Was deine Angst dir sagen will. Andreas Winter

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Was deine Angst dir sagen will - Andreas Winter


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lang, sodass er dabei fast gestorben wäre.

      Wenn einem Klaustrophobiker bewusst wird, dass ein Geburtstrauma die Kriterien eng, dauert lange, ist lebensgefährlich, kann nicht kontrolliert werden und Licht oder Weite rettet lieferte, die er auf den Fahrstuhl übertragen hat, dann wird damit schlagartig klar, dass es nicht der Aufzug war, sondern die Geburt, die ihn bei Sauerstoffnot stresste.

      Klaus verlor seine Angst innerhalb weniger Minuten durch meinen Hinweis, dass seine Klaustrophobie nur eine emotionale Erinnerung an ein Trauma darstellt, um ihn vor einer Wiederholung des Geburtstraumas zu warnen. Die Geburt kann sich aber nicht wiederholen, und der Aufzug stellt keine größere Gefahr dar als eine Treppe. Durch diese Information wird der Ursprung des Angstgefühls in unser rationales Bewusstsein gehoben, und damit kann die Angst verschwinden. Sie kehrt dann auch nicht mehr zurück.

      Wir fuhren anschließend zum Test in einem klapprigen Lift mit flackernder Beleuchtung fünf Stockwerke auf und ab, doch Klaus lachte nur noch befreit. Sich bewusst zu machen, dass nicht nur ein Aufzug, sondern auch eine Treppe, ein Gehweg oder sogar die eigenen vier Wände gefährlich sein können, führt im Gehirn zu der Erkenntnis, dass Angst unwirtschaftlich ist. Die Psyche kann gar nicht anders, als auf das Angstmuster zu verzichten, sobald ihrer Wirksamkeit der Boden entzogen ist.

      Ein brandaktuelles Beispiel habe ich vor wenigen Tagen in meinem Institut erlebt. Während der fünftägigen Ausbildung zum Coach demonstrierte ich den Teilnehmern, wie man über eine 15 Meter hohe Balkonbrüstung balanciert. Ich ging über den schmalen Steg und schaute nicht einmal auf meine Schritte, weit unter mir die Straße und die Autos, klein wie Spielzeug. Heike, einer jungen Frau aus Hamburg aus meinem Kurs, stockte fast der Atem, sie bekam Angstschweiß und Unruhegefühle – allein beim Zusehen durchs Fenster. Doch nach circa 15 Minuten ging sie selbst beherzt und lachend über die Balkonbrüstung, nachdem ihr in einer kleinen Hypnose klar geworden war, dass ihre Angst mit den Ängsten ihrer Mutter zu tun hatte – die ist nämlich als Baby aus dem Kinderwagen gefallen und hat die Tochter stets überbehütet behandelt und vor Höhe gewarnt. So versteckt und dennoch so logisch können Angstursachen sein.

      Ein älteres Beispiel stammt aus einem meiner Vorträge, den ich mehrmals in meiner Wahlheimat Iserlohn gehalten habe. Dort wollte ich vor versammeltem Publikum mit einem Freiwilligen demonstrieren, wie ich eine Höhenangst auflöse. Karl-Heinz, ein Mann Anfang 60, meldete sich spontan. Seine Angst, die er seit dem zehnten Lebensjahr hatte, störte ihn enorm. Er musste auf Reisen mit seiner Frau oft bei Ausflügen auf Aussichtsplattformen und sogar beim Eiffelturm einfach passen und fühlte sich natürlich dabei wie ein Spielverderber. Nach vier Wochen schickte er mir ein Handyfoto aus einem 48 Meter hohen Riesenrad, das er selbst aufgenommen hatte. Seine Höhenangst war nach einer kleinen Reflexion im Anschluss an meinen Vortrag vor hundert Menschen verschwunden, und das innerhalb von weniger als 20 Minuten. So einfach kann das sein.

      Ein physikalisches Gesetz macht den Ansatz zur Angstfreiheit zuverlässig. Es ist das Gesetz des geringsten Widerstandes. Es besagt, dass sich jedes Potenzial auszugleichen versucht, und zwar möglichst ohne Kraftaufwand und Energieverlust. Strom fließt stets durch die Leitung mit dem geringsten Widerstand. Wasser fließt nur einen Berg hoch, wenn eine Staumauer oder ein Unterdruck verhindert, dass es bergab fließen kann.

      Genauso verhält sich auch unser Gehirn. Es fällt seine Entscheidungen in Bruchteilen von Sekunden, immer nach dem Gesetz des geringsten Widerstandes. Nun kommt es nur noch darauf an, was man als den geringsten Widerstand bezeichnet. Für den einen sind Spielregeln hilfreich, für den anderen sind sie Bevormundung. Der eine mag die Nachfrage nach dem Befinden, der andere empfindet dies als Einmischung oder Heuchelei. Der eine braucht Risiko und Herausforderung, der andere stirbt dabei fast vor Furcht. Wenn man ganz genau weiß, was der subjektiv empfundene Widerstand eines jeden Einzelnen ist, dann hat man den Hebel, mit dem man die Angst besiegen kann!

      Den Algorithmus der Psyche habe ich einmal die Formel genannt, die unser Bestreben bestimmt. Sie lautet:

       Die eigene Absicht widerstandsfrei verwirklichen.

      Einfacher: Jeder Mensch will seine Bedürfnisse ohne weiteren Stress befriedigen. Wer müde ist, wird schlafen, es sei denn, das Bett brennt. Wer Appetit hat, wird essen, es sei denn, das schlechte Gewissen hat es ihm verboten. Niemand will, dass man sich in seine Absicht einmischt. Wenn Sie einem Kind sagen, dass es ins Bett gehen soll, wird es sich nicht für den guten Tipp bedanken, sondern sich über Sie ärgern – selbst wenn es sinnvoll wäre, ins Bett zu gehen. Es geht also immer darum, dass wir selbst entscheiden wollen, welchen Weg wir zu unserem Ziel einschlagen.

      Jedes der drei Elemente der oben genannten Formel – eigene Absicht, widerstandsfrei, verwirklichen – hat eine eigene Größe, die gegen unendlich geht und nie gegen null gehen darf. Ist die Absicht verwirklicht, herrscht für einen Augenblick ein Zustand der Bedürfnislosigkeit.

      Alle streben danach, die eigenen Absichten zu verwirklichen. Wir nehmen unglaubliches Leid in Kauf, nur weil wir den leichteren Weg zur Bedürfnislosigkeit nicht kennen. Der Algorithmus erklärt, warum Menschen lieber sterben, als ihr Verhalten zu ändern. Eine Verhaltensänderung würde mehr Stress erzeugen, als der Tod, so glauben sie.

      Die Absicht von Klaus in oben genanntem Beispiel war, ins oberste Stockwerk zu gelangen. Dem stand die Angst zu ersticken entgegen. Er konnte sein Ziel nur erreichen, wenn er die Treppe nahm und den Aufzug mied. Obwohl die neunzehn Stockwerke ein enormer Aufwand waren, erschien ihm dieser Widerstand geringer als der unterbewusst befürchtete Verlust der Kontrolle über das Leben. Erst als er die Ursache seiner Angst reflektiert hatte, konnte er sein subjektives Empfinden kontrollieren und die Angst vor einem Aufenthalt im Aufzug überwinden.

      Wenn ein Raucher wüsste, dass er auch ohne Zigaretten das Gefühl von Erleichterung bekommen kann, dann könnte er die fünf Euro pro Packung sparen, müsste weder Krankheiten befürchten noch Erniedrigungen durch das Rauchverbot in Kauf nehmen. Aber er weiß es nicht, deswegen raucht er beim Auslöser Bevormundung.

      Wenn ein aufgrund der derzeitigen Migrationswelle verängstigter Bürger wüsste, dass die Menschen, die Tausende Kilometer hinter sich haben, viel mehr Angst haben als er selbst, dann wäre er ganz entspannt. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie zum Beispiel nach Singapur emigrieren würden, dort weder die Kultur kennen noch wissen, wie man seinen Wohlstand und seine Existenz sichert? Wenn die Menschen dann noch wüssten, dass der Islam keine trostspendende Religion ist, sondern ein uraltes politisches Konzept, dazu eines, das in einer humanistischen Welt kein Zukunftsmodell darstellt, und diese Menschen nun zu Tausenden in genau die Länder ziehen, in denen autoritäres Einschüchtern, Gewaltbereitschaft, Respektlosigkeit keine zeitgemäßen Werte darstellen, dann wären sie nicht nur entspannt, sondern könnten sich ihrer wichtigen Vorbildfunktion bewusst sein. Genauer, wenn Sie wüssten, dass man von Ihnen sogar gerne lernt, wie man ohne Gewalt und Bevormundung glücklich in Sicherheit erfolgreich wird, hätten Sie keine Angst vor einer islamischen Invasion (die es auch sicherlich nicht gibt). So einfach kann Angst verschwinden. Doch wie entsteht Angst überhaupt?

      Ein Mensch kann vor allem, was ihn real oder eingebildet umgibt, Angst haben: vor Fremden, vor dem Tod, vor Spinnen, Prüfungen, Homosexuellen und Schokolade. Aber nur, wenn er durch genau diese Dinge irgendwann einmal in Gefahr geriet, sie also einen großen Widerstand für ihn darstellen. Da weder Tod noch Spinnen oder Schokolade gefährlich sind, sondern wir das immer nur befürchten, haben wir es genau genommen mit einer Konditionierung zu tun!

      Stellen Sie sich vor, Sie bekämen in Ihrem Büro einen neuen Teppich. Weil Ihr Chef stets auf die Finanzen achtet, hat er einen besonders günstigen Teppich ergattert. Dieser besteht zu 100 Prozent aus Polyacryl und verträgt sich nicht mit Ihren Polyesterschuhsohlen vom Discounter (höchstwahrscheinlich werden Sie bei einem solchen Chef auch auf Ihr eigenes knappes Budget achten müssen). Die beiden Kunststoffe laden sich also bei jedem Schritt elektrostatisch auf.

      Jedes Mal, wenn nun ein Kunde in Ihr Büro kommt und Ihnen seine feuchte Hand gibt, bekommen


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