dem Thema. Und forschen ist eher eine einsame Arbeit. Es ist eine große Freude für mich, wenn ich jemandem eine Freude machen kann. Im Alter kommt man darauf, dass an dem Spruch Geben ist seliger denn nehmen tatsächlich etwas dran ist.«

      Der Historiker hielt Adina einen kleinen Vortrag über die Geschichte der Juden in Chemnitz, während sie über den Jüdischen Friedhof schlenderten. Nicht alle Wege waren schneefrei, sodass sich der Rundgang auf die Hauptwege konzentrierte. Adina erfuhr etwas über die Stadt im Allgemeinen und das Leben ihrer Urgroßmutter im Besonderen. »Sie bieten viele Vorträge und Rundgänge an?«, fragte Adina.

      »Ja, seit ich im Ruhestand bin, habe ich das Programm erweitert«, sagte der Historiker.

      »Das ist gut, ich werde den Kontakt in mein Tourismusportal aufnehmen und zu den Terminen verlinken. Sind Sie damit einverstanden?«

      »Aber natürlich. Vorträge ohne Besucher sind grässlich. Da kann man immer Unterstützung gebrauchen. Und kostenlose sowieso.«

      Adina freute sich, dass sie dem Mann eine winzige Gegenleistung für seine Hilfe bieten konnte. Sie verabschiedete sich von ihm und fuhr mit Frau Kievernagel zum Kaßberg. Dann gab sie die Heinrich-Zille-Straße ins Navi ein. Einen Parkplatz fand sie gleich um die Ecke bei der hübschen Buchhandlung am Brühl.

      Das Schalom war gut gefüllt. »Herzlich willkommen! Wir haben dir einen der besten Plätze reserviert. Und sicher bist du da auch, gleich neben unseren Chemnitzer Beamten«, begrüßte der Wirt Adina, nachdem diese das Restaurant betreten hatte.

      »Hallo, Uwe, ich freue mich schon seit gestern, als ich den ersten Tag in Chemnitz unterwegs war.« Der Mann mit der dunkelroten Schürze und der Kippa auf dem Kopf führte sie zum Platz.

      »Das ist Adina Pfefferkorn. Sie hat euch damals den Verrückten geliefert, der überall Beutekunstjäger gewittert hat. Die Sache in den Kunstsammlungen«, stellte der Wirt Adina den Männern vom Nachbartisch vor. Sie wusste für einen Moment nicht, wie sie sich verhalten sollte. »Wir kennen uns«, rief ein hagerer Mittdreißiger von der hinteren Stirnseite. »Ich habe damals die Anzeige aufgenommen. Kriminalhauptkommissar Müller, Sie erinnern sich sicherlich.« Damit war das Eis gebrochen, obwohl Adina den Mann nicht wiedererkannt hätte. Die Beamten boten ihr einen freien Platz an ihrer Tafel an. »Ich werde erst etwas essen, dann können wir an Ihrem Tisch schwatzen, wenn Sie nichts dagegen haben«, antwortete sie und setzte sich auf ihren reservierten Platz.

      »Das ist schon mein zweites jüdisches Restaurant innerhalb einer Woche. Vor ein paar Tagen war ich im Feinberg’s in Berlin«, erzählte Adina, als Uwe ihr die Speisekarte reichte.

      »Und?«

      »Anders als hier, mehr sephardisch, Sabich, Shak­shuka, Kebab, Kibbeh, also alles, was man aus der orientalischen Küche kennt. Es gibt aber viele Sachen, die ihr hier habt. Natürlich Zackenbarsch in scharfer marokkanischer Soße, also Chraime, Hummus, Falafel und all die Mezze-Vorspeisen. Ich glaube, gefilte Fisch, Borschtsch, Kneidlach oder Tscholent und solche osteuropäischen Sachen haben sie nicht auf der Karte. Super lecker ist es aber hier wie dort.«

      »Danke. Na, dann nimm doch heute etwas Aschkenasisches. Blinzes, Latkes, Hühnchen …«

      »Erst bringst du mir ein Simcha. Ich muss heute zurück, da ist nichts mit viel Alkohol. Ein kleines Bier geht aber. Ich bin mehr als eine Stunde da. Und wenn du mit dem Bier kommst, weiß ich, was ich esse.«

      Der Kellner brachte das Bier. Adina gab ihre Bestellung auf. »Hummus muss sein. Dann würde ich gern die jiddische Hühnersuppe probieren. Damit dürfte die Sättigungsgrundlage geschaffen sein. Lattkes mit Gemüse könnten gerade noch reinpassen.«

      »Klar, du schaffst das. Es dauert ein wenig.«

      Adina nahm einen Schluck Bier, wischte sich den Schaum von den Lippen und wandte sich den Beamten zu. »Ganz schön was los in Chemnitz. Der Rummel um die Kulturhauptstadtbewerbung, die ganzen dämlichen Störmanöver und jetzt ein Toter.«

      »Das hat sich bis in die Hauptstadt herumgesprochen?«, fragte der Mann, den sie bereits kannte.

      »Klar, Herr Müller. Wir Berliner Pflanzen sind immer gut informiert, und Journalisten sowieso. Aber ich wohne zurzeit im Erzgebirge. Ich war nur ein paar Tage in Berlin, mit meinem Auftraggeber sprechen, meine Eltern besuchen, nach meiner Wohnung sehen. Die Gegend hier ist mir so ans Herz gewachsen. Da zieht es mich immer schnell zurück.« Das ironische »vor allem im Winter« verkniff sie sich.

      Kriminalhauptkommissar Müller setzte zum Sprechen an. Sein Tischnachbar kam ihm zuvor. »Ich bin der Harald. Und der Herr Müller, der heißt Steffen.«

      »Ich bin Adina. Sorry, mein Essen.« Die Antwort fiel knapp aus, denn Adina wollte sich dem eben servierten Hummus widmen. Sie brach das Brot ab, tauchte es in den Kichererbsen-Sesampastenbrei und murmelte »himmlisch« vor sich hin. Die weiteren Gänge kamen auf den Punkt. Adina orderte ein Wasser und wechselte nach dem Essen zum Nachbartisch. Als sie saß, schaute sie demonstrativ auf ihre Uhr. »20 Minuten, dann muss ich weg. Haben Sie die Sache mit dem Auto schon aufgeklärt?«

      »Nein, wir tappen im Dunkeln. Es gibt ein paar vielversprechende Spuren, aber keinen Durchbruch«, antwortete Kriminalhauptkommissar Müller. Adina überlegte kurz. Sie wusste, dass die Beamten alle Gesprächstricks kannten, und wollte nicht ganz so plump erscheinen. Doch die Flirtversuche von diesem Müller, die hatten Potenzial.

      »Stimmt es, dass der Mann umgebracht und ins Auto gelegt wurde?«, begann sie.

      »Ich würde dem nicht widersprechen«, antwortete der Kommissar und blickte Adina an.

      »Und dass die Sache mit der Kulturhauptstadt zusammenhängt?«

      »Wie kommen Sie darauf?«, hakte der Kommissar nach.

      Die Salamitaktik schien zu funktionieren. Adina versuchte, ihn weiter anzufüttern. »Ich habe mich gestern und heute mit einigen Chemnitzern getroffen. Die sprachen davon. Einige vermuten einen Zusammenhang mit anderen Bewerbern für den Titel. Und schon bevor ich herkam, habe ich mir angeschaut, was in diversen Medien veröffentlicht wurde. Ich meine, vor allem in den sozialen Medien, die nur dem Namen nach sozial sind. Meldungen, Kommentare, Bilder …« Adina trank den letzten Schluck aus ihrem Glas. »Ich muss nach Annaberg. Man sieht sich vielleicht an der einen oder anderen Stelle. Oder irgendwann wieder im Schalom.« Als sie sich verabschiedete, bemerkte sie ein enttäuschtes Gesicht.

      Während der Rückfahrt telefonierte Adina über die Freisprechanlage mit Oli. Er kam kaum zu Wort, so viel hatte Adina zu berichten. »Und stell dir vor, die Chemnitzer Beamten vermuten auch, dass der Tote mit der Kulturhauptstadt zu tun hat«, erzählte sie ihm.

      »Ich bin bei der Übergabe. Medienbetreuung ist etwas anderes als Dienst an vorderster Front. Nimm dir für das Wochenende nicht zu viel vor. Ich glaube, ich will einfach relaxen«, erfuhr sie von Oli.

      Adina war gerade in Olis Annaberger Wohnung angekommen, als ihr Handy vibrierte. »Hier ist Kriminalhauptkommissar Müller. Könnten Sie morgen ins Präsidium kommen und Ihren Laptop mitbringen? Wir würden uns gern die Bilder mit Ihren Beobachtungen vor Ort anschauen.« Das ging ja schnell, dachte Adina und hatte Mühe, ernst zu bleiben. Sie erinnerte sich an ihre erste Begegnung mit Oli, der ebensfalls ein forsches Tempo an den Tag gelegt hatte. »Klar, ich bin morgen ohnehin in Chemnitz. Ich denke, so ab halb zehn.«

      »Ja, das passt. Melden Sie sich beim Einlassdienst – so wie damals bei der Aussage zum Beutekunstjäger. Ich hole Sie ab.«

      »Ok, bis morgen.« Adina verabschiedete sich und ließ ein heißes Bad ein. So aufgewühlt, wie sie war, konnte sie ohnehin schlecht einschlafen. Immerhin schien sie auf Männer zu wirken. Vor allem auf Single-Beamte. Deshalb war sie jetzt hier in dieser sibirischen Kälte.


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