Der Peloponnesische Krieg. Thukydides
Читать онлайн книгу.Schiffe, Reiterei aber die Bootier, Phoceer und Potrier: die übrigen Staaten lieferten Fußvolk. Dieß war der Bundesverein der Lacedämonier. Die Athener aber hatten zu Verbündeten die Chier, Lesbier, Platäer, die Messenier in Naupaktus, die Meisten der Akarnanier, die Korcyräer, Zakynthier und andere Städte, die ihnen unter folgenden vielen Völkerschaften zinsbar waren: Karien, so weit es am Meere liegt, die Dorier, die an Karien grenzen, Ionien, den Hellespont, die Grenzgegenden von Thracien, alle zwischen dem Peloponnes und Kreta öftlich gelegenen Inseln: alle übrigen Sykladischen Eilande, ausser Melos und Thera. Von diesen Lieferten die Chier, Lesbier und Korcyräer Schiffe, die Uebrigen gaben Landtruppen und Geld. Dieses war die Bundesgenossenschaft und Zurüstung beider Theile zum Kriege.
10. Die Lacedämönier erließen nun sogleich, nach den Vorfällen zu Platäa im Peloponnese umher und an ihre auswärtigen Bundesvereine die Aufforderung: die Städte sollten Truppen und die nöthigen Vorräthe bereit halten, wie man sie bei einem Zuge ausser Landes haben müsse; in der Absicht, in Attika einzufallen. Als nun überall Alles zur bestimmten Zeit bereit war, so kamen zwei Drittheile der Mannschaft sämmtlicher Städte auf der Landenge zusammen. Als das ganze Heer beisammen war, so berief Archidamus, König der Lacedämonier, als Oberanführer des Kriegszugs, die Feldherrn aller Städte und die vornehmsten Beamten und angesehensten Männer vor sich, und hielt folgenden Vortrag:
11. "Peloponnesische Männer und Bundesgenossen! Es haben nicht allein unsere Väter manche Feldzüge im Peloponnese und auswärts gemacht: sondern auch die Bejahrtern unter uns sind nicht ohne Erfahrung in Kriegszügen. Doch sind wir noch nie mit einer größeren Rüstung, als diese ist, ausgezogent. Aber wir gehen auch gegen einen sehr mächtigen Staat in den Kampf: darum sind wir mit einem so zahlreichen und tüchtigen Heere ausgerückt. Es ist also billig, daß wir uns nicht schlechter zeigen als unsere Väter, noch hinter unserem eigenen Ruhme zurückbleiben. Denn ganz Hellas ist bei dieser Bewegung in gespannter Erwartung, und seine Blicke sind auf uns gerichtet: es wünscht uns, von Haß gegen Athen beseelt, Glück zur Ausführung unseres Unternehmens. Wenn nur Mandyer denkt, wir dürfen, weil wir mit Uebermacht anrücken, ganz sicher sein, daß die Feinde uns nicht in Offener Schlacht begegnen werden, so dürfen wir darum doch nicht in nachlässiger Haltung vorwärts ziehen, vielmehr sollen Anführer und Krieger jedes Staats für sich jeden Augenblick gefaßt sein, einen Kampf zu bestehen. Denn ungewiß sind die Fälle des Kriegs, und aus Kleinen Anlässen und mit Hitze erfolgen meist die Angriffe. Oft schon hat die Minderzahl durch Vorsicht eine Ueberzahl siegreich zurückgeschlagen, wenn diese ans Verachtung des Feindes nicht gefaßt war. In Feindesland aber muß man stets, während man mit kühnvertrauendem Muthe zu Felde zieht, in der Ausführung mit scheuer Vorsicht sich waffnen. Denn so hat man Zuversicht genug, den Gegner anzugreifen, und wird man angegriffen, die größte Sicherheit. Wir aber ziehen gegen einen Staat, der keineswegs anmächtig zur Selbstvertheidigung, sondern mit allem aufs Beste gerüstet ist. Wir dürfen daher auch ganz sicher erwarten, daß jene eine Schlacht wagen werden, wenn sie schon jetzt, wo wir ihnen noch nicht so nahe stehen, nicht angreifen, wenigstens dann, wann sie sehen, wie wir ihr Land verwüsten und ihre Habe verderben. Denn mit eigenen Augen und auf frischer That eine ungewöhnliche Mißhandlung zu sehen, reizt immer zur Erbitterung, und je weniger man Ueberlegung anwendet, desto mehr wird man durch Aufwallung zu Thätlichkeiten hingerissen. Ein solches Benehmen läßt sich von den Athenern noch mehr als von. Andern erwarten, da sie Anspruch auf die Herrschaft über Andere machen, und lieber fremdes Land durch Einfälle verheeren, als ihr eigenes verheert sehen wollen. Da wir nun gegen einen so mächtigen Staat zu Felde ziehen, und da der Erfolg, wie er auch ausfalle, für den ausgebreitetsten Ruf unserer Vorfahren und unsern eigenen entscheidend sein wird, so folget überall euren Führern, und laßt euch Ordnung und Behutsamkeit vor Allem wichtig sein: und vollziehet schleunig, was euch geboten wird. Denn es ist in hohen Grade sichernd, und ruhmvoll zugleich, wenn man eine so große Menge dieselbe Ordnung befolgen sieht."
12. Nach dieser Rede hob Archidamus die Versammlung auf, und schickte zuerst den Spartaner Melesippus, den Sohn des Diacritus, nach Athen, um zu sehen, ob die Athener etwa eher nachgeben würden, wenn sie sähen, daß die Lacedämonier bereits im Anzuge sehen. Jene aber ließen ihn nicht in die Stadt ein, noch vor die Volksgemeinde treten. Denn schon früher hatte Perikles mit seinem Vorschlage durchgedrungen, daß man keiner Herold und keine Gesandtschaft mehr annehmen rolle, sobald die Lacedämonier ausgerückt wären. Man schickte jenen also zurück, ohne ihn anzuhören, und befahl ihm, noch an demselben Tage über die Grenze zu gehen, mit der Erklärung: wenn die Lacedämonier künftig wieder unterhandeln wollten, so sollten sie sich zuvor in ihr Gebiet zurückziehen. Man gab auch dem Melesippus Begleiter mit, daß er mit Niemand sprechen könnte. Als er aber an die Grenze gelangt, und im Begriffe war, von seinen Begleitern zu scheiden, so sagte er, ehe er weiter gieng, die wenigen Worte: „dieser Tag wird für die Hellenen der Anfang großen Unheils sein.“ Da er nun ins Lager kam und Archidamus sich überzeugte, daß die Athener auf keine Weise nachgeben wurden, so brach er auf und rücke mit seinem Heere in ihr Gebiet ein. Die Böotier hatten Ihren Antheil von Truppen, und die Reiterei schon zu den Peloponnesiern stoßen lassen: mit den Uebrigen rückten sie vor Platäa und verheerten dessen Gebiet.
13. Während sich noch die Peloponnesier an der Land: enge sammelten, und auf dem Zuge begriffen waren, ehe sie in Attika einbrachen, so vermuthete Perikles, der Sohn des Xanthippus, welcher mit neun Andern Feldherr der Athener war, auf die Nachricht von dem bevorstehenden Einfalle, es möchte Archidamus, der zufälliger Weise sein Gastfreund war, entweder etwa aus besondern Rücksichten der Gefälligkeit für ihn seine Güter verschonen und nicht verheeren, oder es möchte dieß auf Befehl der Lacedämonier geschehen, um ihn in ein nachtheiliges Licht zu stellen, so wie sie auch seinetwegen die Verbannung der Fluchbeladenen verlangt hatten. Er erklärte also den Athenern in der Volksversammlung, Archidamus sei zwar sein Gastfreund; doch solle dieß dein Staate nicht zum Nachtheile gereichen: reine Güter und Häuser, wenn sie die Feinde nicht, wie die der Andern, verheeren würden, wolle er dein Staate als öffentliches Gut überlassen, so daß ihn dieß nicht verdächtig machen könne. Auch ermahnte er sie, in Betracht der gegenwärtigen Umstände, wie er auch früher gethan, sich auf den Krieg gefaßt zu halten, und ihre Habe vom Lande hereinzuschaffen. Uebrigens sollten sie nicht zur Schlacht hinausrücken, sondern sich in die Stadt werfen, und diese zu behaupten suchen, auch die Seemacht, worauf ihre Stärke beruhe, in fertigem Stande erhaltet. Auch sollten sie der Sache der Bundesgenossen ihre Aufmerksamkeit widmen: dabei bemerkte er, daß die Geldankünfte von diesen eine Hauptstütze ihrer Macht sehen, da ja im Kriege das Meiste durch Klugheit und überwiegende Geldmittel entschieden werde. Er sprach innen in dieser Beziehung Muth ein, indem die Stadt, ihre übrigen Einkünfte angerechnet, von den Bundesgenossen meist eine jährliche Steuer von sechshundert Talenten4 beziehe: auch sehen auf der Burg sechstausend Talente an gemünztem Gelde vorräthig. (Als dieser Schatz die höchste Summe erreicht hatte, so betrug er neuntausend siebenhundert Talente, wovon die Rosten für die Vorhalte der Burg (Propyläen) und andere Gebäude, so wie für den Krieg mit Potidäa, bestritten worden waren). Ausserdem sei an gemünztem Gold und Silber, an besondern und öffentlichen Weihgeschenken, und was an heiligen Geräthschaften zu den Festzügen und heiligen Spielen und an Persischer Beute, und was dergleichen sonst noch vorhanden war, der Werth nicht unter fünfhundert Talenten. Dazu rechnete er, daß sie vor den übrigen Heiligthümern nicht unbeträchtliche Schäle würden benützen können: und wenn ihnen alle Mittel abgeschnitten würden, so stünde ihnen das Gold, das am Bilde der Göttin (Minerva) angebracht war, zu Gebote: wobei er nachwies, daß Das Bild vierzig Talente geläuterten Goldes5 an Gewicht habe, welches ganz abgenommen werden könne: nur müßten sie es, wenn sie es zu ihrer Rettung gebraucht, in nicht geringerem Gehalte wieder erstatten. So ermuthigte er sie durch Angabe ihrer Geldmittel. Ihre Schwerbewaffneten, jagte er, betragen dreizehntausend Mann, ohne die in den besetzten Plätzen, und die sechzehntausend Mann, die auf den Mauerzinnen vertheilt sehen. Denn so stark waren anfänglich die Wachposten, als die Feinde eindrangen. Man nahm sie aus den Aeltesten und Jüngsten und Beisitzern, so Viele deren Schwerbewaffnete waren. Es betrug nämlich die Phalerische Mauer bis an die Ringmanern der Stadt fünfunddreißig Stadier, und der besetzte Theil dieser Ringmauer dreiundvierzig. Ein Theil davon war auch ohne Wachposter zwischen der langen und der Phalerischen Mauer. Die langen Mauern aber bis zum Piräeus betragen vierzig Stadien, wovon die äussere bewacht war. Der ganze Umfang des Piräeus nebst Munychia hatte sechzig Stadien: wovon der besetzte Theil